Materialforschung: Wenn Holz so hart wie Stahl wird
Tropische Hartholzarten wie das rote Eisenholz Bongossi oder Produkte des Guajak-Baums stellen bezüglich Härte die einheimische Eiche weit in den Schatten. Ein Forscherteam hat nun eine Methode entwickelt, wie sich Holz künstlich härten lässt. Das neuartige Material soll sogar hart und verschleissfest wie Stahl sein.
Quelle: Screenshot
In einem Video (weiter unten) wird demonstriert, wie ein gehärteter Holznagel in Bretter geschlagen wird.
Schlag auf Schlag wird der Nagel durch drei Bretter getrieben. Das Besondere: Auch der Nagel ist aus Holz. Oder vielmehr: Gehärtetem Holz. Die Nägel aus dem neuartigen Material sollen ähnliche Eigenschaften wie herkömmlichen Stahlnägeln aufweisen, zugleich aber rostbeständig sein.
Potenzial von Holz besser ausschöpfen
Entwickelt haben das Material Forscherinnen und Forscher der University of Maryland (UMD). Dabei erschlossen die Wissenschaftler einen neuen Zugang auf die Materialeigenschaften von Holz.
«Zellulose, der Hauptbestandteil von Holz, hat ein höheres Verhältnis von Festigkeit zu Dichte als die meisten technischen Materialien wie Keramik, Metall und Polymere, aber unsere derzeitige Verwendung von Holz schöpft kaum ihr volles Potenzial aus», erklärt Teng Li, leitender Autor der Studie und Professor für Maschinenbau an der UMD. Demnach soll mit dem neuen Verfahren ein Material hergestellt werden können, das um ein Vielfaches härter ist als gewöhnliches Holz.
Lignin entziehen, Heisspressung und Beschichtung
Wie die Forscher herausfanden, bleibt allerdings die Festigkeit von Holz hinter jener von Zellulose zurück. Denn Holz besteht nur zu 40 bis 50 Prozent aus Zellulose, der Rest entfällt vor allem auf Hemizellulose und das Bindemittel Lignin. Li und sein Team bearbeiteten Holz in einem zweistufigen Prozess. Dabei entfernten sie in einem Schritt mit chemischen Eingriffen die schwächeren Bestandteile, ohne dabei das Zellulosegerüst zu zerstören. Konkret wurde dabei dem Holz teilweise das Lignin entzogen.
Dadurch wurde das Holz weich, flexibel und etwas matschig. Um das Wasser unter Druck und Hitze zu verdichten und zu entfernen, erfolgte in einem zweiten Schritt die Heisspressung. Nach diesen Prozessschritten wurde das Material in die gewünschte Form gebracht. Eine Ölbeschichtung sollte schliesslich verhindern, dass erneut Feuchtigkeit in Material eindringt, denn Zellulose neigt dazu, Wasser zu absorbieren. Beschrieben ist das Verfahren in der Zeitschrift «Matter».
Bisher geformt mit Dampf und Kompression
Während die Methode zur Herstellung von gehärtetem Holz neu ist, gibt es die industrielle Holzverarbeitung schon seit langem. Wenn Holz jedoch für Möbel oder Baustoffe aufbereitet wird, geschieht dies in der Regel mit Verfahren, bei denen das Material mit Dampf und Kompression in Form gebracht wird. Weil sich während und nach dem Herstellungsprozess im Material Spannungen bilden, kann Holz zurückfedern und die Form verlieren. Auch kann Holz bei zu starker Austrocknung brüchig werden. Diese Nachteile hat das neuartige Material nicht.
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«Mängel» von Naturholz beheben
Um den Ursprung der Festigkeit zu eruieren, untersuchten Li und sein Team die Struktur des ausgehärteten Holzes mittels hochauflösender Mikroskopie. Die Festigkeit eines Materialstücks hängt gemäss Li demnach sehr stark von der Grösse und Dichte sowie von Defekten wie Hohlräumen, Kanälen oder Vertiefungen ab.
Mit dem zweistufigen Prozess sei es gelungen, die Mängel im Naturholz erheblich zu reduzieren. Der Transport von Wasser oder anderen Nährstoffen, die in den Bäumen normalerweise über Kanäle vonstattengeht, ist mit dem Verfahren fast vollständig zum Erliegen gekommen, so wie es sich die Forscher erhofft hatten.
Stahlhartes Holzmesser
Die Holzhärtungsmethode hat das Potenzial für eine energieeffiziente und damit nachhaltige Herstellung von Produkten, was sich auch im Vergleich zu anderen Materialien zeigt. Stahl erfordert aufwendiges Schmieden und wie bei Keramikwerkstoffen sehr hohe Prozesstemperaturen. Bei der Härtung muss während des ersten Prozessschritts das Holz dagegen lediglich auf 100 Grad Celsius erhitzt werden.
Die Praxistauglichkeit des neuartigen Materials unter Beweis stellte das Forscherteam aber bereits mit einer ersten möglichen Anwendung. Das präsentierte Messer einer Besteckgarnitur soll sogar schärfer als Edelstahl sein. Das Messer schnitt bei einem Versuch mit ähnlicher Leistung wie ein Tafelmesser durch ein mittelstarkes Steak. Das Problem, wie ein solches Messer geschärft wird, ist allerdings noch nicht gelöst. Aber als Ersatz für Plastik wäre das Material eine Alternative. Gehärtetes Holz werten die Forscher auch als Beitrag für den Umweltschutz.
Verschleissfestere Hartholzböden
Li hofft, dass sich mit dem Material in Zukunft auch Anwendung für die Baubranche ergeben, etwa in Form von kratz- und verschleissfesteren Hartholzböden. Für die Nutzung des Verfahrens im industriellen Massstab seien allerdings noch eingehendere Analysen erforderlich. (mgt/sts)
Zum Artikel im Fachmagazin «Matter»: www.cell.com