06:59 VERSCHIEDENES

Felssturz von Brienz wurde mit Internet-Glasfasern gemessen

Teaserbild-Quelle: Geopraevent

Als bei Brienz GR im Juni 2023 über eine Million Tonnen Fels hinab stürzten, mass ein Forschungsteam der WSL und der ETH Zürich mit einer neuartigen, äusserst exakten Methode die Erschütterungen, bei der bestehende Internet-Glasfaserkabel zum Einsatz kommen. Sie hat viel Potenzial, vor allem für die grossflächige Überwachung von Erdbeben, Lawinen oder Felsbewegungen.

Felssturz bei Brienz GR

Quelle: Geopraevent

Beim Bergsturz in Brienz vom 16. Juni 2023 wälzten sich 1,2 Millionen Tonnen Gestein ins Tal.

Als Brienz GR im Juni 2023 über eine Million Tonnen Fels hinab stürzten, mass ein Forschungsteam der WSL und der ETH Zürich mit einer neuartigen, äusserst exakten Methode die Erschütterungen, bei der bestehende Internet-Glasfaserkabel zum Einsatz kommen. Sie hat viel Potenzial, vor allem für die grossflächige Überwachung von Erdbeben, Lawinen oder Felsbewegungen.

In der Nacht auf den 16. Juni 2023 donnerten bei Brienz (GR) rund 1,2 Millionen Kubikmeter Fels ins Tal. Das dramatische Ereignis wurde von einem Team der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) und der ETH Zürich beobachtet. Und zwar auf eine eher ungewöhnliche Weise: Es konnte die Schockwellen anhand von Internet-Glasfaserkabeln nachweisen, da  Bodenwellen zu extrem kleinen Dehnungen und Stauchungen in den optischen Fasern führen. Diese Veränderungen stellten die Forscherinnen und Forscher mit Hilfe des sogenannten Distributed Acoustic Sensing (DAS) fest, es kann Verformungen in Echtzeit messen und deren Ursprung in der Faser auf einige Meter genau bestimmen. 

Mit einer Dark Fiber Felsbewegungen auf der Spur

Weil Glasfasern oft viele Kilometer lang sind, sei die Methode für die Überwachung von Naturgefahren aus der Distanz höchst interessant, schreibt die WSL in ihrer Medienmitteilung. Das Forschungsteam benötigte dazu eine ungenutzte Faser in einem Telekom-Kabel, eine sogenannte Dark Fiber. An diese wurde ein Gerät angeschlossen, oder vielmehr ein Interrogator, der Laserimpulse durch Faser sendet. Verformt sich diese irgendwo minim, kommen die Impulse verändert zurück. 

Diese Methode kann überall dort genutzt werden, wo sich Glasfaserkabel für die Kommunikation im Boden befinden. Dies wiederum ist in der Schweiz an vielen Orten der Fall, zum Beispiel entlang von Bahnlinien. Auf diese Weise konnte das WSL-ETH-Team des WSL-Seismologebn Fabian Walter entlang der Flüelapass-Strasse bereits erfolgreich Lawinen registrieren. 

Die Felsbewegungen in Brienz hatten nun laut WSL «eine einzigartige Möglichkeit» geliefert, diese Methode für Felsstürze zu testen: Der Berg wurde vor und während dem Felssturz minutiös mit Radar-Geräten und Seismometern überwacht; dazu erhielt Fabian Walter von der Swisscom Broadcast AG Zugang zu einem Glasfaserkabel, das zwischen Tiefencastel und Filisur verläuft. Durch dieses schickten Walter und seine Kollegen während 45 Tagen mit einem Interrogativ Laserpulse mit einem Interrogator, bis der Bergsturz in der Nacht vom 15. auf den 16. Juni losging. «Die Messungen haben unsere Erwartungen übertroffen», sagt Walter. «Wir konnten Hunderte von kleinen Felsabbrüche vor dem grossen Ereignis messen, und den grossen Sturz sowieso.»

Die Auswirkungen von Verkehr und Flüssen

Das Schwierigste an der Glasfaser-Detektion ist es laut WSL, aus den zahllosen anderen Erschütterungen durch Züge, Verkehr oder Flüsse die gesuchten Signale herauszufiltern. - Die WSL-Doktorstudentin Jiahui Kang hat dazu mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz einen Algorithmus entwickelt, der die Signale automatisch erkennt. Wie das Forschungsteam im Fachmagazin Geophysical Research Letters berichtet, konnte der Algorithmus 95 Prozent der Felsbewegungen korrekt identifizieren. Als Vergleich dienten die Radar-Messungen der Firma Geopraevent, die das Brienzer Felssturzgebiet überwachte.

Doch was steht der breiten Nutzung der Glasfasermethode im Weg, wenn sie so gut funktioniert? Es gibt mehrere Hürden, wie Fabian Walter erklärt. Denn die Rechenmodelle, um die gewünschten Signale aus den Störgeräuschen herauszufiltern, befinden sich noch im Forschungsstadium. Zudem häufen die Messungen enorme Datenmengen an, das können mehrere Terabyte pro Tag sein. «Man muss erst lernen, die Daten in Echtzeit auszuwerten», sagt Walter. Nicht zuletzt sind Interrogatoren sehr teuer, aktuell kosten sie über 100'000 Franken, Tendenz jedoch sinkend. Walter nimmt an, dass sich diese Probleme in den nächsten Jahren lösen: «Diese Informationen sind zu wertvoll, um sie nicht zu nutzen.» 

Die Glasfasermethode kann potenziell Felsstürze, Lawinen, Erdbeben und Murgänge örtlich präzise und über grosse Distanzen überwachen. Es braucht lediglich ein Kommunikationsnetz aus Glasfasern – und dieses wächst weltweit weiter an.  (mgt/mai)

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