Landwirtschaft begann im Amazonas vor 10‘000 Jahren
Die Menschen im Südwesten des Amazonas betrieben bereits vor mehr als 10‘000 Jahren Landwirtschaft. Und nicht erst vor 2000 Jahren, wie bisher angenommen. Dies ergab eine Studie mit Beteiligung der Universität von Bern.
Quelle: Sam Beebe, ursprünglich gepostet auf Flickr als Beni Department aérea 25, CC BY-SA 2.0
Blick auf die Moxos-Ebene im Departamento Beni, Bolivien.
Zahlreiche Sorten wie Maniok, Kürbis, Erdnüsse und einige Arten von Chili-Pfeffer und Bohnen stehen den Wildpflanzen im Südwesten des Amazonasgebiets genetisch sehr nahe. Der Grund hierfür liegt darin, dass die frühen Bewohner dieser Gegend wild Pflanzen kultivierten und Agrarwirtschaft betrieben.
Bislang nahm man an, dass in der Region seit rund 2000 Jahren Nutzpflanzen angebaut werden. Doch nun zeichnet eine im Magazin „Nature“ veröffentlichte Studie der Universität Bern, der University of Exeter, der University Pompeu Fabra und der Pennsylvania State University ein anderes Bild: Früchte und Gemüse werden dort seit rund 10‘000 Jahre.
Sicher vor den Fluten auf der Waldinsel
Bis zur Studie sind laut Umberto Lombardo vom Geographischen Institut der Universität Bern, Hauptautor der Studie, in der Region weder archäologische Stätten dokumentiert noch ausgegraben worden, die Hinweise auf den Anbau von Nutzpflanzen liefern könnten. Allerdings konnte die Universität schon vor einigen Jahren nachweisen, dass die sogenannten Waldinseln, die die Moxos-Ebene im bolivianischen Amazonasgebiet prägen, von Menschen angelegt worden sind. Zudem zeigte sich, dass die künstlichen, bewaldeten Hügel mehr als 10‘000 Jahre alt.
Die kleinen Erhebungen ermöglichten, dass auf ihnen Pflanzen und Bäume unbehelligt von den gegensätzlichen klimatischen Bedingungen gedeihen konnten. Die Moxos-Ebene ist jedes Jahr von Juli bis Oktober extrem trocken, von Dezember bis März wird sie jeweils geflutet, was es Bäumen verunmöglicht dort zu gedeihen, dies ist wiederum der Grund dafür, dass ausserhalb der grünen Hügel – oder vielmehr den Waldinseln, die jeweils nicht vom Hochwasser der Regenzeit betroffen sind - keine Bäume wachsen.
Menschlicher Fussabdruck im Amazonas älter als gedacht
Quelle: Albert Eckhout
Die ursprünglich Heimat von Maniok ist Südamerika, mittlerweile wird die Pflanze weltweit angebaut, sowohl Wurzeln als auch Blätter können gegessen werden. Maniok ist nicht nur ein Nahrungsmitteil und Stärkelieferant, sondern wird in China und Thailand für die Ethanolproduktion verwendet. (Bild: Stilleben von Albert Eckhout, 1610-1665)
Hinweise darauf, dass in der Region vor 10‘000 Jahren Nutzpflanzen kultiviert worden sind, lieferten pflanzliche Mikrofossilien, die im Grund über Zehntausende von Jahren erhalten bleiben können. Für die Studie sind Proben aus den Waldinseln untersucht worden: „Wir konnten zeigen, dass das früheste Alter von Maniok im Amazonas 10‘350 Jahre ist, für Kürbis 12‘250 und für Mais 6‘850 Jahre“, sagt Lombardo. Damit macht die Studie laut Lombardo deutlich, dass kleine Kommunen, die eine gemischte Wirtschaft betrieben, etwa 8‘000 Jahre früher als angenommen die Landschaf des Amazonasgebiets zu prägen begannen. – Und dies wiederum lässt vermuten, dass der südwestliche Amazonas weltweit eines der wenigen frühen Zentren für den Anbau von Pflanzen gewesen sein dürfte.
„Die sehr frühe Ausbreitung der Menschen in der Region hatte eine unvorhergesehene Auswirkung auf die Umwelt“, sagt Lombardo. Die Siedler jener Zeit haben schätzungsweise rund 4‘700 Waldinseln angelegt. Weiter meint Lomnardo: „Unsere Studie hat das Potenzial, die Wahrnehmung und das Verständnis zu verändern, das die Menschen – einschliesslich vieler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – über die Chronologie und die Intenisität des Menschlichen Fussabrucks haben.“ (mai/mgt)