Buchtipp: Vom kritischen Heimatstil zum dynamischen Stadtkonzept
Petra Hagen Hodgson geht in ihrem Buch «Max Frisch und Franz Bruno Frisch» auf die Architektur des Vaters und des Sohnes Max Frisch ein, wobei sie interessante Vergleiche zwischen seinen baulichen Konzepten und Büchern zieht.
Quelle: Max-Frisch-Archiv (MFA)/Michael Wolgensinger
Das von Max Frisch konzipierte und realisierte Bad Letzigraben: So sah der Eingangsbereich kurz nach der Eröffnung 1949 aus.
Dass Max Frisch Schriftsteller war, ist allgemein bekannt. Dass er auch als Architekt arbeitete, dürften hingegen weniger wissen. Gänzlich namenlos blieb sein Vater, Franz Bruno Frisch, der gemäss der Autorin Petra Hagen Hodgson ein «beachtliches architektonisches Werk» geschaffen hat. In ihrem Buch, «Gebaute Beziehungen: Max Frisch und Franz Bruno Frisch», würde die Arbeit von Franz Bruno Frisch zum ersten Mal «umfassend» aufgearbeitet.
Der gelernte Bauzeichner führte den reformatorischen Heimatstil «erfindungsreich» weiter und schuf «herausragende, eigenwillige und kraftvolle Bauwerke». Zudem setzte er sich intensiv mit der Umgebung auseinander und engagierte sich später auch im Bereich des sozialen Wohnungsbaus. Wir erfahren in «Zwei Architekten im Kontext ihrer Zeit», so der Untertitel der Publikation, dass sich der Vater zudem mit städtebaulichen Fragen auseinandergesetzt hat.
Stadt als Basis für Veränderung
Damit beschäftigte sich auch sein Sohn. Max Frischs Stadtmodelle basierten auf Kuben von unterschiedlicher Grösse. Das Experimentieren mit quadratischen und rechteckigen Körpern vergleicht die Leiterin des Instituts für Umwelt und Natürliche Ressourcen an der ZHAW mit Frischs Komödie «Don Juan oder Die Liebe zur Geometrie».
Gleichzeitig sehnt sich Max Frisch nach stetiger Veränderung. Seine dynamischen Stadtentwürfe sollten den Bewohnern «Wahlmöglichkeiten» offenlassen, wie Petra Hagen Hodgson festhält. Alle sollten sich immer wieder neu erfinden können. Dies hat der Autor in seinen Texten x-fach durchgespielt. Die ZHAW-Dozentin zeigt dies an den Romanen «Stiller» (der Frischs Ruhm begründete) und «Mein Name sei Gantenbein auf, in denen die Figuren ihre Identität ändern wollen und mit der Vielfalt der Selbstbilder spielen.
Quelle: Max-Frisch-Archiv (MFA)/Friedrich Kappeler
Mit der «Etagencity» entwarf Max Frisch eine aus geometrischen Formen bestehende Innenstadt, deren Verkehr sowohl horizontal wie auch vertikal getrennt war.
In «Homo Faber» beschrieb Max Frisch 1957 den technikgläubigen und damit blinden Menschen, der letztlich an sich vorbeilebt. Petra Hagen Hodgson vergleicht diese Kritik mit der «heutigen Digitalisierungsdebatte» und entdeckt «erstaunliche Parallelen».
Mit diesem Buch wird das Bauwerk von Franz Bruno Frisch zum ersten Mal ausführlich gewürdigt. Klar wird ebenso, warum Max Frisch in die Fussstapfen seines Vaters trat. Zugleich stellt die Autorin den Architekten Max Frisch mit seinen Vorstellungen von räumlicher Vielfalt und progressiven Bauformen vor. Petra Hagen Hodgson verweist zu Recht auf Max Frischs scharfe Rüge an der Schweiz, der er Verlogenheit und Starrheit vorwirft – Ansichten, die bis heute in architektonischen und städtebaulichen Diskussionen einfliessen würden. (cet)
Buchhinweis
Quelle: Scheidegger & Spiess
Cover
Petra Hagen Hodgson: Gebaute Beziehungen: Max Frisch und Franz Bruno Frisch – Zwei Architekten im Kontext ihrer Zeit. Scheidegger & Spiess: Zürich, 2023. 480 Seiten, 323 farbige und 128 Schwarzweiss-Abbildungen. 49 Franken. ISBN 978-3-03942-128-2