Unterwegs zum Hauenstein-Scheiteltunnel: Portal in eine andere Welt
Portale haben ein Davor und ein Dahinter. Und oft auch ein «Drinnen». Sie dienen dem Verkehr und verbinden verschiedene Welten. Dies ist ein guter Grund, an Bauschmuck nicht zu sparen. Unsere Altvorderen hinterliessen diesbezüglich eindrückliche Spuren.
Quelle: Manuel Pestalozzi
Am Ende ist Läufelfingen: Hauenstein Südportal.
Kann ein Tunnelportal ein lohnendes Ziel für eine Velotour sein? Kann es! Wenn man als Etappenziel Göschenen oder Goppenstein auswählt, führt der Bahnsteig quasi vors Loch durch den Berg. Das Tunnelportal ist greifbar nah, es bietet sich dort der Öffentlichkeit dar, wie der Schlund im Parco dei Mostri von Bomarzo. Bei Portalen jenseits der Bahnhöfe bleibt der Anblick hingegen weitgehend dem Personal auf der Lokomotive vorbehalten. Die Zugpassagiere bekommen sie nicht zu sehen, und sie bleiben der Öffentlichkeit oft weitgehend verborgen. Es kann einem etwas entgehen, das mit anderen Transportvarianten besser erfahrbar ist.
Wie bedauerlich das Übersehen sein kann, zeigen heute die zahlreichen Führerstandvideos, die auf Social Media hochgeladen sind. Sie gewähren dem Durchschnittsmenschen einen bequemen Blick entlang des Gleispaars. Auf Youtube ist eine Fahrt ab Olten durch den Hauensteintunnel nach Sissach im Baselbiet abrufbar. Unterwegs ist die überraschende Pracht des Tunnel-Südportals zu bestaunen. Es wurde mit einem gewaltigen klassizistischen Dreiecksgiebel aus Jura-Kalkstein geschmückt und später mit Schiebetoren ausgestattet. Der massive, monumentale Bauschmuck offenbart sich einem unbebauten Vorfeld, fast niemand kommt also in seinen Genuss. Er zeigt: Neue Verkehrswege führten in einer Zeit des Aufbruchs nicht nur durch Berge oder über Flüsse, sondern auch in eine neue Welt, man betrachtete sie neben der technischen auch als kulturelle Errungenschaft, die gebührend zu würdigen war.
Von Olten durch den Tunnel nach Basel
Das Portal entstand in einer Pionierphase: Der Tunnel des ersten Juradurchstichs wurde 1858 eingeweiht, sechs Jahre nach der Verabschiedung des ersten Bahngesetzes der Schweiz, fünf Jahre nach der Gründung der Schweizerische Centralbahn. Diese nahm die relativ steile Strecke von Olten durch den Tunnel nach Basel sogleich in Angriff und betrieb sie anfänglich auch. Geplant wurde die Strecke von einem Württemberger, die Ausführung des Tunnels wurde einem englischen Unternehmer anvertraut. Ein Brandunglück auf der Baustelle kostete 1857 63 Arbeitern das Leben.
Obwohl der meiste Bahnverkehr seit über 100 Jahren durch den 1916 eröffneten Hauenstein-Basistunnel geleitet wird, ist die Strecke mit dem bolzengeraden, leicht nach Norden ansteigenden, 2496 Meter langen Tunnel nach wie vor in Betrieb. Diverse Kunstbauten aus der Entstehungszeit sind erhalten. Die bekannteste unter ihnen ist zweifellos der Rümlinger Viadukt auf der Nordseite des Tunnels. Doch auch das Südportal auf dem Gemeindegebiet von Trimbach (SO) ist eine Annäherung wert. Es befindet sich direkt am Waldrand, zwischen dem «Cheibenloch» (das ist eine Schlucht) und dem Schiessstand. Der Weg verläuft auf dem Bahndamm, der einst auf zwei Spuren ausgelegt wurde und führt einem Golfplatz entlang. Im Gewerbegebiet direkt unterhalb des Golfplatzes befindet sich der 2013 eröffnete Tempel der Sri Manonmani Ampal, eine weitläufige, bunte Anlage, die vor allem von eingewanderten tamilischen Hindus besucht wird. So ist die Reise zum Portal auch eine Reise durch verschiedene Entwicklungsstufen, welche die Schweiz in der Moderne durchlaufen hat.