BFH-Studenten entwickeln neue Visionen vom Holz-Hochhaus
Holz erfährt als ökologischer Baustoff seit Jahren immer mehr
Beachtung und Verwendung. Beispiele in aller Welt zeigen, dass selbst die
Realisierung von Hochhäusern möglich ist. Studenten der Berner
Fachhochschule (BFH) haben ein mehrgeschossiges Gebäude aus Holz entworfen, das an
ausgewählten Standorten in der Schweiz stehen könnte.
Quelle: Berner Fachhochschule
Die Visualisierung des Holzhochhauses «Jenga» an der prominenten Höhematte in Interlaken.
Unter dem Motto «Bringt alles zusammen» sollte die Swissbau im Januar starten. Auch bei der nun reduzierten Ausgabe «Swissbau Compact» ist die Berner Fachhochschule als Partner der Messe vertreten. Im Mittelpunkt steht das Projekt Holzhochhaus «Jenga», das gemeinsam mit dem Branchenverband Holzbau Schweiz und Partnern auf der Swissbau 2022 vorgestellt wird.
Im Rahmen einer Semesterarbeit im vorjährigen Frühlingssemester befassten sich die Studenten des Masters Architektur und des Masters Wood Technology der Berner Fachhochschule mit dem grossmassstäblichen Holzbau. Für den periurbanen Raum zwischen Thuner- und Brienzersee, das «Bödeli», entwarfen sie an ausgewählten Standorten mehrgeschossige Gebäude aus Holz. Dabei knüpften sie an die Holzbautradition der Region an und entwickelten das Potenzial von Holzkonstruktionen weiter.
Ein neuer Trend
Holzhochhäuser sind keine Neuigkeit. Im Ausland, aber auch in der Schweiz wurde inzwischen der Beweis geliefert, dass sich Holz auch bestens für den Bau von Gebäuden mit einer Höhe von mehr als 25 Metern eignet, dem Mass, das in der Schweiz gemäss den kantonalen Planungs- und Baugesetzen als Richthöhe für die Bezeichnung als Hochhaus festgelegt ist.
Das offiziell weltweit höchste in Holz konstruierte Gebäude steht seit April 2019 in Brumunddal, 100 Kilometer nördlich von Oslo. Der Höhenrekord wurde von Anfang an angestrebt, umgesetzt wurde das Projekt vom Büro Voll Arkitekter aus Trondheim. Am Ufer des Sees Mjøsa ragt das 18-geschossige «Mjøstårnet» ganze 85,4 Meter hoch in den Himmel.
Der Baustoff Holz wurde beim Bau bewusst unter den Aspekten Nachhaltigkeit, regionale Herkunft und Verarbeitung berücksichtigt. In den 18 Geschossen des multifunktional genutzten Turms sind ein Restaurant, Büros und Konferenzräume, ein Hotel und Wohnungen untergebracht.
Quelle: Berner Fachhochschule
Der Blick nach aussen fasziniert durch das Zusammenspiel von Konstruktion und einzigartigem Raumerlebnis.
84-Meter-Holzhochhaus in Aspern
Nur etwas kleiner und damit auf dem zweiten Platz der Höhen-Rangliste, ist das «HoHo» in der Seestadt Aspern im 22. Wiener Gemeindebezirk Donaustadt. Es erreicht stattliche 84 Meter Höhe, kann aber mit 25 000 Quadratmetern Gesamtfläche den Rekord als grösstes Holzhochhaus der Welt für sich in Anspruch nennen. 2020 wurde das Gebäude fertiggestellt. In den 24 Geschossen befinden sich neben Büros ein Hotel, Fitnessstudio, Restaurants und Apartments.
Aber es soll schon bald noch viel höher hinauf gehen. Der japanische Holzbaustoffkonzern Sumitomo Forestry plant in Tokio das höchste Holzhochhaus der Welt. Es soll stolze 350 Meter hoch werden und bis 2041 fertiggestellt sein. Auf den 70 Etagen sind Büros, Geschäften, Wohnungen und Hotels geplant.
Ideen haben die Planer bei den bereits realisierten grossen Gebäuden in Holzbauweise
sammeln können. Doch aufgrund der seismischen Aktivitäten entlang des Suruga-
und des Sagamigrabens und des damit verbundenen hohen Erdbebenrisikos soll
das japanische Mega-Hochhaus mit einem Stahlgerüst gestützt werden.
Quelle: Berner Fachhochschule
Die architektonische Gestaltung mit Holzlamellen gibt dem Hochhaus Charakter.
Zwischen Bergen und Seen
Diese gigantischen Ausmasse sind beim Projekt der Studenten und Studentinnen der Masterlehrgänge Architektur und Wood Technology nicht vorgesehen. Ihre planerischen Visionen der Holzhochhäuser wurden auf Standorte in den Randzonen der städtischen Ballungsgebiete ausgelegt.
Jedes Jahr beschäftigt
sich der Fachbereich Architektur der BFH während eines Semesters gemeinsam mit
einer Partnergemeinde mit einem
übergeordneten Thema. Konkret wurde in diesem Fall auf Transformationen im
grossräumlichen Kontext für das «Bödeli» Bezug genommen. Das Gebiet zwischen
Thuner- und Brienzersee umfasst die Gemeinden Interlaken, Unterseen, Bönigen,
Matten und Wilderswil.
Die architektonischen Entwürfe waren vielfältig. Sie erfassten unterschiedliche Themen, wobei Holz als traditioneller Baustoff und als in ausreichender Menge vorhandene natürliche Ressource eine besondere Rolle spielte. Erkenntnisse aus der reichen Holzbautradition der Region wurden neu interpretiert, neue Typologien und innovative Holzbaukonstruktionen erforscht und weiterentwickelt.
Im Rahmen der interdisziplinären Zusammenarbeit der Studenten der beiden Ateliers Architektur
& Areal und Architektur & Holz sowie des Masters Wood Technology konnten
alle kontextuellen, massstäblichen, gestalterischen, statischen und
konstruktiven Themen teamübergreifend bearbeitet und optimiert werden.
Insgesamt wurden so sieben Projekte zur Semesterschlusspräsentation vorgelegt. Das Projekt «Jenga» von Mahdi Bagheri, Student Master Architektur, und Milos Asenov, Student Master Wood Technology, wurde von der Jury zur Weiterbearbeitung empfohlen. Die Jury setzte sich aus Professoren und Dozenten der BFH sowie Vertretern von Holzbau Schweiz zusammen.
Inspiriert von Jenga-Spiel
Das Gebäude an prominenter Lage an der Höhenmatte in Interlaken stapelt gleichartige Volumen. Dadurch entstehen interessante Räume mit spannenden inneren und äusseren Beziehungen. Inspirieren liessen sich die beiden Studenten vom Holzspiel «Jenga», bei dem Holzbausteine in unterschiedlicher Richtung übereinander gestapelt werden müssen.
Das Konzept überzeuge durch seine Klarheit und fasziniere durch das Zusammenspiel von Konstruktion und räumlicher Variation, heisst es im Jurybericht. Der Ausdruck des Gebäudes sei konsequent aus der Idee entwickelt, bleibe aber noch etwas schemenhaft. Auch der innere Aufbau, die konkrete Ausgestaltung und die atmosphärische Dichte liessen noch Potenzial erkennen.
Quelle: Lignum, Kuster Frey
Grossprojekte lassen sich heute problemlos mit Holz realisieren. Auch die Wohnüberbauung Maiengasse in Basel ist wie die gewerblichen Vorgängerbauten in Holz gebaut.
Unter der Anleitung des Studiengangsleiters Master Architektur, Professor Hanspeter Bürgi, wurden diese Punkte aufgenommen und das Projekt «Jenga» im Herbstsemester weiterbearbeitet und gestalterisch sowie konstruktiv verfeinert. Die Planung des Hochhauses sieht verschiedene öffentliche Nutzungen für Einheimische und Touristen vor. Zudem sind Wohneinheiten vorgesehen.
Die komplette Tragstruktur und die Fassade des Gebäudes sind
in regionalem Holz geplant. Kurze Material-Transportwege optimieren den
ökologischen Fussabdruck des Gebäudes. Im Projekt wurden Solarpaneele auf dem
Dach platziert, die den Energiebedarf des Gebäudes zu einem grossen Teil
abdecken könnten.
Erlebbar an der Swissbau
Auf der Swissbau Basel werden Modelle des Holzhochhauses in den Massstäben 1:2000 (Städtebau) und 1:20 (Architektur und Struktur) zu sehen sein. Die Studenten haben zudem gemeinsam mit dem Branchenverband Holzbau Schweiz und Partnern die Arealplanung und ein mehrgeschossiges, repräsentatives Mock-up im Massstab 1:1 vorbereitet.
Zudem ermöglichen umfangreiche Dokumentationen zum Entwurfsprozess und zu den weiteren Planungs- und Hochhausprojekten eine vertiefte Reflexion über die Perspektiven und die Vielfalt des mehrgeschossigen Holzbaus. Gleichzeitig geben sie Einblick in die Arbeiten der verschiedene Gewerke, die bei der Entstehung eines Holzhochhauses innvolviert sind.
Höchstes Holzhochhaus der Schweiz
Quelle: Duplex Architekten, Visualisierung: Filippo Bolognese
«Projekt Pi» soll das erste 80 Meter hohe Holzhochhaus der Schweiz werden.
Nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Umsetzung geht es in der Schweiz beim Holzbau zunehmend in die Höhe. Mit dem «Projekt Pi» plant die V-ZUG Immobilien AG in Zug das erste Holzhochhaus in der Schweiz. 80 Meter hoch wird es sein, 27 Geschosse soll es haben und die Möglichkeit für preisgünstiges Wohnen in Zug schaffen. Das Hochhaus bildet den Auftakt für die Entwicklung des Tech Clusters Zug. Das Hochhaus «Pi» soll aus heimischen Holz gebaut werden. Kernelemente der Konstruktion bilden das Rahmentragwerk aus Buchenholz und eine innovative Holz-Verbund-Flachdecke, die vom Ingenieurbüro Walt Galmarini zusammen mit Implenia Holzbau entwickelt wurden. Das lineare, sichtbar bleibende Holzrahmentragwerk stabilisiert das Hochhaus.