Bern: Taucher untersuchen Pfahlbauten im Thunersee
Von Januar bis März 2020 sind im unteren Thunersee Taucher des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern unterwegs. Die Tauchequipe untersucht dort bronzezeitliche Pfahlbauten. Die 3500-jährigen Siedlungen sind stark erosionsgefährdet und drohen zu verschwinden.
Der nördliche Bereich der Fundstelle im Thunersee befindet sich in einem besorgniserregenden Zustand, wie erste Abklärungen in den Pfahlbauten gezeigt haben. Denn freigespülte Funde aus den Siedlungen liegen derzeit ungeschützt am Seegrund und werden dadurch stetig zerstört. Von einigen jahrtausendealten Pfählen seien nur noch letzte Reste im untersten zugespitzten Bereich erhalten, wie die Bildungs- und Kulturdirektion des Kantons Bern am Montag mitteilte.
Quer durch das Areal verlaufe ausserdem eine Erosionskante, die sich jedes Jahr um bis zu einem halben Meter weiter in die Seesedimente frisst. Dadurch kippen die freigespülten Pfähle um. Ursache für die gewaltige Seegrunderosion sei die starke natürliche Strömung in der Nähe des Aareausflusses sowie die intensive Schifffahrt vor Ort.
Dreimonatige Rettungsgrabung
Um die wertvollen Zeugnisse vor ihrem endgültigen Verschwinden zu dokumentieren, führt die Tauchequipe des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern (ADB) nun eine dreimonatige Rettungsgrabung durch. Die Arbeiten dazu finden während der ausserordentlichen Seeabsenkung statt, wenn der Schiffsverkehr im Untersuchungsbereich eingeschränkt ist.
Entdeckt wurden die Pfähle bereits 2014, als ein Sporttaucher dem ADB mehrere Bronzeobjekte überreichte, die er im Thunersee gesammelt hatte. Nach dem Fund entdeckten ADB-Taucher am Seegrund Pfähle und Keramikscherben, die von prähistorischen Siedlungen stammen. Die Pfähle konnten mittels dendrochronologischer Jahrringuntersuchungen in die frühe Bronzezeit um 1590–1540 v. Chr. datiert werden.
Quelle: Archäologischer Dienst des Kantons Bern, Badri Redha
Verschiedene Bronzeobjekte aus der Fundstelle Thun, Schadau.
Pfahlbauten im unteren Thunersee waren bislang kaum bekannt. Reiche Grabfunde der frühen Bronzezeit gab es aber bereits in Thun, Hilterfingen, Amsoldingen und Spiez. Entsprechend gross sei deshalb die wissenschaftliche Bedeutung der Neuentdeckung von Siedlungen jener Zeit, wie die Bildungs- und Kulturdirektion weiter mitteilt.
Inzwischen sind mehrere Siedlungen aus der frühen und späten Bronzezeit bekannt, die sich über ein Areal von mindestens 15‘000 Quadratmeter im unteren Thunersee verteilen. An bestimmten Stellen lassen sich sogar ohne detaillierte Abklärungen typische Bebauungsmuster derartiger Seeufersiedlungen ausmachen.
Pfahlbauten sind fragiles Kulturerbe
Pfahlbauten zeichnen sich durch eine hervorragend gute Erhaltung aus. Denn in der sauerstoffarmen Umgebung unter Wasser konnten Konstruktionshölzer wie Häuserpfähle, Alltagsgegenstände oder Speisereste Jahrtausende überdauern. Der Forschung werden dadurch detaillierte Einblicke in die Lebensweise der damaligen Seeanwohner gewährt.
Jedoch sind die prähistorischen Siedlungen gemäss Mitteilung auch ein fragiles Kulturerbe, das geschützt werden muss: Die Siedlungsreste erodieren durch natürliche Ereignisse wie Wellenschlag, oder sie werden durch menschliche Eingriffe wie die Errichtung von Hafenanlagen unbeobachtet zerstört. (mgt/pb)