15:27 VERSCHIEDENES

Aus Holz wird Hightech

Teaserbild-Quelle: Hannes Henz, Zürich/LIGNUM

Futuristische Holzbauten, die Grundlage für Biokerosin und neue Möbelfurniere: Das Nationale Forschungsprogramm "Ressource Holz" hat gezeigt, was in dem nachwachsenden Rohstoff steckt. Nun zogen die Beteiligten zum Programmabschluss Bilanz.

Palais de l'Equilibre, Neuenburg, Temporärbau zur Schweizer Landesausstellung Expo.02 vom Mai bis Oktober 2002; Wiederaufbau 2004 im Cern in Genf.

Quelle: Hannes Henz, Zürich/LIGNUM

Palais de l'Equilibre, Neuenburg, Temporärbau zur Schweizer Landesausstellung Expo.02 vom Mai bis Oktober 2002; Wiederaufbau 2004 im Cern in Genf.

"Der Holzbau feiert eine unglaubliche Renaissance", sagte Andrea Frangi von der ETH Zürich an einem Medienanlass des Schweizerischen Nationalfonds SNF in Bern. "Und die Schweiz ist das Mekka des Holzbaus, das sagen viele Kollegen. Was wir hier an Gebäuden verwirklicht haben, gibt es sonst nirgends." Der Traditionswerkstoff habe rosige Zukunftsaussichten in der Bauindustrie, prophezeit der ETH-Forscher.

Diese ist und bleibt der grösste Abnehmer für den nachwachsenden Rohstoff, hiess es am Medienanlass zum Abschluss des Nationalen Forschungsprogramms "Ressource Holz" (NFP 66). Holzbau war denn auch eines der vier Themenfelder, an denen 30 Forschungsteams während fünf Jahren forschten. Ende Dezember 2016 kam die Forschung zum Abschluss und wurde nun in mehreren Syntheseberichten zusammengefasst.

Ziel des Programms mit einer Finanzierung von insgesamt 18 Millionen Franken war, die Verfügbarkeit und Nutzung von Holz in der Schweiz zu verbessern und Lücken aufzuzeigen. Drei Start-Up-Unternehmen, die aus dem NFP hervorgegangen sind, sind bereits dabei, einige dieser Lücken zu schliessen.

Mit Robotern zu futuristischen Bauten

Weg von seriellen Elementen hin zu massgeschneiderten und ressourcenbewusstem Holzbau der Zukunft: Das ist die Botschaft von Fabio Gramazio, der im Rahmen des NFP 66 mit seinem Team an der ETH Zürich ein roboterassistiertes Holzbausystem entwickelt hat. Dank entsprechender Software setzen Roboterarme kunstvolle Holzkonstrukte zusammen, die sich ganz individuell gestalten lassen. Statt Schrauben kommen dabei neuartige Klebeverbindungen zum Einsatz, die in Zusammenarbeit mit der Berner Fachhochschule entwickelt wurden. Der Vorteil: Da sich Holz je nach Feuchtigkeit verziehen kann, bietet die Klebeverbindung mehr "Puffer" für die Bewegung.

Holz kann jedoch nicht nur klassisch als Balken, sondern in verschiedensten Formen im Bau Einzug halten, wie weitere NFP-Projekte zeigen: So entwickelten beispielsweise Forschende um Daia Zwicky von der Hochschule für Technik und Architektur Freiburg einen stabilen Leichtbeton, bei dem sie Sand durch Sägemehl ersetzten.

Aber auch in anderen Anwendungsbereichen zeigten Forschende, wie viel ungenutztes Potenzial in Holz steckt. Und erweiterten die Einsatzmöglichkeiten von Holz, indem sie ihm neue Eigenschaften verliehen, zum Beispiel eine robustere Oberfläche und geringere Brennbarkeit.

Möglichst umfassende Nutzung

Was bei der Holzverarbeitung oder nach dem Abriss eines Baus übrigbleibt, soll trotzdem möglichst vollständig genutzt werden, so ein weiteres Ziel des NFP 66. "Kaskadennutzung" nennen dies die Fachleute – also die Weiterverwendung des Materials, nachdem seine Lebensdauer in einer Nutzung abgelaufen ist. Ziel ist, dass das in Holz gebundene CO2 erst nach möglichst langer und umfassender Nutzung ausgestossen wird: Ganz am Ende der Nutzung durch effiziente Verbrennungsverfahren, um Energie zu gewinnen.

In der Nutzungskaskade spielt die Energiegewinnung aber schon vorher eine Rolle: So entwickelten Forschende um Michael Studer von der Berner Fachhochschule ein Verfahren, um Holz möglichst effizient aufzuschliessen und die Zellulose darin mit höherer Ausbeute in Ethanol umzuwandeln als bisher möglich war. Gemeinsam mit Industriepartnern ist nun sogar der Bau einer solchen holzbasierten Bioraffinerie als Pilotanlage im Kanton Jura im Gespräch, wie Studer am Medienanlass berichtete.

Grundlage für Biokerosin

Das System eigne sich auch, um andere Chemikalien wie Milchsäure und Buttersäure herzustellen, Zwischenprodukte für die Herstellung von Biokerosin, so Studer. Diesen Ansatz verfolgen die Forschenden in einem Nachfolgeprojekt im Rahmen des NFP "Energiewende" weiter.

Die Umwandlung von Holz in Ausgangsstoffe für die chemische Industrie war das Thema mehrerer Forschungsprojekte des NFP 66. Das gemeinsame Ziel ist, fossile Rohstoffe wie Erdöl durch den nachwachsenden Rohstoff Holz zu ersetzen.

Im Schweizer Holz stecke viel Potenzial, betonten die Programmbeteiligten. Noch werde dieses in der Schweiz aber bei weitem nicht ausgeschöpft. Die Holzernte ging zuletzt sogar von 7 Millionen Kubikmeter auf nur rund 4,5 Millionen pro Jahr zurück, hiess es. Jährlich wachsen 10 Millionen Kubikmeter nach. Diese maximale Menge liesse sich also nachhaltig nutzen, erklärte Stefanie Hellweg von der ETH.

Bereits heute spart die Holzverwendung in der Schweiz rund 2,2 Millionen Tonnen CO2 an Emissionen ein. Möglich wären weitere 0,9 Millionen Tonnen, wenn die nachhaltige Holznutzung voll ausgeschöpft würde, hat das Team um Hellweg errechnet. "Holz ist die wichtigste erneuerbare Ressource der Schweiz", sagt die Forscherin.

Zersplitterte Holzwirtschaft

Bis die ökologischen Vorteile dieses traditionsreichen Zukunftsmaterials voll ausgeschöpft werden, sind noch einige Hürden zu überwinden. Eine davon ist das strukturelle Problem: In der Schweiz gibt es laut Hellweg rund 250'000 Waldeigentümer und damit einen hohen Grad an Zersplitterung der Holzwirtschaft.

Mit den neu entwickelten Holzverbundstoffen, Fertigungsverfahren und Einsatzfeldern hoffen die NFP-Beteiligten, die Nachfrage nach Holz zu steigern – und durch diesen "Sog" auch die Holzbewirtschaftung in der Schweiz zu befeuern. (sda)

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