Weltraumforschung der ESA: Beton mischen im Weltall
Wie verhält sich Beton im All? ESA-Astronaut Matthias Maurer hat es im Rahmen eines Experiments ausprobiert. Den Betonmischer dazu hat die Hochschule Luzern (HSLU) entwickelt. Das Baublatt hat nachgefragt, wie es dazu kam.
Quelle: ESA NASA
ESA-Astronaut Matthias Maurer rührte bei seiner Ende August abgeschlossenen Weltraummission auf der Internationalen Raumstation ISS unermüdlich Beton mit unterschiedlichen Zuschlägen an.
Ob die Menschheit jemals auf dem Mond
bauen wird, steht in den Sternen. Wie sich aber Beton im Weltraum verhält, das
testet man schon heute. ESA-Astronaut Matthias Maurer rührte bei seiner Ende
August abgeschlossenen Weltraummission auf der Internationalen Raumstation ISS
jedenfalls unermüdlich Beton mit unterschiedlichen Zuschlägen an. Auf diese
Weise will man herausfinden, was mit Beton passiert, wenn er unter Null
Gravitation angemischt wird und erhärtet.
Denn auf der Erde wird die Erhärtung stark von der
Schwerkraft beeinflusst. «Mit Computertomografie-Aufnahmen sieht man etwa auf
den ersten Blick, dass sich die Proben von der Erde von denen der ISS durch die
andere Verteilung der Luftblasen und Poren unterscheiden», so Karsten Tell vom
Institut für Theoretische Physik der Universität zu Köln. Die Forscher wollen
deshalb die chemischen und physikalischen Prozesse besser verstehen lernen.
Betonmischen in Handarbeit
Den Betonmischer dafür hat ein Team um Bernd Rattenbacher
von der Hochschule Luzern (HSLU) in Zusammenarbeit mit der Universität
Duisburg-Essen und der Universität zu Köln entwickelt. Der Betonmischer muss
die strengen Vorschriften der ISS erfüllen und verfügt daher gleich über drei
Sicherheitsstufen. Rattenbacher hat auch dafür gesorgt, dass Beton und
Betonmischer sicher ins All gelangten.
Rattenbachers Job ist es normalerweise, Experimente, die Wissenschaftler für die Raumstation entwickeln, weltraumtauglich zu machen. Ganze Maschinen entwickelt er dafür aber eher selten. Meist geht es darum, Methoden zu entwickeln, wie die Experimente im All mit all den nötigen Sicherheitskonzepten erfolgreich durchgeführt werden können.
Quelle: Bernd Rattenbacher HSLU
Gut sechzig dieser eigens entwickelten Betonmischer waren auf der Internationalen Raumstation ISS.
Im Beutel geht es nicht
In das Thema Beton musste sich Rattenbacher erst einmal hineinfuchsen. «Anfangs hatten wir die Idee, dass der Beton einfach staubsicher in einem Beutel angerührt wird und dort erhärtet. Da hat man uns dann aber sehr schnell klar gemacht, dass es eine feste, normierbare Form braucht, wenn man die Ergebnisse auch sinnvoll auswerten will.»
Die Bedingungen waren also klar. Es musste mit mindestens drei Sicherheitsstufen abgesichert werden, dass keinerlei Zementstaub in die Raumstation entweicht, den den hätte man kaum je wie-der aus der Luft entfernen können. Dieser Aspekt wurde schliesslich so gelöst, dass der Betonmischer selbst zwei Sicherheitsstufen hat und darüber noch ein dichtes Zelt mit integrierten Handschuhen errichtet wird, wie man es aus Hochsicherheitslaboren kennt, die mit gefährlichen Viren hantieren müssen.
Die zweite Schwierigkeit: Wenn man in der Schwerelosigkeit Wasser einfach auf ein Zement-Sand-Gemisch kippt, kriegt man das nie und nimmer zu einer homogenen Masse vermischt. Die Lösung? «Die Stange, die das Mischerblatt führt, haben wir hohl ausgestaltet. So kann Maurer darüber das Wasser mit einer Spritze injizieren. Der Zement kann das Wasser auf diese Weise über die Kapillarkräfte aufnehmen.» In jeder der Betonproben musste ESA-Astronaut Maurer dann noch zwei Minuten geduldig das Rührblatt kurbeln, bis alle Komponenten ausreichend vermischt waren.
Quelle: NASA ESA
Das Mischen erfolgte unter aufwendigen Sicherheitsmassnahmen. Keinesfalls durfte Betonstaub in die Raumstation entweichen, da dieser kaum wieder aus der Luft hätte entfernt werden können.
Portlandzement im All
Für die Versuche im All wurden Portlandzemente CEM I 42,5 N und 52,5 R verwendet. Als Gesteinskörnung kam Sand, Quarzsand oder Mondregulit – ein Granulat, das dem Mondstaub nachempfunden ist – zum Einsatz. Den verschiedenen Mischungen fügte Maurer dann Wasser hinzu, das zum Teil mit Fliessmittel oder Luftporenbildner vermischt war. Rattenbacher und seine Kollegen füllten jeweils exakt 54 Gramm Material unterschiedlicher Zusammensetzung in jeden Mischer.
Insgesamt haben sie an die dreihundert Mini-Betonmischer aus den nötigen Einzelteilen in Handarbeit zusammengebaut. Viele davon wurden für Referenzversuche gebraucht, weitere zum Nachweis, dass die nötigen Sicherheitsanforderungen erfüllt sind. Nur 64 Betonmischer reisten schliesslich zur Raumstation ins All.
Video zum Weltall-Versuch. (Quelle: European Space Agency, ESA)
Andere Verteilung der Poren
Wozu nun das Ganze? Für die Festigkeit von Beton ist neben dem Mischverhältnis und der Armierung das Aushärten des Materials entscheidend. Dieser ist entscheidend für die Anordnung der Bestandteile im Inneren des Betons sowie die Verteilung von eingeschlossenen Luftblasen. Die Aushärtung wird auf der Erde stark von der Gravitation beeinflusst. Für die Materialforschung ist es daher interessant, wie sich diese Mischung aus versintertem Kalk und Ton, Sand und Wasser ohne diesen Einfluss verhält.
Da die Erstarrungs- und Trocknungsprozesse des Betons Wochen dauern können, ist die Forschung auf der Internationalen Raumstation so wichtig. Hier herrschen dauerhaft die gleichen Bedingungen von Null Gravitation. Jetzt warten die Wissenschaftler geduldig, dass Maurers Betonproben aus den USA zurück nach Europa geschickt werden.
Das dauert erfahrungsgemäss einige Wochen. Erst dann können sie sich an die Auswertung machen. Dann werden Drucktests, Tomographie und all die anderen Tests durchgeführt, die es braucht, um die Eigenschaften des im Weltraum produzierten Betons zu messen.
Quelle: ESA NASA
Für die Versuche im All wurden Portlandzemente CEM I 42,5 N und 52,5 R verwendet. Als Gesteinskörnung kam Sand, Quarzsand oder Mondregulit – ein Granulat, das dem Mondstaub nachempfunden ist – zum Einsatz.
Die Mondfahrt-Pläne der NASA
Warum wird Beton im Weltraum getestet?
Unter anderem, da noch immer über den Bau eines permanenten Aussenpostens auf
dem Mond nachgedacht wird. Denn aus irgendeinem Material muss dieser
schlussendlich bestehen. Deshalb muss man die Eigenschaften von Beton im
Weltraum kennen.
Die NASA zum Beispiel hat mit dem Mond ehrgeizige Pläne.
Nach der Katastrophe der Raumfähre Columbia im Jahr 2003, die vor ihrer
geplanten Landung über Texas auseinanderbrach, mussten neue Transportmittel
entwickelt werden. Fast 20 Jahre später ist die Entwicklung nun abgeschlossen.
Aussenposten auf Mond
Die New York Times (NYT) hat gerade erst erklärt, wie die künftigen US-amerikanischen Ausflüge ins All vonstatten gehen sollen: Nach dem Start der ersten Artemis-Mission will die NASA anschliessend mit Artemis II, die derzeit für 2024 geplant ist, mit einer Besatzung um den Mond fliegen.
Artemis III, für 2025 vorgesehen, würde zwei Menschen auf dem Mond absetzen, darunter erstmals eine Frau. Wenn alles gut geht, hoffe die NASA, im nächsten Schritt permanente Aussenposten auf dem Mond und in seiner Umlaufbahn für die künftige Erforschung des Mondes und darüber hinaus zu errichten.
Konkurrenz gibt es in dieser Hinsicht auch aus anderen
Ländern. So hat beispielsweise China drei Robotermissionen auf dem Mond
gelandet. «Wir müssen befürchten, dass sie sagen könnten: Das ist unsere
exklusive Zone. Ihr bleibt weg», sagte Bill Nelson, der NASA-Administrator, zur
New York Times.
Private Unternehmen
Zudem sind längst auch private Unternehmen wie Elon Musks SpaceX und Blue Origin von Jeff Bezos aktiv. Sie wollen Raumfahrt zu einem kommerziellen Unternehmen machen. Sie haben starke Unterstützung und Finanzierung von der NASA erhalten, und gleichzeitig das Thema Raumfahrt im öffentlichen und privaten Sektor wieder deutlich ins Gespräch gebracht.
Nach jahrelangen Kürzungen ist der NASA-Haushalt im letzten Jahrzehnt fast durchgehend gewachsen. Bis wieder Menschen den Mond betreten, wird die NASA wahrscheinlich rund 100 Milliarden Dollar ausgegeben haben. (ava)