Schweizer Alpen: Sie wachsen weiter in die Höhe
Die Alpen wachsen schneller in die Höhe , als dass sie abgetragen werden. Erstmals konnte ein internationales Wissenschaftlerteam unter der Leitung der Universität Bern, im Rahmen einer Studie einen Nachweis dafür erbringen, mittels Messung von Isotopen.
Quelle: Nasa
Sie sind noch immer im Wachstum: die Alpen aus dem Orbit gesehen.
Wie schnell werden die Alpen abgetragen? Werden sie
schneller abgetragen als gehoben? Und hängt die Abtragung vom Niederschlag ab? Antworten
auf diese Fragen liefert ein internationales Team unter der Leitung des
Instituts für Geologie der Universität Bern liefern: Die Forscher konnten nachweisen,
dass die Alpen schneller angehoben werden oder in der Höhe wachsen als dass sie
abgetragen werden.
Dabei hängt die Abtragung hauptsächlich von Relief und Geländeneigung ab, wie die Wissenschaftler feststellten. Niederschlag sowie Wasserabfluss haben keinen klar erkennbaren Effekt.
Isotopen geben Aufschluss über Abtragung der Alpen
Trifft kosmische Strahlung auf die Erdoberfläche, führt dies zur Kernspaltung von Sauerstoffatomen, die in Quarzkörnern eingelagert sind. Dabei entsteht ein neues Isotop: Beryllium-10 (10Be). Weil 10Be weitgehend nur auf der Erdoberfläche gebildet wird, lässt sich mit diesem Isotop auch das Oberflächenalter bestimmen. Ist die 10Be-Konzentration in den Quarzkörnern hoch, dann war die Oberfläche relativ lange kosmischer Strahlung ausgesetzt, und ist damit auch relativ alt. Ist die 10Be-Konzentration im Quarz hingegen gering, war die Expositionszeit kurz und die Oberfläche ist entsprechend jung.
„Mit diesem Prinzip lässt sich auch die Abtragungsgeschwindigkeit der Alpen messen, und zwar gemittelt über ein paar Tausend Jahre“, wird Fritz Schlunegger in der Medienmitteilung der Universität Bern zitiert, der die Studie zusammen mit seinem Kollegen Romain Delunel inittiert hat, beide sind für das Institut für Geologie der Universität Bern tätig.
Bergbäche und Flüsse sammeln auf der Oberfläche abgetragenes
Material und transportieren es als Sand und Geröll ins Flachland. Für ihre
Untersuchungen haben die Forscher Sandproben aus mehr als 350 Flüssen aus dem
ganzen Alpenraum auf ihren Quarzgehalt und insbesondere auf die 10Be-Konzentration
in den Quarzkörnern hin untersucht. «Mit dieser Strategie können wir zum ersten
Mal ein Bild über die Erosion der gesamten Alpen entwerfen und herausfinden,
wovon die Erosion abhängt», so Delunel.
Erosion im Wallis: 7500 Millimeter in Tausend Jahren
Wie aus den Untersuchungen von Schlunegger und Delunel sowie ihren Kollgen hervor geht, zeigen die Abtragungsraten eine grosse Streuung im Alpenraum und belaufen sich im Schnitt um die 400 Millimeter in tausend Jahren. Die schnellste Erosion wird im Wallis, und insbesondere im Illgraben (Kessel des Illbachs nahe Leuk) gemessen: Hier beträgt die Erosion zirka 7500 Millimeter pro Jahrtausend. Das Gebiet mit der langsamsten Abtragung liegt ebenfalls in der Schweiz: Die Landschaft rund um die Thur wurde lediglich um 14 Millimeter pro tausend Jahre abgetragen. „Dieser Abtragungswert ist sehr gering, fast schon langweilig“, so Schlunegger.
„Überraschend schnelles“ Wachstum der Zentralalpen
Derweil erfolgt die durchschnittliche Hebung in den Zentralalpen – verursacht durch die Kräfte im Erdinnern –schneller als die Abtragung. “Das ist eine grosse Überraschung, denn bis jetzt sind wir davon ausgegangen, dass Abtragung und Hebung ungefähr gleich schnell ablaufen“, sagt Schlunegger. In den Zentralalpen beträgt der Unterschied zwischen Hebung und Abtragung gar rund 800 Millimeter in Tausend Jahren. „Damit wachsen die Zentralpen, und zwar überraschend schnell“, so Schlunegger weiter.
In den Westalpen sind Abtragung und Hebung im Gleichgewicht; in den Ostalpen erfolgt die Abtragung sogar schneller als die Hebung.
Niederschlag wirkt sich kaum messbar aus
Mit ihren Untersuchungen konnten die Forscher auch zeigen, dass Niederschlag und Wasserabfluss keinen messbaren Einfluss auf die Abtragung haben, die Neigung und das Relief des Geländes aber schon.
„Dies gilt allerdings nicht für sehr steile Landschaften“, hälft Romain Delunel fest. Dort kommt der Fels grossflächig zum Vorschein, und die Abtragung ist langsamer als erwartet. „Das war eine weitere Überraschung, denn wir dachten, dass ein sehr steiles Gelände sehr schnell abgetragen wird“, so Delunel. Weshalb das nicht der Fall sei, wisse man wir noch nicht. Es bedürfe noch weiterer Forschung.
Somit zeigt die Studie, dass die aktuellen Abtragungsgeschwindigkeiten- und mechanismen auf das Wirken der grossen Eismassen während der Vergletscherungsphasen zurückgeführt werden können, da die heutige Geländeform während der letzten grossen Vergletscherungen gebildet worden ist.
Die Studie ist in der Zeitschrift Earth Science Reviews publiziert
worden. (mai/mgt)