Buchtipp: Architekturschätze in Verona und am Gardasee
Zeitreise durch zwei Jahrtausende Verona: In seinem Architekturführer lädt Architekturhistoriker Sergey Nikitin-Rimsky zu Entdeckungstouren durch die Stadt und an den Gardasee. Dabei wird deutlich, wie eng Veronas Architektur mit der Geschichte der Stadt verwoben ist.
Quelle: Alessio Lin, Unsplash
Verona gehört zum Unesco-Welterbe - und hat viele verborgenen Sehenswürdigkeiten zu bieten. Sergey Nikitin-Rimsky weist mit seinem Führer den Weg zu ihnen.
„Als ich in Verona ankam,
schrieb ich gerade eine Dissertation über die Geschichte der
sowjetischen Kultur der 1920er- und 1930er-Jahre“, erinnert sich Sergey Nikitin-Rimsky im Vorwort zu seinem Architekturführer über Verona und den
Gardasee. Das architektonische Erbe der italienischen Architekten
Ettore Fagiouli, Italo Mutinelli und Francesco Banterle, das er in
Verona vorfand, erinnerte ihn stark an die Werke russischer Kollegen jener Zeit, wie Ilya Golosov, Alexey Schuev und der Brüder Vesnin. „Selbst die durch Kastanien gesäumten Alleen gemahnten an Flecken in
Moskau und Sankt Petersburg.“ Vor allem aber entdeckte er das Verona des Mittelalters, und damit „die Grandezza der Basilika San Zeno, die kunstvollen Steinmetzarbeiten der Skaligergräber und die prächtigen Holzdecken der Kirche San Fermo“.
2017 sollte seine Begeisterung - Nikitin-Rimsky war schon damals an der Universität von Verona tätig - zu den Veroneser „Velonotti“ führen: nächtliche Radtouren durch Verona, die ihren Teilnehmern die Stadt, ihre Architektur und ihre Geschichte näher bringen sollten. Ganz neu war dieses Konzept nicht, er hatte solche Radtouren zehn Jahre davor in Moskau, zusammen mit anderen Fachleuten initiiert. Mittlerweile haben an verschiedensten Orten Velonotti stattgefunden, von London über Istanbul und Rom bis nach Kazan. (Weitere Informationen dazu auf www.velonotte.com).
Von der Arena di Verona über die Skaligergräber bis zur Villa Girasole
Und so weist der Führer den Weg zu zahlreichen grossen und kleinen Architekturschätzen und verborgenen Kleinoden. Sie umfassen rund 2000 Jahre Stadtgeschichte. Die Zeitreise beginnt mit römischen Zeugnissen, der Arena und den beiden im ersten Jahrhundert errichteten und bis heute bestehenden Stadttoren, der Porta Borsari und der Porta Leoni. Sie führt zu unter der Herrschaft der Skaliger (1262-1387) entstandenen Backsteingotikbauten, darauf folgten beinahe vier Jahrhunderte unter venezianischer Herrschaft.
Nach wenigen Jahren unter Herrschaft Napoleons wurde die Stadt nach dessen Niederlage mit Venetien und der Lombardei Teil des Österreichischen Kaiserreichs und zu einer wichtigen Militärbasis der Habsburger. Und in den Jahren zwischen den beiden Weltkriegen versah Ettore Fagiuoli die Stadt mit seiner Handschrift. Ausgbildet am Polytechnikum von Mailand schuf er Bauten die mit der mittelalterlichen Stadt konstrastierten. Unter anderem die erste Fiatgarage, das neue Postgebäude und das Telegraphenamt, sowie zahlreiche Villen. Die spektakulärste dürfte die Villa Girasole sein: Sie kann nach dem Sonnenstand ausgerichtet werden.
Venedig, Michele Sanmicheli und Verona
Nikitin-Rimsky stellt die einzelnen Bauten mit kurzen, inforamativen Texten vor und zeigt dabei, wie eng die Architektur Veronas mit der Geschichte der Stadt verwoben ist. Ein Beispiel dafür ist die Zeit von 1405 bis 1796, als Verona zu Venedig gehörte: Nachdem die Carraresi von Padua Verona 1404 kurzzeitig erobert hatten, legte Verona gegenüber Venedig den Treueeid ab. In der Folge setzte die Stadt ihre Blüte fort, sie avancierte als Mitglied der Republik zum landwirtschaftlichen Zentrum.
Eindrucksvolle Bauten verdankt sie vor allem Michele Sanmicheli. Der Spross einer Veroneser Steinmetzfamilie, der als einer der wichtigsten Festungsbaumeister seiner Zeit gilt, hatte rund zwanzig Jahre für den Papst in Rom gerabeitet, bevor er seiner Geburtstatdt den Stempel aufdrückte. Unter anderem stammt die bis heute nicht fertig gestellte, mit Arkaden versehene Porta Palio von ihm und mit der Porta Nuova ein weiteres Stadttor. Von seiner Kunst zeugt aber auch der Palazzo Pompei, in dem heute das naturhistorische Museum untergebracht ist.
Zu Besuch bei Gabriele d'Annunzio
Nikitin-Rimsky lädt zu insgesamt vier Spaziergängen durch die Stadt. Ergänzt werden sie von Tipps für die Region um Verona und den Gardasee: Die Villa des Schrifstellers Gabriele d‘Annunzio „Vittoriale degli Italiani“ samt Amphitheater oder die Strada Gardesana Occidentale zwischen Gargnano und Riva del Garda, die durch Tunnels, Zitronenhaine und an Zypressen vorbei führt. Jeder Vorschlag ist wie die Sehenwürdigkeiten in der Stadt mit einem QR-Code versehen, der Orientierung erleichtert, indem er direkt zum jeweiligen Ort auf Google Maps führt.
Architectural Guide Verona and Lake Garda; Autor: Sergey Nikitin-Rimsky; Verlag: DOM Publishers; 336 Seiten; 500 Abbildungen; Softcover; ISBN 978-3-86922-090-1; Preis zirka 41 Franken 90; (Englisch)