Zürich, wo die Fledermäuse wohnen
Nachts sind in Zürich mehr Fledermäuse als in Paris unterwegs. Dies belegt eine Studie unter Leitung der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) zur Vielfalt nachtaktiver Tiere in Städten. Sie zeigt auch, dass es vernetzte Grünräume und weniger Lichtverschmutzung braucht, um diese Vielfalt weiter zu fördern.
Quelle: Stiftung Fledermausschutz / zvg WSL
Nachaktives Fledertier: das Braune Langohr.
Im internationalen Vergleich gedeiht in der Stadt Zürich
eine hohe Vielfalt an nachtaktiven Insekten und Fledermäusen. Grund hierfür ist
die Nähe zu Wäldern und anderen Grünräumen. Dies weist eine neue Studie unter
Leitung der WSL nach, die kürzlich im Fachjournal „Basic and Applied Ecology“
erschienen ist.
Das Forschungsteam hat im Rahmen eines in sieben Städten
durchgeführten europäischen Forschungsprogramms bereits das Vorkommen von
Wildbienen untersucht. Ziel des Projekts „BioVEINS“: Die Bedeutung
städtischer Grünräume für die Biodiversität zu erkunden. Weil im Vergleich zu
tagaktiven Lebewesen nur relativ wenig über die Beziehung nachtaktiver Tiere zu
Grünräumen bekannt ist, untersuchten die Wissenschaftler in dreien der
beteiligten Städte – oder vielmehr in Zürich, Paris und Antwerpen - zusätzlich
wie gross Vielfalt von nachtaktiven Insekten und Fledermäusen ist.
Wenn die Fledermaus im Park ruft
Dazu nahmen sie in Pärken und anderen Grünflächen der Städte
die Ortungsrufe von Fledermäusen auf, anhand dieser lässt sich die
Artzugehörigkeit sehr gut bestimmen. Ausserdem bestimmten die Wissenschafter
mit Hilfe von Lichtfallen die Artenvielfalt nachtaktiver Insekten mit
Lichtfallen, um Anzahl und Vielfalt von Fluginsekten mit jener von Fledermäusen
vergleichen zu können.
In Zürich registrierten die Forscher nicht nur die höchste
Anzahl Feldermäuse, sondern auch die grösste Artenvielfalt. Studienleiter
Martin Obrist, Insekten- und Fledermausspezialist an der WSL, vermutet, dürfte
dies daran liegen, dass es in Zürich fast überall in Stadtnähe naturnahe
Gebiete wie Wälder gibt.
Allerdings kommen nicht alle Fledermausarten mit dem
Stadtleben gleich gut klar. Die Erhebung zeigte, dass Fledermäuse, die in
Wäldern und Gebüschen jagen, in der Stadt weniger häufig vorkommen. Dasselbe
gilt für solche, die einen hohen, offenen Flugraum bevorzugen. Derweil kommen
Arten, die in halboffenen Gebieten wie Waldrändern ihre Nahrung suchen und ihr
Flugverhalten gut anpassen können, in Städten häufiger vor.
Gewässer und vernetzte Grünflächen
„Als wichtiger Faktor für das Überleben der Fledermäuse in Zürich erwiesen sich dabei naheliegende Gewässer“, sagt Obrist. Denn sie dienen nicht nur als Wasserquelle, sondern auch als Jagdgründe. Die Insektenvielfalt stieg mit zunehmender Fläche der städtischen Grünflächen an; Zudem weiss man, dass Insekten davon profitieren, wenn in Grünräumen ein gewisses Mass an Wildwuchs zugelassen wird. Negativ auf wirkten sich hingegen durch grosse Strassen oder überbaute Gebiete getrennte Grünflächen aus. „Es ist von grosser Bedeutung, dass Grünflächen nicht einzelne isolierte Inseln darstellen, sondern ein Netzwerk innerhalb der Stadt bilden», betont Obrist. Das erhöht nicht nur die Bewegungsfreiheit der Insekten, sondern auch jene der Fledermäuse.
Lichtscheue Fledertiere leiden Lichtverschmutzung
Am weitaus häufigsten traf das Forschungsteam in den Städten
auf die Zwergfledermaus (Pipistrellus pipistrellus), die nächtliches Kunstlicht
gut verträgt. Dies bestätigt frühere Beobachtungen: Die zunehmende
Lichtverschmutzung benachteiligt demnach vor allem lichtscheue Fledermausarten.
Des Nachts zieht Licht viele Insekten an, die leichte Beute für jene Fledermäuse
sind, die sich nicht gross durch stark vom Licht gestört werden. Dadurch
schrumpfen die Insektenbestände und den Fledermäusen – egal ob lichtscheu oder
nicht - fehlt schliesslich die Nahrungsgrundlage.
Was könnte dabei helfen, die nächtliche Artenvielfalt in
Städten zu fördern? „Die künstliche Beleuchtung muss auf jeden Fall reduziert
werden“, sagt Obrist. Dort, wo dies unmöglich ist, können LED-Leuchten dazu
beitragen: „LED-Leuchten lassen sich gezielt steuern und dimmen. Die Leuchten
geben dann nur bei Bedarf, etwa wenn ein Auto vorbeifährt, die volle Lichtmenge
ab.“ Wie Obrist weiter erklärt, schont dies in verkehrsarmen Zeiten
sowohl die Insektenwelt als auch die Fledermäuse.
Ausserdem sollte die Farbtemperatur nicht mehr als 3000 Grad Kelvin betragen. Dann hat das Licht einen geringen Blau- und einen höheren Rotanteil, was weniger Insekten anzieht und damit auch die Fledermäuse weniger beeinflusst. (mai/mgt)