Interview mit Swissbau-Leiter Rudolf Pfander: «Networking im Fokus»
Nach der Verschiebung der Swissbau und der Formatänderung
sprangen über die Hälfte der Aussteller ab. Auch die Besucherzahlen dürften
stark sinken. Doch es gehe je länger, desto mehr um Qualität und weniger um
Quantität, sagt Messechef Rudolf Pfander. Im Zentrum stehe der Austausch.
Quelle: Derek Li Wan Po
Er leitet seit 15 Jahren die Swissbau mit Herzblut: Rudolf Pfander.
Sie mussten die Swissbau wegen der Corona-Pandemie im
letzten Moment vom Januar in den Mai verschieben. Wie fühlt man sich da als
Messeleiter?
Rudolf Pfander: Das war selbstverständlich ein schwieriger
Moment, weil ich wusste: Alle Aussteller sind bereit, und wir sind bereit. So
kurzfristig keine Bewilligung zu erhalten, war hart für uns. Aber wir haben uns
diesen Schwierigkeiten gestellt und entschieden, die Swissbau nicht abzusagen,
sondern in den Mai zu verschieben.
Waren Sie in dieser Zeit der Ungewissheit sicher, dass die
Swissbau im Mai tatsächlich stattfinden kann?
Ja, klar. Wir haben bewusst den spätestmöglichen Termin
gewählt. Auf einen späteren Zeitpunkt hätten wir die Swissbau nicht ansetzen können,
weil die Halle dann nicht mehr zur Verfügung gestanden wäre. Denn im Mai
beginnen die Aufbauarbeiten für die Kunstmesse Art.
Die Baumag in Luzern hat sich für eine Verschiebung ins
nächste Jahr entschieden. Stand das für Sie nie zur Diskussion?
Nein, wir müssen ja auch das internationale Umfeld
berücksichtigen. In allen ungeraden Jahren finden die Bau München und die Messe
für Wasser, Wärme, Klima (ISH) in Frankfurt statt. Mit diesen Messen wechseln
wir uns ab. Bis 2007 führten wir die Swissbau ebenfalls in den ungeraden Jahren
durch, aber ab 2010 verlegten wir sie in die geraden Jahre.
Welche Reaktionen auf die Verschiebung haben Sie erlebt?
Sehr unterschiedliche. Zahlreiche Aussteller sagten ab, weil
der Termin im Mai für sie ungünstig ist. Viele wollten ihre Neuheiten zeigen,
und die wollten sie wie gewohnt am Jahresanfang vorstellen. Der Mai wäre dafür
ein viel zu später Zeitpunkt. Als Aussteller nimmt man ja an einer Messe teil,
um zu zeigen, was es Neues gibt. Andere Firmen erklärten, sie hätten im Mai
schon viel anderes vor – die Jahresplanungen waren damals längst abgeschlossen.
Und im Mai herrscht auf vielen Baustellen Hochbetrieb.
Für den zweiten Anlauf in diesem Jahr haben Sie das Messekonzept geändert. Neu gibt eine «Swissbau Compact» in nur einer Halle. Warum?
Nach den zahlreichen Absagen hätte die Swissbau, wie sie nach
dem ursprünglichen Konzept geplant war, einem löchrigen Käse geglichen. Unseren
Anspruch, eine Mehrbranchenmesse mit einem breiten Angebot und die Leitmesse
der Schweizer Bau- und Immobilienwirtschaft zu sein, hätten wir nicht mehr erfüllen
können. Wir beschlossen deshalb, auf die Individualstände zu verzichten. Wir entschieden
uns stattdessen für ein einmaliges Sonderformat in einer Halle mit dem «Swissbau
Focus», dem «Swissbau Innovation Lab» und einem kleinen Angebot für Aussteller
mit All-in-Ständen und Theken. Gleichzeitig legten wir damit
den Fokus auf das Networking und die Weiterbildung.
Quelle: MCH Group
Plattformen wie der «Swissbau Focus» sollen den interdisziplinären Austausch fördern.
Wie viele Aussteller haben Sie durch die Verschiebung der
Swissbau in den Mai verloren?
Über die Hälfte, und zwar querbeet durch alle Bereiche.
Jetzt rechnen wir mit rund 250 Ausstellern. Es gibt aber auch einzelne Firmen,
die neu dazugekommen sind. Ich sage immer, am Schluss ist bei einer Messe der
Mix entscheidend. Neben den grossen Namen sind auch die kleinen Firmen und die
Start-ups spannend, die oft einzigartige Lösungen vorstellen.
Sind trotzdem noch einige grosse Unternehmen an der Swissbau
vertreten?
Es sind immer noch viele tolle Brands mit kleinen Auftritten
dabei, zum Beispiel Siemens, Laufen, Hörmann, Duravit, Mensch und
Maschine Schweiz (MuM),
ABB und Dormakaba. Im «Swissbau Innovation Lab» werden rund 90 Aussteller zu
finden sein, zum Beispiel das grosse Architekturbüro Itten + Brechbühl, der Schweizerische
Ingenieur- und Architektenverein (SIA), Bauen digital Schweiz oder auch Leica.
Es gibt die ganze Bandbreite von Big Brands bis zu Start-ups.
Sind Sie mit der Ausstellerzahl von 250 zufrieden?
Nach der Verschiebung der Messe und dem Entscheid für das einmalige
Sonderformat war es mein Ziel, auf 250 Aussteller zu kommen, und ich freue
mich, dass wir das geschafft haben. Das gibt eine runde Sache. Wir wollen 2022 eine
Fachmesse sein, bei der die Architekten, Planer, Ingenieure, Eigentümer,
Investoren und Betreiber im Fokus stehen und weniger die Handwerker und Privaten,
die sich Produkte anschauen wollen. Diesmal werden nur einzelne Produkte zu
sehen sein.
Es gibt aber böse Zungen, die finden, eine solche geschrumpfte
Swissbau hätte man sich ebenso gut sparen können. Was entgegnen Sie darauf?
Das Bedürfnis nach einem persönlichen Austausch über die
einzelnen Gewerke hinaus und nach Weiterbildung ist gerade nach den zwei
Corona-Jahren gross. Wir bieten im «Swissbau Focus» wie auch im «Swissbau
Innovation Lab» ein hochkarätiges Programm. Allein im «Swissbau Focus» finden
80 Veranstaltungen statt. Und im Mittelteil, auf dem Marktplatz rund um ein
Bistro, sind immer noch rund 70 Aussteller mit einem kleinen Auftritt
vertreten.
In der Bau- und Immobilienbranche gibt es bereits etliche interdisziplinäre
Fachanlässe mit Vorträgen, Podiumsdiskussionen, Produktpräsentationen und
Gelegenheiten, das Netzwerk zu pflegen. Was bietet die kompakte Swissbau, was an
diesen Veranstaltungen fehlt?
Wir bieten ein viel breiteres Spektrum. Von der
Digitalisierung über Architektur, Design, Betrieb und Unterhalt bis zu Energie
und Weiterbildung decken wir die ganze Bandbreite an Themen ab – und zwar interdisziplinär.
Das ist auch das Alleinstellungsmerkmal der Swissbau. Wir sind die einzige
Plattform, die alle, wirklich alle Gruppen entlang des Lebenszyklus der
Bauwerke und der Wertschöpfungskette zusammenbringt.
2020 kamen Sie auf rund 90 000 Besucherinnen und Besucher.
Als Sie die Swissbau im Januar 2022 planten, rechneten Sie mit 50 000 bis 60
000. Wie viele Besucher erwarten Sie nun im Mai?
Ich sage jetzt mal: zwischen 12 000 und 15 000. Doch das ist
Kaffeesatzlesen. Es ist aber nicht die Masse, die zählt. Es geht je länger,
desto mehr um Qualität und weniger um Quantität. Am Schluss müssen es die
richtigen Besucher sein. Wir möchten auch noch gezielter die
Entscheidungsträger in der Bau- und Immobilienwirtschaft ansprechen.
Die Swissbau dauert nur noch vier Tage. Der Samstag, bisher
vor allem ein Tag für das breite Publikum, wurde gestrichen. Welche Gründe gab es dafür?
Das ist auf Wunsch der Aussteller geschehen. 90 Prozent
wollten den fünften Messetag schon lange abschaffen, weil Aufwand und Ertrag
für sie in keinem Verhältnis standen. Die Swissbau ist und bleibt eine
B2B-Plattform, und die Berufsleute haben mit wenigen Ausnahmen die Swissbau stets
unter der Woche besucht. Als Kompensation bleibt die Messe am Donnerstag bis 20
Uhr geöffnet. Damit können auch Berufstätige, die nur einen halben Tag frei
bekommen, an die Swissbau kommen.
Einer der Publikumsmagnete war bisher das «Swissbau
Innovation Lab». Wie entwickelt es sich weiter?
Hier gab es bereits eine Weiterentwicklung. Mit dem
«Swissbau Innovation Lab on Tour» haben wir letztes Jahr im November eine neue
Community-Plattform eingeführt. Leider konnten wir wegen Corona keinen
physischen Anlass durchführen, sondern mussten uns auf einen Online- Event
beschränken. Der Bedarf an einer solchen Möglichkeit zum Austausch ist riesig.
Wir werden auch im nächsten Zwischenjahr der Swissbau wieder on Tour gehen. An
der kommenden Messe werden im «Swissbau Innovation Lab» wie bisher der iRoom,
das Innovation Village und der Speakers Corner zu finden sein. Für eine
fesselnde Filmumsetzung im iRoom, dem 270-Grad-Kino, sorgt der in Los Angeles
beheimatete preisgekrönte Schweizer Regisseur Simon Steuri.
Quelle: MCH Group
Publikumsmagnet: Das «Swissbau Innovation Lab» mit dem iRoom.
Ursprünglich haben Sie für die diesjährige Auflage ein neues
Messekonzept namens «Swissbau City» entwickelt. Dabei sollte die Swissbau zur
Stadt mit Quartieren und Marktplätzen werden. Ziehen Sie dieses Platzierungskonzept
bei der Planung der Swissbau 2024 aus der Schublade?
Genau das haben wir vor. Am Ende geht es um eine Transformation und einen Paradigmenwechsel. Das Marketinginstrument Messe muss sich neu erfinden. Aber es reicht nicht, wenn wir als Veranstalter das Messekonzept weiterentwickeln. Es braucht auch die Aussteller dazu. Ein Beispiel ist das «Swissbau Innovation Lab». Da haben wir grosse Hersteller wie die ABB zurückgewonnen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir 2024 wieder eine Swissbau im gewohnten Rahmen erleben werden. Die meisten Firmen, die jetzt abgesagt haben, möchten 2024 wieder dabei sein. Wir haben auch ein grosses Interesse bei jenen Firmen festgestellt, die bereits im Januar wegen Corona nicht an der Swissbau teilnehmen wollten. Das hat mich sehr gefreut.
”Wichtig ist, dass man an der Swissbau dabei ist – egal, ob mit grosser oder kleiner Fläche.
Rudolf Pfander, Swissbau-Messeleiter
Die Swissbau musste in den letzten Jahren laufend Einbussen hinnehmen. Wie sehen Sie die Zukunft?
Grösse ist nicht alles. Viele Aussteller getrauen sich noch nicht, mit einem kleineren Auftritt dabei zu sein. Sie sagen: Entweder nehmen wir mit einem grossen Stand teil oder gar nicht. Aber ich bin überzeugt, dass die Grösse der Stände in Zukunft kaum mehr eine Rolle spielen wird. Die Hauptsache ist, an der Swissbau dabei zu sein – egal, ob mit grosser oder kleiner Fläche. Alles wächst zusammen. Wenn wir die Herausforderungen für die Bauwirtschaft wie die Digitalisierung und die Klimawende bewältigen wollen, müssen wir zusammenarbeiten. Wir müssen schneller, effizienter und klimaneutraler werden, und das geht nur, wenn wir zusammen bauen und nicht jeder für sich. Da kommt der Swissbau eine wichtige Rolle zu: Sie kann die Leute zum gegenseitigen Austausch anregen. Einige Aussteller werden sich vielleicht auch einen neuartigen Auftritt überlegen. Darum versuchen wir, die Swissbau mit neuen Plattformen weiterzuentwickeln. So können wir auch diesen Firmen ein Angebot machen.
Angesichts der stetig sinkenden Aussteller- und Besucherzahlen könnte aber für die Messeveranstalterin MCH Group einmal eine Schmerzgrenze erreicht sein, wo sie sagt, so lohnt sich die Swissbau nicht mehr. Wie weit sind Sie von diesem Punkt noch entfernt?
Das ist überhaupt kein Thema. Wir planen sogar, unser Portfolio zu erweitern. Mit kleineren Anlässen für gewisse Zielgruppen möchten wir versuchen, den einen oder anderen Aussteller zurückzugewinnen. Dies auch im Zwischenjahr der Swissbau. Diese Anlässe können nicht nur in Basel, sondern auch an anderen Orten in der Schweiz stattfinden.
Sie sind also nach wie vor der Überzeugung, dass es die Swissbau immer geben wird?
Wir können es ja beim «Swissbau Focus» und beim «Swissbau Innovation Lab» beobachten. Da kommen alle zusammen: Hersteller, Planer, Visualisierer, Vertreter von Hochschulen und Verbänden. Alle sprechen miteinander. Es wird weitere Plattformen geben, die den interdisziplinären Austausch fördern.