Klimawandel: Bäume als Frühindikatoren von Langzeitfolgen
Bäume erlitten im Hitzejahr 2018 rekordhohe Wasserdefizite, die sie damals zwar einigermassen verkraften konnten. Doch der Rückschlag folgte in den Folgejahren. Zu diesem Schluss kommt ein Forscherteam mit Schweizer Beteiligung auf Basis von erstmals europaweit erhobenen Daten zu Stammwachstum und Trockenstress von Waldbäumen.
Quelle: Schloss Wildenstein Bubendorf
Nadelbäume leiten Wasser generell weniger gut als Laubbäume. Auch gelingt es beispielsweise Eichen besser, Wasser aus trockenen Böden aufzunehmen.
Die Trockenheit im Hitzesommer 2018 setzte der Vegetation vielerorts zu, wobei die Auswirkungen schon von blossem Auge zu erkennen waren. Damals lag die Temperatur in Europa 1,3 Grad Celcius über den üblichen Durchschnittswerten.
Ein internationales Forscherteam mit Beteiligung der
Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL ging in
der Folge der Frage nach, wie Waldbäume mit solchen Extrembedingungen zurechtkommen.
Die Auswirkungen liessen sich mit Hilfe von Messungen der Stammradiusänderungen
von Bäumen nachweisen.
Der Rhythmus der Baumstämme
Der Stammradius von Bäumen variiert mit den Umgebungsbedingungen. Tagsüber, wenn die Bäume über die Blätter Wasserdampf abgeben, können die Wurzeln nicht schnell genug die entsprechende Wassermenge aus dem Boden ziehen.
Dadurch entsteht ein Unterdruck, sodass sich die Wasserspeicher entlang des Stammes leeren und sich alle elastischen Gewebe zusammenziehen. Die Folge: Der Stamm schrumpft. Im Verlaufe der Nacht dehnt er sich aber wieder aus, wenn mehr Wasser aus dem Boden aufgenommen wird als in der Baumkrone verdunstet, sodass sich das Stammgewebe wieder füllt.
Bäume
wachsen daher vor allem nachts. In langen Hitze- und Trockenperioden sind die
Wasserreserven im Boden jedoch aufgebraucht. Der Stamm kann sich nicht wieder
vollständig mit Wasser füllen und ausdehnen, sodass das Wachstum der Bäume
beeinträchtigt wird. Und genau das passierte während der Hitzeperiode 2018. Die
Bäume litten unter Trockenstress.
Baumstämme schrumpften um Rekordwerte
Im Verlauf des Sommers 2018 zeigten viele Bäume rekordhohe Stammschrumpfungen. Diese Schwankungen beim Stammradius liegen im Millimeterbereich. Messbar sind sie mit Dendrometern, speziellen Geräten, die weltweit in Waldüberwachungs-Programmen eingesetzt werden. Die biologische Messmethode eignet sich daher als wirkungsvoller Indikator für ein atmosphärisches Phänomen.
Quelle: Roman Zweifel
Dendrometer messen Schwankungen der Stammdicke im Mikrometer-Bereich.
Für die Untersuchung trugen die Forscherinnen und Forscher den Dendrometerdaten von 21 Baumarten an 53 Waldstandorten in ganz Europa zusammen. Nicht alle Baumarten waren jedoch gleich stark betroffen. Nadelbaumarten reagierten empfindlicher auf die Hitzewelle von 2018 als Laubbäume.
Sie können geleerte Wasserspeicher weniger schnell wieder füllen.
Denn Holz von Nadelbäumen leitet Wasser generell schlechter als dies bei
Laubbäumen der Fall ist. Nadelbäume können Wasser zudem weniger gut aus
trockenen Böden aufnehmen, Eichen beispielsweise gelingt dies vergleichsweise
gut, wie Roman Zweifel, Mitautor der Studie und Ökophysiologe an der WSL, erklärt.
Langfristige Folgen
Waldbäume wachsen zudem über das Jahr gesehen nur während
relativ kurzer Zeit. Ein paar feuchte Nächte reichen unter Umständen auch in
einer Trockenperiode aus, um das nötige Zellwachstum zu ermöglichen. Angesichts
der extremen Wetterbedingungen war das Baumwachstum 2018 daher erstaunlich
wenig beeinträchtigt und entsprechend der Jahrring kaum schmaler. Der Grund:
Als es im Juli heiss und trocken wurde, war an vielen Standorten das Wachstum
schon weitgehend abgeschlossen.
Während die meisten Bäume eine einzelne, kurze Hitzephase
relativ gut überstehen, sind wiederholte und lange Hitzewellen für einige
Baumarten jedoch kritisch. Das Baumwachstum wird somit stark durch die
Vorgeschichte der Bäume geprägt. Augenfällig wird dies etwa am Volumen der
Krone, auch die Entwicklung der Knospen sowie der Kohlenstoffspeicher geben Hinweise auf den Zustand von
Bäumen. Von einem guten Sommer kann daher ein Baum auch im Folgejahr zehren,
weshalb man von Verzögerungseffekten spricht.
Baumsignale erkennen und interpretieren
Entsprechend hatten die schlechten Bedingungen im Sommer
2018 Spätfolgen. Neueste Studien zeigen, dass der Verzögerungseffekt die
Baumphysiologie und das Wachstum für vier und mehr Jahre beeinflussen kann. Das
hat sich speziell bei der nicht sehr trockenheitsresistenten Fichte bestätigt.
Nach 2018 ging das Fichtenwachstum weiter zurück. Die geschwächten Bäume wurden
anfällig für Borkenkäfer, viele Fichten starben ab.
Trockenheit und Hitze sorgen heute vor allem an Standorten für Nachwirkungen, wo die Böden eine geringe Wasserspeicherkapazität haben oder wo angepflanzte Arten nicht zu den klimatischen Bedingungen bestimmter Standorte passen. Bäume können als eigentliche Frühwarnsysteme für die ökologischen Auswirkungen von Extremereignissen dienen, so das Fazit der Studie, die im Fachjournal «Nature Communications» veröffentlicht wurde.
Die Studie entstand im Rahmen der europäischen Initiative «DenDrought2018». Derzeit werden in ganz Europa die Überwachungsnetzwerke mit Stammradiusmessungen ausgebaut. (mgt/sts)