Klimawandel: In der Tundra werden die Pflanzen grösser
Im Rahmen eines Experiments wird seit 30 Jahren an über 40 Standorten auf der ganzen Welt beobachtet, wie sich die Tundravegetation mit dem Klimawandel verändert: Pflanzen werden oft grösser und die Blütezeit verschiebt sich zum Teil. Unter den Forschungsplätzen ist auch einer in der Schweiz, im Bündner Val Bercla.
Quelle: Christian Rixen
Die Erwärmungskammern sind kleine, oben offene Treibhäuser aus Plexiglas, sogenannte Open Top Chambers (OTCs), die im ganzen ITEX-Netzwerk zum Einsatz kommen. In ihrem Inneren ist die Temperatur gegenüber der Umgebung um ein bis zwei Grad Celsius erhöht.
In der Regel werden mit der Tundra baumlose, von Flechten, Moosen, Gräsern und Zwergsträuchern überzogene Weiten in Skandinavien, Kanada oder Russland assoziiert. Doch auch in den Alpen und anderen Gebirgen finden sich vergleichbare Gebiete mit denselben oder mit ähnlichen Pflanzenarten. Und unabhängig ob in der Arktis oder in den Bergen oberhalb der Baumgrenze: Die Tundravegetation reagiert auf den Klimawandel, in dem sie sich schnell und deutlich verändert oder vielmehr anpasst.
Im Zuge der steigenden Temperaturen werden die Pflanzen meist grösser, und die Blütezeit verschiebt sich vor allem bei spät blühenden Arten nach vorne. Dies verkürzt in der Tundra gesamthaft die Blühsaison, was sich wiederum auf bestäubende Insekten auswirken könnte. Aber auch die Zusammensetzung der Pflanzenarten verändert sich: So haben sich vielerorts auf Kosten der Moose und Flechten Zwergsträucher ausgebreitet. In der Folge verringert sich die Rückstrahlfähigkeit der Landoberfläche: Es wird mehr Sonnenlicht absorbiert und das Gebiet erwärmt sich lokal noch stärker
Diese Erkenntnisse sind das Resultat des Internationalen Tundra-Experiments (ITEX): einem Vegetationsmonitoring, das Anfang der 1990er-Jahre in der alpinen und arktischen Tundra gestartet worden ist. An mittlerweile über 40 Standorten dokumentieren Forschungsteams auf der ganzen Welt, wie sich die kälteangepassten Pflanzengemeinschaften angesichts der zunehmend wärmeren Sommer wandeln.
Erwärmungskammern im Val Bercla
Einer dieser Plätze liegt in der Schweiz, im Val Bercla nahe Bivio (GR): Hier verfolgt ein Team der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landscchaft (WSL) aus Davos und Birmensdorf seit 1994, wie die alpine Tundra auf den Klimawandel reagiert. Wie an den meisten anderen Standorten auch, werden hier Experimente mit passiven Erwärmungskammern durchgeführt. Das sind kleine Treibhäuser ohne Dach, in denen sich die Lufttemperatur mittels Sonnenstrahlung erhöht, und die auf diese Weise simulieren, wie sich die Vegetation bei künftig noch stärkerer Klimaerwärmung entwickelt.
Dank dieser weltweiten Untersuchungen sei über die Jahre
eine einzigartige Datensammlung entstanden, die sowohl zeitliche wie auch
räumliche Vergleiche der Tundravegetation erlaube, schreibt dazu das
WSL-Instistut für Schnee und Lawinenforschung (SLF). (mgt/mai)
- Ein Teil der Resultate wurde in der Spezialausgabe von ArcticScience zusammengefasst.
- Mehr über das Tundraexperiment auf der Website des WSL Instistuts für Schnee- und Lawinenforschung.