ETH Zürich: Hitzewellen tauen arktischen Permafrost auf
Forscher der ETH Zürich haben mittels Satellitendaten eine Methode entwickelt, mit der sich die Kohlenstoff-Freisetzung aus dem arktischen Permafrost bestimmen lässt. Die Ergebnisse zeigen, wie sommerliche Hitzewellen arktische Erdrutsche beschleunigen.
Quelle: Nasa Earth Observatory
Die Omulyakhskaya- und Khromskaya-Bucht in Russland: Das Land rund um die Buchten ist mit Thermokarstseen übersät, die aus durch das Auftauen des Permafrosts freigesetztem Wasser entstehen. (Symbolbild)
Der arktische Permafrost in der nördlichsten Region der Erde schmelze immer schneller, heisst es in einer Mitteilung der ETH Zürich von Donnerstag. Ein internationales Forscherteam der ETH, der University of Alaska Fairbanks und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt beobachtet seit mehr als einem Jahrzehnt hufeisenförmige Erosionsstellen, sogenannte «Taurutschungen».
Solche auch als Retrogressive Thaw Slumps (RTS) bezeichneten Rutschungen entstehen gemäss Mitteilung, wenn dauerhaft gefrorene Bodenschichten im Permafrost schmelzen und arktische Hänge in der Folge anfällig für Erdrutsche werden. Letztere könnten dann wiederum Kohlenstoff freisetzen, der seit Zehntausenden von Jahren im Permafrost gespeichert ist.
Erhöhte Mobilisierung von organischem Kohlenstoff
In einer kürzlich in der Fachzeitschrift «The Cryosphere» der European Geoscience Union veröffentlichten Studie würden erhebliche Veränderungen in der Topografie der sibirischen Halbinsel Taymyr im Norden Russlands aufgezeigt, wie die ETH schreibt. Das Forschungsteam berichte darin von «einem starken, 43-fachen Anstieg der Taurutschungen» und einer «28-fachen Zunahme der Kohlenstoffmobilisierung».
Wie die ETH weiter festhält, fallen diese Beobachtungen mit einer extremen Hitzewelle zusammen, die im Jahr 2020 in Nordsibirien zu Temperaturen von bis zu 38 Grad Celsius führte – Rekordwerte für die arktische Region. «Der starke Anstieg der Taurutschungen aufgrund der Hitzewelle zeigt, dass die Kohlenstoffmobilisierung in Permafrostböden durch steigende Temperaturen stark zunehmen und nicht linear verlaufen kann», erklärt Hauptautor Philipp Bernhard vom ETH-Departement Umwelt, Bau und Geomatik.
Bernhard fügt vergleichend hinzu: «Auf regionaler Ebene hat die starke Mobilisierung durch Taurutschungen mindestens die gleiche Grössenordnung erreicht, wie die bisherigen Gesamtschätzungen der Kohlenstofffreisetzung in der Region.»
Quelle: Benjamin Jones, USGS
Auftauender Permafrost kann zum Verlust von Gelände führen. Im Bild: Ein abgebrochener Teil, der an der Küstenklippe am Drew Point in Alaska ins Meer gestürzt ist.
Veränderungen im arktischen Permafrost
Mithilfe von Satellitendaten konnten die Forscher gemäss Mitteilung eine neue Methode entwickeln, um die Mobilisierung von Kohlenstoff im Permafrostboden zu quantifizieren. Laut der ETH gibt es derzeit keine vergleichbare Methode, um Veränderungen in Permafrostregionen räumlich und vertikal so hoch aufgelöst zu messen. Forscher können damit nun den Einfluss der Kohlenstofffreisetzung aus dem arktischen Permafrost in Bezug auf das globale Klima genauer einzuschätzen.
Während einer früheren Feld- und Luftbildstudie im kanadischen Mackenzie River Delta sammelte das Team Daten, die es später mit den von Satelliten erfassten Daten derselben Region verglich. Seit 2010 betreibt das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt die Satellitenmission TanDEM-X, um mittels Radar dreidimensionale Höhenprofile der Erdoberfläche zu sammeln.
Ab 2015 analysierten die Forscher zusätzlich Daten der optischen Sentinel-2-Satelliten, die im Rahmen der Erdbeobachtungsmission «Copernicus-Programm» der Europäischen Weltraumorganisation eingesetzt werden, und konzentrierten sich dabei insbesondere auf die Arktis.
Wichtiges Monitoring für Permafrost-Kohlenstoff
Da die Taymyr-Halbinsel in Sibirien wie viele Gebiete der Arktis abgelegen und fast unzugänglich ist, sind wissenschaftliche Feldstudien herausfordernd oder gar unmöglich. Die Ergebnisse dieser Studie verdeutlichten jedoch, dass sommerliche Hitzewellen und die Erwärmung der Arktis mit einem erheblichen Umweltrisiko einhergehen würden, das es zu beobachten gelte, wie die ETH festhält.
In den arktischen Permafrostböden sind rund 1,5 Billionen Tonnen organischer Kohlenstoff gespeichert – etwa doppelt so viel wie derzeit in der Atmosphäre. Gemäss Bernhard stellen die potenziellen Risiken durch entweichenden Kohlenstoff «eine wichtige, aber weitgehend vernachlässigte Komponente des arktischen Kohlenstoffkreislaufs» dar.
Das Forschungsteam geht davon aus, dass sich die Satellitenfernerkundung zu einem unverzichtbaren Instrument für das kontinuierliche Monitoring von Kohlenstoff aus auftauendem Permafrost in der Arktis entwickeln wird. (mgt/pb)
Zur Mitteilung der ETH Zürich mit zusätzlichen Grafiken: ethz.ch
Zur Studie im Fachmagazin «The Cryosphere» der European Geoscience Union: tc.copernicus.org