Holzvergasung: Comeback einer verrufenen Technik
Die Holzvergasung ist rund 150 Jahre alt. Wegen technischer Probleme setzte sie sich aber nie durch und geriet so in Vergessenheit. Inzwischen hat die Technik ihre Kinderkrankheiten abgelegt und könnte bei der nachhaltigen Stromversorgung eine Rolle spielen.
Der Bundesrat macht vorwärts in Sachen Klimaschutz und hat kürzlich verkündet: Per 2050 soll die Schweiz eine neutrale Bilanz bei den Treibhausgasen aufweisen. Hierfür stehen in erster Linie die erneuerbaren Energien im Fokus, also Wasser, Wind und Sonne. Doch auch ein weiterer, nachwachsender Energieträger sollte dabei nicht vergessen werden: Holz.
Unsere Wälder binden nicht nur grosse Mengen an Kohlendioxyd, sie produzieren darüber hinaus einen beträchtlichen Überschuss an Holz. Gemäss «Waldwirtschaft Schweiz» sind es jährlich 10 Millionen Kubikmeter, die in unseren Wäldern wachsen. Die Gesamtnutzungsmenge betrug letztes Jahr gemäss Bundesamt für Statistik aber nur 5,2 Millionen Kubikmeter.
Laut dem Verband der Waldeigentümer könnten aber 7 bis 8 Millionen geerntet werden. Dazu kommen jährlich 900 000 Tonnen Altholz, zum Beispiel ausrangierte Bahnschwellen die heute zur Hälfte ins Ausland exportiert werden. Während also im Moment Holz nur 4,4 Prozent zur Energieversorgung des Landes beiträgt, könnte dieser Anteil immerhin auf 7 Prozent erhöht werden.
Gas aus Holz
Der Anteil an Waldenergieholz für Holzfeuerungen beträgt rund 40 Prozent, Tendenz steigend. Vor allem Holzschnitzelanlagen und Pelletöfen liegen im Trend und liefern saubere Energie, da die Verbrennung von Holz klimaneutral erfolgt. Und diese Nutzung des nachhaltigen Energieträgers könnte weiter zunehmen, wenn neben dem einfachen Verbrennen auch eine alte, wiederentdeckte Technologie genutzt wird: die Holzvergasung (siehe unten «Holzvergasung»).
Bei diesem Prozess wird die aufbereitete und getrocknete Biomasse in Holzgas und weitere Produkte umgewandelt. Das gereinigte Gas treibt einen Motor an, der mittels eines Generators Strom erzeugt. Die Abwärme des Motors wird über Wärmetauscher in einen Wärmeverbund eingespeist. Das Gas lässt sich auch anderweitig nutzen: Es dient als Ausgangsstoff für die Produktion von künstlichem Erdgas, Wasserstoff, Treibstoff oder Chemikalien.
Während die Holzvergasung lange mit technischen Problemen behaftet war, unter anderem wegen des geringen Wirkungsgrads und der hohen Umweltbelastung, erlebt die Technologie zurzeit eine neue Blüte. «Davon zeugen die 800 kleinen und grossen Anlagen, die per Ende 2016 in Europa zu finden waren», so Peter Bryner, Leiter des Teams Bildungsmedien bei Electrosuisse, in einem Fachartikel.
In der Schweiz sind gemäss Bryner heute sieben Holzvergasungsanlagen in Betrieb. Eine davon steht in Rheinfelden auf dem Areal der Schweizer Salinen AG und wird von der AEW Energie AG betrieben. Es ist das erste Biomasse-Blockheizkraftwerk mit Holzpellets in der Schweiz und produziert seit Anfang 2018 Strom und Wärme für rund 270 Haushaltungen.
Holzvergaser ab Stange
Patrick Glanzmann, bei der AEW für den Betrieb der Wärmeanlagen zuständig, erläutert: «Die Anlage wurde vom deutschen Hersteller Burkhardt-Energy sozusagen ab Stange gekauft. Hingegen entschieden wir uns gegen das angebotene Gebäude in Leichtbauweise, da dies von der Gebäudeversicherung nicht akzeptiert worden wäre.» Stattdessen hat die AEW für den
Reaktor einen soliden Betonbau erstellt.
Der Wärmeverbund in Rheinfelden existiert bereits seit 2008. Er nutzt die Abwärme der Saline und liefert Heizenergie an diverse Abnehmer, unter anderem an ein Spital, eine Reha-Klinik mit Hallenbad, ein Kurzentrum, aber auch mehrere Mehr- und Einfamilienhäuser. «Der Verbund gibt konstant eine thermische Leistung von 260 Kilowatt ab», so Glanzmann. Die Idee, den Verbund um eine Holzvergasunganlage zu erweitern, stammt vom CEO. Die AEW fühle sich Innovationen wie diesen verpflichtet und wolle damit eine Vorreiterrolle übernehmen.
Die Anlage läuft mit Holzpellets aus der Schweiz: Diese werden per Lkw angeliefert und in einem Silo zwischengelagert, bevor sie in den Reaktor kommen. Dort durchlaufen die Pellets mehrere Kammern: «In der ersten wird durch ein Lochblech der Pelletstaub herausgesiebt wird, da ein zu hoher Feinanteil die Luftzirkulation und somit den Vergasungsprozess stört.
Der Feinstaub wird in Bigbags gesammelt und entsorgt, ebenso die anfallende Asche.» Zwischen den einzelnen Kammern befinden sich zudem Absperrarmaturen, damit ein allfälliger Rückbrand sich nicht bis ins Silo ausbreiten kann. Auch besitzt der Reaktor eine Löschanlage, um ein unkontrolliertes Feuer einzudämmen.
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