Empa: Zwei smarte Dummys helfen bei der Suche nach der idealen Bürotemperatur
Wenn draussen die Sommerhitze brennt oder eisige Minustemperaturen herrschen, stellt sich die Frage, wie kühl oder warm das Klima im Büro sein muss, damit die Arbeit nicht leidet. Und wie die gewünschte Temperatur nachhaltig erreicht wird. An der Empa helfen zwei smarte Dummys bei der Beantwortung.
Quelle: Empa
Die klimatische Komfortzone am Arbeitsplatz mag individuell unterschiedlich sein. Für seine experimentellen Untersuchungen geht das Empa team bei Büroräumen von einer Temperatur von 22 Grad bei 50% Luftfeuchtigkeit aus.
Klettert das Thermometer im Büro auf über 26 Grad, werden auch körperlich wenig anstrengende Tätigkeiten unangenehm. Steigt die Raumtemperatur weiter, werden zum Beispiel auch Büroarbeiten zur Belastung. Wo vorhanden laufen Ventilatoren und Klimaanlagen heiss. Der Energieverbrauch für solche Geräte bewegt sich laut Empa in der Schweiz jährlich im Terawatt-Bereich; das heisst prich in der Grössenordnung von Milliarden Kilowattstunden. Ob damit überhaupt die ersehnte Kühlung erzielt werden kann, ist unklar.
Agnes Psikuta, vom «Biomimetic Membranes and Textiles»-Labor der Empa in St. Gallen, will deshalb belastbare Daten zum Raumklima am Arbeitsplatz zusammentragen. Dies, um Gebäude nachhaltiger zu klimatisieren – und ohne dass sich dies auf die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Menschen erhalten nachhaltig auswirkt. Unterstützt wird sie dabei von zwei künstlichen Helfern: den smarten Dummys ANDI und HVAC. Sie vermessen das Raumklima, gleichzeitig können sie mittels Sensortechnologie und mathematischer Modellierung feststellen, wie sich Arbeitsplätze ohne zu viel Energiegverbrauch auf Wohlfühltemperatur bringen lassen.
HVAC misst Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit und Luftbewegung
Der an ein Wesen aus einem Science-Fiction-Film erinnernde HVAC - ein Kürzel für «Heating, Ventilation, Air Conditioning» - verfügt über Sensoren für Lufttemperatur, Luftfeuchtigkeit und Luftbewegung. Zussätzlich ist er mit 46 Messfeldern versehen: Sie quantifizieren die Wärmestrahlung aus der Umgebung und können zum Beispiel Sonnenwärme von Heizungsluft unterscheiden.
Quelle: Empa
Der smarte Dummy oder das Manakin HVAC liefert Daten, mit denen das Raumklima am Arbeitsplatz optimiert werden kann.
Kollege ANDI ergänzt die von HVAC gesammelten Daten: «ANDI ist der Typ
für das grosse Ganze, er nimmt die Wärmebilanz auf, die ein Mensch unter
den gegebenen Bedingungen hat», erklärt Psikuta. Dazu hält ANDI seine
Betriebstemperatur konstant auf 34 Grad, was der Hauttemperatur eines
Menschen in der Komfortzone entspricht. Komfortzone bedeutet so viel,
dass der Körper eines gesunden Erwachsenen seine Kerntemperatur von 36.5
bis 37.5 mit minimalstem Aufwand konstant halten kann. Die Forscherin
konkretisiert: «In der Komfortzone schwitzt der Mensch nicht ,er zittert
nicht vor Kälte und friert nicht an Händen und Füssen, weil er seine
thermische Balance mit Leichtigkeit aufrechterhalten kann.» Die
mathematische Modellierung dieser kombinierten Daten ergibt schliesslich
ein virtuelles thermisches Modell eines Menschen am Arbeitsplatz.
In einem vom Schweizerischen Nationalfonds geförderten Projekt untersucht Psikuta nun zusammen mit Partnerinstituten an der ETH Lausanne (EPFL) und der polnischen «Silesian University of Technology» wie HVAC und ANDI mit den Parametern von realen Bürobedingungen im Jahreszeitverlauf zurechtkommen. Am Schluss soll es möglich sein, aufgrund dieser Arbeiten den Energiebedarf von Gebäuden zu optimieren. «Im Hochsommer laufen Klimaanlagen auf Hochtouren, um beispielsweise Grossraumbüros komplett zu kühlen. Wie effektiv die Situation für den jeweiligen Arbeitsplatz ist, ist aber unklar», so Psikuta. Bauliche Elemente direkt am Arbeitsplatz wie kühlende Wandpaneele oder ventilierte Bürostühle könnten für energiesparendere und effizientere Lösungen sorgen. Gleiches könnte sich für die winterliche Heizperiode ergeben: HVAC und ANDI könnten ermitteln, ob etwa eine Raumtemperatur von 17 Grad ausreicht, wenn der Arbeitsplatz lokal auf 22 Grad beheizt ist.
Die perfekte Temperatur für den Operationssaal
Die beiden Dummys noch in anderen Situationen im Einsatz – auf dem OP-Tisch. Während eines mehrstündigen chirurgischen Eingriffs ist es wichtig, dass der Körper des Patienten nicht zu stark auskühlt, gleichzeitig darf die Chirurgin nicht ins Schwitzen kommen. Verliert der Patient zu viel Wärme, steigt das Risiko für Komplikationen und die Heilungschancen verschlechtern sich.
«Bisherige Möglichkeiten, den Patienten warm genug zu halten, bestehen allerdings aus wenig nachhaltigen Einweglösungen oder umständlichen, schwer desinfizierbaren Aufbauten», so Psikuta. In einem Projekt mit der Technischen Universität Warschau ermitteln HVAC und ANDI daher, wie leicht zu desinfizierende Infrarotlampen im OP-Saal positioniert werden müssten, ohne die komplexen räumlichen Gegebenheiten während des Eingriffs zu behindern. Ausserdem darf die Wärmestrahlung nicht das Gesundheitspersonal aufheizen oder gar Hautverbrennungen beim Patienten hervorrufen. «Mit den modellierten Daten soll die Position und Leistung der Wärmelampen für verschiedenste Situationen ermittelt werden», sagt die Empa-Forscherin. «So hoffen wir, ideale Operationsbedingungen ohne Risiko einer Unterkühlung schaffen zu können.» (mgt/mai)
Hier gehts zum Originaltext: www.empa.ch