Forschung: Neuartige Beschichtung verhindert Kalkablagerung
Wo heisses Wasser fliesst, lagert sich in Leitungen und Bauteilen mit der Zeit Kalk ab. In Haushalten ist das lästig, in thermischen Kraftwerken ein teures Problem. Ein Forscherteam der ETH Zürich hat vor kurzem eine Lösung präsentiert, wie sich der Kalkbesatz verhindern lässt.
Quelle: Wikimedia Commons – Hammelmann Oelde – eigenes Werk
Kalkablagerungen beeinträchtigen die Effizienz von Wärmetauschern bei Grossanlagen. Die Entfernung ist teuer. Ein Forscherteam an der ETH Zürich hat eine Beschichtung entwickelt, welche die Reinigung ohne lange Stillstandzeiten ermöglicht.
Das Problem stellt sich besonders in Gegenden mit hartem, also kalkreichem Wasser. Bei Haushaltsgeräten, die mit heissem Wasser in Kontakt kommen, bilden sich mit der Zeit Kalkablagerungen. Oft hilft dann nur der Griff zum Essig oder Spezial-Entkalker, um den steinharten Belag aufzulösen und das Gerät wieder funktionstüchtig zu machen.
Im Haushalt ist das in erster Linie lästig, in thermischen Kraftwerken jedoch ein grosses, teures Problem. Denn auch solche Kraftwerke, beispielsweise zur Stromerzeugung, sind mit Kalkablagerungen konfrontieret. Besonders in den Wärmetauschern bildet sich viel Kalk und mindert die Effizienz der Anlagen erheblich. Bereits eine Kalkschicht von einem Millimeter in den Leitungen des Wärmetauschers senkt die Effizienz der Stromproduktion um rund 1,5 Prozent.
Dies wiederum hat Folgen für den Energieverbrauch. Um den europaweiten Verlust auszugleichen, müssten 8,7 Millionen Tonnen Steinkohle zusätzlich verbrannt werden. Das ist schlecht für die CO2-Bilanz, das Klima und teuer für die Stromproduzenten.
Neuartige kalkabweisende Oberfläche
Ein Forschungsteam der ETH Zürich und der Universität Berkeley hat nun eine mögliche Lösung für dieses Problem gefunden: eine spezielle kalkabweisende Beschichtung. Diese weist mikroskopisch kleine Rippen auf, sodass die Anhaftung von Kalkkristallen verhindert werden kann. Die entsprechende Studie ist soeben in der Fachzeitschrift «Science Advances» erschienen.
Quelle: Julian Schmid / ETH Zürich
Nur wenige mikrometergrosse Kalkkristalle unter dem Elektronenmikroskop auf der gerillten Oberfläche.
Bisher gab es kaum Grundlagen für die Entwicklung von kalkabweisenden Oberflächen. Forscherinnen und Forscher um den ehemaligen ETH-Professor Thomas Schutzius haben im Detail untersucht, welche Wechselwirkungen zwischen einzelnen wachsenden Kalkkristallen, der umgebenden Wasserströmung und der Oberfläche auf mikroskopischer Ebene bestehen. Aus den Erkenntnissen entwickelte die Forschungsgruppe mehrere Beschichtungen aus verschiedenen weichen Materialien, die im Labor an der ETH Zürich Test unterzogen wurden.
Hydrogel mit Mikrostruktur am wirksamsten
Dabei stellte es sich heraus, dass eine Beschichtung aus einem Polymer-Hydrogel Kalkablagerungen am wirksamsten verhindert. Unter Einsatz fotolithografischer Verfahren konnte das Forscherteam eine Oberfläche kreieren mit mikroskopisch kleinen Rippen. Die Mikrostruktur des Hydrogels weckt Assoziationen an die Schuppen von Haifischen. Die Schuppen bilden eine Art Rippenstruktur, welche die Bildung von Oberflächenbelägen unterdrückt.
Quelle: Julian Schmid / ETH Zürich
Testanordnung, mit der die Forschenden prüften, wie Kalkkristallen auf verschiedenen Oberflächen anhaften.
Im Wasserkocher oder Heizkessel verhindert die mit mikroskopisch kleinen Rippen strukturierte Oberfläche, dass Kalkkristalle weniger Kontakt zur Oberfläche haben und sich nicht festsetzen können. Deshalb lassen sie sich besser ablösen. Konkret spült das Wasser, das über das Hydrogel und durch die Rippenstruktur fliesst, diese weg. Die Beschichtung kann zwar nicht verhindern, dass sich einige Kalkkristalle bilden. Durch das ständige passive Abtragen der mikroskopischen Kristalle wird jedoch vermieden, dass die Kristalle zu einer hartnäckigen Schicht zusammenwachsen.
98 Prozent der Kristalle werden abgetragen
In den verschiedenen Beschichtungen variierte das Forscherteam in erster Linie den Polymeranteil. Je geringer dieser ist und je höher der Wasseranteil, desto schlechter haften die Kalziumkarbonat-Kristalle auf der Oberfläche. Versuche mit Modellpartikeln aus Polystyrol zeigen, dass die Oberflächenstrukturen der Beschichtung kleiner sein muss als die Partikel, die sich auf ihr ablagern. Dadurch wird die Kontaktfläche und somit die Adhäsionskraft reduziert.
Quelle: Julian Schmid / ETH Zürich
Testobjekt Polystyrol-Kügelchen auf der gerillten Oberfläche.
Um eine grösste Effizienz zu erzielen, wurden mit Experimenten einerseits die Oberflächenstruktur des Materials variiert, andererseits die optimale Strukturgrösse der Kristalle ermittelt. Wie die Forschungen zeigten, ist eine Hydrogel-Beschichtung sehr effektiv: Bis zu 98 Prozent aller Kalkkristalle mit einer Grösse von etwa 10 Mikrometern, die zuvor auf einer mit Hydrogel beschichteten Oberfläche gewachsen sind, wurden abgetragen.
Umweltschonende Lösung
Die Forschenden betonen, dass ihre Lösung umweltschonender und effizienter ist als bisherige Ansätze zur Entkalkung. Dafür werden bis heute teilweise giftige und aggressive Chemikalien verwendet. Das Hydrogel ist hingegen biokompatibel und umweltfreundlich. Die Technik wäre auch skalierbar. Die Beschichtung aufzutragen wäre auf verschiedene Arten möglich, die die Industrie schon heute anwendet.
Auf ihre Entwicklung haben die Forscherinnen und Forscher bislang kein Patent erhoben. Stattdessen entschieden sie sich bewusst für eine Publikation in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift. Damit steht es allen Interessierten offen, die neue Beschichtung weiterzuentwickeln und nutzbar zu machen. (mgt/sts)