Aargauer Gemeinden wollen keine zuziehenden Sozialhilfebezüger
Sozialhilfebezüger sollen keine weissen Socken tragen dürfen – etwa so könnte man, etwas klischiert, die politische Stimmung in einigen Aargauer Gemeinden zusammenfassen. «Wir haben den Liegenschaftsbesitzern einen entsprechenden Brief geschrieben», bestätigt Ulrich Müller, Gemeindeammann von Riniken, einen entsprechenden Bericht von «beobachter.ch». Es gehe darum, die Besitzer in die Pflicht zu nehmen. Man könne diese selbstverständlich zu nichts zwingen. «Wir wollen uns auch nicht vor der Sozialhilfe drücken», hielt Müller fest. Im Aargau sind die Gemeinden für die Prüfung und Ausrichtung der öffentlichen Sozialhilfe zuständig.
Das 1500-Seelen-Dorf verzeichnete laut Müller einen «weit überdurchschnittlichen Anstieg» der Sozialhilfekosten. Die Kosten stiegen innerhalb von zwei Jahren um 300 Prozent. Vor allem zuziehende Sozialhilfebezüger hätten zum Anstieg geführt. Für dieses Jahr rechnet die ländliche Gemeinde mit Sozialhilfeausgaben von rund 250 000 Franken - dies bei Steuereinnahmen von 3,6 Millionen Franken. Eine Steuererhöhung für 2014 hatten die Stimmberechtigten abgelehnt.
Keine Angaben wegen Amtsgeheimnis
In einem Punkt hat die Gemeinde den Druck auf die Vermieter bereits erhöht. Sie überweist die Wohnungsmieten nicht mehr direkt den Besitzern, sondern den Sozialhilfeempfängern. Damit steigt das Risiko für die Vermieter. In Riniken stehen unter anderem Wohnblöcke, die vor vierzig und fünfzig Jahren errichtet wurden und somit tendenziell günstigen Wohnraum bieten.
Die Gemeinde forderte die Liegenschaftsbesitzer auch auf, von neuen Mietern genauere Informationen zu verlangen, etwa einen Auszug des Betreibungsregisters oder eine Bestätigung des Arbeitgebers. Vermieter sollen sogar am früheren Wohnort beim Sozialamt Auskünfte verlangen. Diese Angaben unterstehen jedoch dem Amtsgeheimnis und dürften somit kaum den Weg zu den Vermietern finden.
Riniken ist kein Einzelfall
Riniken wirbt mit dem Slogan «Die etwas andere Ecke im Aargau», dürfte mit ihrem Vorgehen jedoch kein Einzelfall sei. Er wisse allein im Bezirk Brugg von zwei weiteren Gemeinden, die ähnich vorgehen, sagt Müller. Auch wenn Riniken nun als «Bölimann» hingestellt werde, so hoffe er, ein allgemeines Problem aufzeigen zu können. Bei den Sozialhilfekosten gebe es eine Ungleichverteilung zwischen den Gemeinden. Der Ausgleich der Kosten funktioniere hier nicht. Die Politik sei gefordert, sagte Müller.
Recherchen der Nachrichtensendung «10vor10» zeigen, dass auch Oberwil-Lieli gegen neu zuziehende Sozialhilfeempfänger vorgeht. Die Gemeinde profitiert von der Zürcher Westumfahrung, hat in den letzten Jahren finanzkräftige Neuzuzüger angelockt und heute 2200 Einwohner – davon ganze fünf Sozialhilfebezüger. Geht es nach Gemeindeammann Andreas Glarner (SVP), soll das auch so bleiben: «Wir schauen, dass es in unserer Gemeinde richtig läuft und wenn das alle machen würden, hätten wir viel weniger Probleme.» Er macht Vermieter mündlich darauf aufmerksam, bitte keine Sozialhilfeempfänger in den Wohnungen einzuquartieren. Die Niederlassungsfreiheit will Glarner in diesen Fällen temporär suspendieren: «Wenn man dem Staat auf der Tasche liegt, werden einige Rechte eingeschränkt. Das darf kein Vorteil sein.»
Die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) kritisierte das Vorgehen der Gemeinden. Es verletze die in der Bundesverfassung garantierte Niederlassungsfreiheit. Diese gelte uneingeschränkt auch für unterstützte Personen. (aes/sda)