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Vitudurum: Publikation gibt Einblick in das römische Oberwinterthur

Teaserbild-Quelle: bunterhund Illustration

Bereits vor über 30 Jahren untersuchten Archäologen in Oberwinterthur Spuren der einstigen römischen Kleinstadt Vitudurum. Jahrelang wurden ihre Reste ausgewertet. Nun ist eine Publikation erschienen, die einen Einblick in die Stadt ermöglicht.

Illustration der römischen Kleinstadt Vitudurum Oberwinterthur

Quelle: bunterhund Illustration

So könnte die römische Kleinstadt Vitudurum im ersten Viertel des 2. Jahrhunderts n.Chr. ausgesehen haben. Hinter den Häusern liegen die schmalen, langen Hinterhöfe mit Gärten und Nebenbauten.

Zwischen 1991 und 2009 untersuchten Archäologen in Oberwinterthur im Kanton Zürich eine rund 5000 Quadratmeter grosse Fläche und stiessen dabei auf zahlreiche Spuren der römischen Kleinstadt Vitudurum. Jahrelang wurden daraufhin die Reste von Gebäuden, Strassen und Infrastrukturanlagen im sogenannten Nordquartier ausgewertet – einem Areal nördlich der antiken Hauptstrasse.

Feste Bauordnung in Vitudurum 

Nun liegen die Resultate in einer zweibändigen wissenschaftlichen Publikation der Kantonsarchäologie vor, wie die Zürcher Baudirektion am Mittwoch mitteilte. Vitudurum wurde demnach etwa im Jahr 4 v.Chr. gegründet und «auf der grünen Wiese» gebaut. Die Römer folgten dabei einer festen Bauordnung und behielten diese bis zum Ende der Ortschaft nach 300 n.Chr. bei.

Dies belegen laut der Baudirektion feste Parzellengrenzen sowie immer wieder an gleicher Stelle erneuerte Infrastrukturanlagen wie Drainagen, Wasserkanäle und Gräben. Dieses bauliche Raster blieb auch nach Bränden bestehen, die mehrmals grössere Teile der Siedlung verwüsteten. Schlussendlich war es aber auch ein Feuer, das wohl im Zusammenhang mit politischen Unruhen im späten 3. Jahrhundert zur endgültigen Zerstörung des Quartiers geführt hatte.

Holzkanal römische Kleinstadt Vitudurum

Quelle: Kantonsarchäologie Zürich

Hölzer blieben im feuchten Boden ausserordentlich gut erhalten. Ein Gewerbebetrieb verfügte über ein kunstvoll gezimmertes Becken aus Eichenholz. Zur Infrastruktur der Siedlung gehörte zudem ein weitverzweigtes System von Kanälen für Abwasser und Frischwasser.

Vielfältiges Leben im Hinterhof

Die Wohnhäuser in Vitudurum reihten sich entlang der Hauptstrasse auf. Hinter ihnen befanden sich jeweils streifenförmige, etwa 90 Meter lange dazugehörige Grundstücke. Auf diesen Bereich richtete sich der Blick der Archäologen. Die Bewohner nutzten diese Flächen einerseits als Nutzgärten – nachgewiesen sind Hirse, Hafer, Gerste und Weizen, aber auch Dill, Koriander und Mangold. Andererseits hielten sie dort auch Kleinvieh, wie Überreste von Ställen und Misthaufen zeigen.

Im Hinterhof sei zudem auch gearbeitet worden – je nach Parzelle in unterschiedlichen Berufen. Besonders eindrücklich ist hierbei gemäss Mitteilung ein grosses Backhaus mit einem Ofen aus Lehm. Dreschplätze, Getreidespeicher, eine Darre zum Räuchern von Fleisch oder Dörren von Getreide gehörten ebenfalls zum Lebensmittel verarbeitenden Gewerbe.

Weitere Güter des täglichen Bedarfs stellten ein Schuster und ein Sattler, ein Eisenschmied, ein Bronzegiesser und ein Knochenschnitzer her. Sie alle hinterliessen eine Unmenge von Rohstoffen, Halbfabrikaten und Abfällen – eine wahre Fundgrube für die Archäologen.

Abwasser-System aus Holz-Kanälen

Ein herausragendes Merkmal des Nordquartiers ist laut Baudirektion die ausgezeichnete Erhaltung römischer Hölzer, die dem feuchten Boden am Fuss des Lindbergs zu verdanken ist. Die Häuser in Vitudurum bestanden vorwiegend aus Holz, wobei sich gemäss Mitteilung eine Abfolge vom Pfosten- und Ständerbau zur Fachwerkkonstruktion feststellen lässt. Die Dächer waren mit hölzernen Schindeln gedeckt – mit verheerenden Folgen beim Ausbruch eines Feuers.

Ein ausgeklügeltes System von hölzernen Kanälen führte das Schmutzwasser von den ebenfalls mit Holz ausgekleideten Latrinen in den Hinterhöfen weg. Ein grosses Weinfass aus Eichenholz fand als Brunnen zum Sammeln von Regenwasser eine zweite Verwendung. Und in einem ebenfalls aus Eiche perfekt gezimmerten Becken mit zwei Kammern sammelte man Dachwasser und Grundwasser. Welchem Handwerk diese aufwändig hergestellte Anlage diente, ist allerdings nicht bekannt.

Viel Beachtung fanden laut Mitteilung die kleinen, feinen Dinge aus Holz. Auf einem Schreibtäfelchen liessen sich so etwa im Röntgenbild Reste eines Textes entziffern, vermutlich ein «Frachtbrief» zu importierten Früchten oder Wein. Eine geschnitzte Sandale und ein paar Schuhleisten zählen laut Mitteilung zu den bemerkenswertesten Funden aus dem Nordquartier. (mgt/pb)

Schreibtäfelchen römische Kleinstadt Vitudurum

Quelle: Kantonsarchäologie Zürich

Waren aus dem grossen römischen Reich fanden den Weg nach Oberwinterthur. Die Schrift in Tusche auf einem Schreibtäfelchen ist vermutlich das Frachtdokument zu einer Ladung Obst oder Wein aus dem Moselgebiet.

Publikation

Vitudurum 12: Baubefunde im Nordquartier des Vicus. Ein Blick in die Hinterhöfe 

Monographien der Kantonsarchäologie Zürich 56 (Zürich/Egg 2022), Autorinnen: Verena Jauch, Rosanna Janke, Ines Winet, 2 Bände mit Begleitmappe im Schuber, 776 Seiten, 835 Abbildungen, 34 Tafeln, Preis Fr. 170.–, bei Bestellung bis 31.12.2022 Fr. 120.–

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