Flechtensammlungen werden für Forschung digitalisiert
Flechten können mehrere hundert Jahre alt werden und dabei helfen, Fragen rund um den Klimawandel zu beantworten. Das Naturmuseum Thurgau digitalisiert im Rahmen eines Forschungsprojekts seine Sammlung der unscheinbaren Gewächse.
Quelle: © Tomas Castelazo, www.tomascastelazo.com / Wikimedia Commons
Flechten treten in verschiedenen Farben auf und können mehrere hundert Jahre alt werden.
Naturmuseen, Universitäten und botanische Gärten in der Schweiz bewahren mit mehr als 60 Millionen Exemplaren von Tieren, Pflanzen, Pilzen, Gesteinen, Bodenproben und Fossilien einen bedeutenden wissenschaftlichen und kulturhistorischen Schatz auf.
Weniger als ein Fünftel dieser Objekte sind aber digitalisiert, heisst es in einer Mitteilung des Kantons Thurgau von Mittwoch. Ein grosser Teil der Daten über die Biodiversität und die Umwelt sei daher für die Forschung nur schwer oder gar nicht zugänglich.
Hier setzt die Inititative «SwissCollNet» der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT) an, die eine bessere Erschliessung naturhistorischer Sammlungen in der Schweiz zum Ziel hat. Im Rahmen dessen überarbeiten vier Nordschweizer Naturmuseen ihre Flechtensammlungen.
2‘700 Belege aus Flechten im Naturmuseum
Die Sammlungen des Naturmuseums Thurgau umfassen rund 115‘000 Objekte aus den Bereichen Botanik, Zoologie, Geowissenschaften und Kulturgeschichte der Natur, die hauptsätzlich aus dem Kanton Thurgau stammen und einen Zeitraum von fast 200 Jahren abdecken. Teil davon sind auch rund 2‘700 Belege aus Flechten.
Eine Flechte ist eine Lebensform, in der verschiedene Symbiosepartner zusammenleben, die voneinander profitieren. Als Basis dient ein Pilz, der in einer speziellen Schicht in seinem Inneren oder in kleinen Einschlüssen im Flechtkörper eine Grünalge oder ein Cyanobakterium beinhaltet. Die vorteilhaften Eigenschaften der verschiedenen Organismen machen das Gewächs äusserst konkurrenzfähig.
Flechten wachsen daher auf allen erdenklichen Unterlagen; häufig auf Rinde, Holz, Erde und Gestein, aber auch auf Blättern, Nadeln, Steinmauern, Dachziegeln, Metallflächen und vielen anderen menschengemachten Materialien.
Quelle: Burkhard Mücke - Own work wikimedia CC BY-SA 4.0
Flechten wachsen auf allen erdenklichen Unterlagen; häufig auf Rinde, Holz, Erde und Gestein, aber auch auf Blättern, Nadeln, Steinmauern, Dachziegeln, Metallflächen und vielen anderen menschengemachten Materialien.
Bioindikatoren für Umweltveränderungen
Im Vergleich zu Blütenpflanzen wachsen Flechten sehr langsam, oft nur wenige Millimeter pro Jahr. Dafür können sie aber mehrere hundert Jahre alt werden und gehören damit zu den langlebigsten Lebewesen der Erde.
Wertvoll sind die Gewächse auch, weil sie als Bioindikatoren für den Nachweis von Umweltveränderungen dienen. Bestimmte Flechtenarten reagieren beispielsweise sehr empfindlich auf Luftverschmutzungen oder zeigen klimatische Veränderungen an.
Vor diesem Hintergrund arbeiten die Naturmuseen Thurgau, Winterthur und St. Gallen sowie das Museum zu Allerheiligen Schaffhausen unter Leitung des Naturmuseums Thurgau nun gemeinsam ihre Flechtensammlungen auf und digitalisieren ihre Daten.
Sammlungen für Wissenschaft zugänglich
Rund 3'600 Flechtenbelege aus einem Zeitraum von 1850 bis zur Jahrtausendwende werden im von der SCNAT im Rahmen der Initiative «SwissCollNet» mitfinanzierten Projekt «Re-determination, revision and databasing of four Swiss lichen collections to aid research» bearbeitet.
Mit der Aufarbeitung werden diese für die wissenschaftliche Bearbeitung zugänglich. Forschende aus den Bereichen Evolutionsbiologie, Klima- und Umweltwandel, Ökologie oder Naturschutzbiologie erhalten damit mitunter historisch weit zurückreichende Daten, um Prozesse und Veränderungen in Raum und Zeit zu analysieren. (mgt/pb)
Video zum Forschungsprojekt. (Quelle: Kanton Thurgau)