Traumpfade entlang des «Fussabdrucks»
Die Kombination verschiedener Wissenschaften führt zu Erkenntnissen, die Hinweise darüber liefern, wie sich Landschaften erdgeschichtlich in vergleichsweise kurzer Zeit dauerhaft verändern. Davon erzählt auch ein Blick aus dem Orbit auf den ausgetrockneten Lake Mungo in Australien.
Quelle: Nasa - Earth Observatory
Auf dem Satellitenbild sind die Folgen von Landbewirtschaftungspraktiken in der halbtrockenen Landschaft als scharfe Farbkontraste sichtbar. Bei den Linien auf dem Bild handelt es sich um Zaungrenzen zwischen dem Mungo-Nationalpark und benachbartem Weideland für Schafe.
Vor rund 40000 Jahren dürften die verschlungenen Traumpfade der australischen Ureinwohner entlang des Mungosees geführt haben. Die sogenannten Songlines bildeten für die Aboriginies Orientierungshilfe, die mythisch Bezüge herstellten zum animistischen Abbild der Natur. Als Teil der Willandra-Seeregion gehört die Gegend, die aus dem All wie eine grosser Fussabdruck erscheint, heute zum Unesco-Weltnaturerbe. Hauptattraktion der Region im Südwesten des australischen Bundesstaats New South Wales ist der Mungo-Nationalpark.
Lünettendüne aus dem All erkennbar
Seit etwa zwei Millionen Jahren und in der Epoche des Pleistozäns prägte ein System grosser Seen die Gegend. Artefakte wie Steinwerkzeuge und Knochen, die mit modernsten Methoden analysiert wurden, belegen, dass die Region bereits vor 57000 bis 69000 Jahren besiedelt war. Etwa 20000 Jahre später wurde die Gegend zu einer der am dichtesten besiedelten Gegenden des Kontinents. Aufgrund von ausgeklügelten Jagd- und Fangtechniken haben sich die Ureinwohner von Süsswassermuscheln, Krebstieren und Fischen sowie von Emus und Beuteltieren ernährt.
Als sich das Klima veränderte und die Eiszeit zu Ende ging, schrumpften auch die Seen. Das Wasser wurde salzhaltiger und das Seebecken trocknete schliesslich vor etwa 18500 Jahren aus. Heute ist die südwestliche Ecke von New South Wales eine abgelegene, halbtrockene Wüste mit Schafweiden und Farmen. Am Ostufer des ausgetrockneten Seebeckens hat der Wind in den letzten 50000 Jahren eine Lünettendüne geformt. Die rund 30 Kilometer lange, weiss leuchtende Formation ist aus dem Weltall gut zu erkennen, wie das Bild von Wanmei Liang des Nasa Earth Observatory unter Verwendung von Landsat-Daten des U.S. Geological Survey beweist.
Traumpfade haben einen anderen Verlauf als Zaungrenzen
Heute grasen wilde Pflanzenfresser wie Kängurus und Kaninchen zusammen mit Nutztieren im westlichen Teil des Lake Mungo-Seebeckens ausserhalb des Nationalparks (hellerer Bereich). Innerhalb der Parkgrenzen ist laut dem Nasa Earth Observatory die Beweidung auf Wildtiere beschränkt. Der Beweidungsdruck auf dem Land ist demnach immer noch hoch, da die Pflanzenfresser nicht von Raubtieren sind, welche die Populationen regulieren.
Zugleich erschliessen die Traumpfade, die der Schriftsteller Bruce Chatwin im gleichnamigen Buch auf subtile Weise beschreibt, für die Aboriginies eine eigene Gedankenwelt. Und es zeigt sich, dass die Songlines immer einen anderen Verlauf nehmen als die gradlinigen Muster und Zaungrenzen, die aufgrund der landwirtschaftlichen Nutzung entstanden sind, was in der Vergangenheit oft zu Konflikten zwischen den Ureinwohnern und Behörden geführt hat. Im Film Songlines stellt übrigens auch die Musik der Band Alphaville Bezüge zum Thema her. (mgt /sts)