Energie: Strom Dank Gülle und Mist?
Hofdünger wird in der Schweiz kaum zur Stromgewinnung genutzt. Dabei könnte die Vergärung von Mist und Gülle auch fossile Brennstoffe ersetzen. Eine unter anderem von der WSL und dem PSI erstellte Publikation zeigt auf, wie sich die Ressource besser nutzen lässt.
Quelle: Paul Hanaoka, Unsplash
Kühe könnten bei der Stromproduktion helfen. Paul Hanaoka, Unsplash
Kot und Urin von Kühen im Stall sind wertvolle Rohstoffe: Landwirte
nutzen sie gerne als Hofdünger auf ihren Feldern. Doch das kann eine Reihe von
Problemen verursachen. Vielerorts gelangen dabei ein Zuviel an Nährstoffen in
Luft und Wasser. Auf diese Weise werden Lebensräume übedüngt, was wiederum die Biodiversität
gefährdet. Zudem wird in manchen Regionen wie zum Beispiel in der Ostschweiz viel
mehr Mist produziert als es Felder gibt, weswegen er auch exportiert wird.
„Aber kaum etwas davon wird energetisch genutzt“, sagt Vanessa Burg von der eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL). - Burg ist Mitautorin eines White Papers, das die neuesten Forschungserkenntnisse zur energetischen Nuztung von Hofdünger aufbereitet, damit die Praxis sie anwenden kann. Es entstand im Rahmen des mehrjährigen Energieforschungsverbundes «SCCER Biosweet» des Bundes, an dem bis zu 15 akademische Forschungsgruppen und Dutzende Umsetzungspartner beteiligt waren. «Der Schwerpunkt der Forschung lag auf Biomasse-Umwandlungsprozessen, die bereits weit entwickelt sind und hohes Potenzial für die Markteinführung haben» erklärt dazu Oliver Kröcher vom Paul Scherrer Institut (PSI) und Leiter des SCCER Biosweet.
Energie produzieren und das Klima schützen
Zurzeit kommen in der Schweiz auf 40'000 Landwirte nur 110 Hofdünger-Vergärungsanlagen, die insgesamt 1440 Terajoule Energie in Form von Methangas bereitstellen. Das entspricht etwa 1,2 Prozent des landesweiten Gasverbrauchs. Das Potenzial ist noch extrem gross, so lautet das Fazit der Autorinnen und Autoren. Nachhaltig möglich wären 27'000 Terajoule. Dabei ist bereits berücksichtigt, dass nicht aller Mist vergärt werden kann, etwa wenn die Kühe auf der Weide stehen. Laut der Publikation bietet die Verwendung von Hofdünger für Energie einige Vorteile: Das Biogas ersetzt fossile Brenn- und Treibstoffe.
Vergärte man den verfügbaren Hofdünger, um daraus Biogas zu gewinnen, liessen sich 0,8 Prozent des Treibhausgas-Ausstosses der Schweiz verhindern; Hofdünger setzt vor allem das sehr klimaschädliche Methan (CH4) und Lachgas (N2O) frei. Die Feststoffe, die bei der Vergärung übrigbleiben, sind voller Nährstoffe und können industrielle Kunstdünger ersetzen.
«Biogas ist sehr vielseitig», sagt Burg, die an der WSL nachhaltige Bioenergiequellen erforscht. «Damit kann man nicht nur Autos oder Traktoren fahren, sondern auch Wärme und Strom gewinnen; das Gas lässt sich zudem speichern und dann verwenden, wenn Wind und Sonne fehlen, etwa nachts und im Winter.»
Warum Mist und Gülle oft nicht vergoren werden
Ein wahres Wundermittel, so scheint es. Warum wird dann nicht aller Mist und sämtliche Gülle der Schweiz vergoren? Ökonomische Hürden stehen im Vordergrund. Ein Problem ist, dass die Quellen schweizweit sehr dezentral verteilt sind und deshalb Transporte anfallen: Am meisten Hofdünger gibt es im Mittelland in den Kantonen Bern, Luzern und St. Gallen. Eine Umfrage unter Landwirten ergab, dass viele der Energiegewinnung aus Hofdünger zwar positiv gegenüberstehen. Hürden sind indes die hohen Anfangsinvestitionen, die zu tiefen Energiepreise und die komplizierte Logistik, um eine Anlage zu betreiben. Die kleinsten Anlagen benötigen heute den Hofdünger von etwa 80 Kühen, während der durchschnittliche Hof nur 27 Kühe besitzt. Gemeinsame Anlagen lehnen die Landwirte aber eher ab.
Sehr langwierig seien oft auch die Bewilligungsverfahren, berichteten die Befragten. Weiter sind Subventionen und Preiszuschläge wie die bisherige Einspeisevergütung oft nur auf Strom und nicht auf die Gasproduktion ausgerichtet. «Bei Diskussionen zur Energiewende geht das Gas oft vergessen», sagt Vanessa Burg. «Man sollte alternative Gasquellen ebenso fördern».
Technische Neuerungen bei den Verfahren könnten die Anlagen zudem rentabler machen, wie das White Paper ebenfalls detailliert aufzeigt. Vorbehandlungen mit Mikroorganismen erhöhen die Energieausbeute, ebenso die Trennung von festen und flüssigen Bestandteile des Stallabfalls. In der meist ungenutzten Abwärme der Anlagen steckt weitere Energie. Zusammengenommen könnte dies Investitionen in Vergärungsanlagen für Landwirte attraktiver machen. Als attraktive Alternative zur Vergärung von Mist und Gülle bieten sich sogenannte hydrothermale Verfahren an, da die Umwandlung der Biomasse weitgehend verlustfrei erfolgen kann.
Davon könnte die Stromversorgung im ganzen Land profitieren: Weil Hofdünger vor allem im Winter anfällt, wenn die Kühe im Stall stehen, könnte er Versorgungslücken in der kalten Jahreszeit füllen. Das würde die Schweiz von Importen, insbesondere von fossilen Brennstoffen, unabhängiger machen, heisst es im White Paper.
«Die beträchtlichen Potenziale von Mist und Gülle für die Energiewende und die CO2-Einsparung sollten es Wirtschaft und Politik nahelegen, die technologischen Möglichkeiten umzusetzen und Rahmenbedingungen zu schaffen, die einen ökonomischen Betrieb der Anlagen ermöglichen», sagt der Bioenergieforscher Oliver Thees von der WSL. (mgt/WSL)
Die Pubikation "White Paper: Biogas aus Hofdünger in der Schweiz" kann über diesen Link heruntergeladen werden.