Nico Lutz: «Fachkräftemangel auf dem Bau: auch hausgemachte Probleme»
Bauarbeiter ist ein schöner Beruf. Doch die Bedingungen, untern denen die Menschen arbeiten müssen, sind nicht gut. In seiner Kolumne geht Nico Lutz, Geschäftsleitungsmitglied der Unia, der Frage nach, was man verbessern könnte.
Quelle: Unia
Nico Lutz ist Mitglied der Geschäftsleitung der Gewerkschaft Unia.
Viele Arbeiter sind stolz auf die Häuser, die Schulen, die Tunnel oder Brücken, an denen sie mitgebaut haben. Und doch: In den kommenden Jahren werden tausende von Bauarbeitern die Branche verlassen. Erstens kommt die Babyboom-Generation in die wohlverdiente Rente. Zweitens gibt es aber auch hausgemachte Probleme.
Bauarbeiter ist ein schöner Beruf. Viele Arbeiter sind stolz auf die Häuser, die Schulen, die Tunnel oder Brücken, an denen sie mit gebaut haben. Und doch: In den kommenden Jahren werden tausende von Bauarbeitern die Branche verlassen. Erstens kommt die Babyboom-Generation in die wohlverdiente Rente. Zweitens gibt es aber auch hausgemachte Probleme.
Immer wieder spreche ich mit Bauarbeitern und gar Polieren, die sich überlegen, auszusteigen. Ihre Gründe: Die aktuellen Arbeitsbedingungen auf dem Bau sind insbesondere für Familienväter, die auch Zeit mit ihren Kindern verbringen wollen, unmöglich. Die Tage sind insbesondere im Sommer so lange, dass die Väter am Morgen aus dem Haus gehen, wenn die Kinder noch im Bett sind. Und abends kehren sie so müde nach Hause, dass sie kaum mehr Energie haben, etwas mit ihren Kindern zu unternehmen. Kein Wunder: Im Sommer beträgt die geplante Arbeitszeit auf der Baustelle bis zu neun Stunden täglich, dann kommt immer wieder eine Überstunde dazu, zusätzlich oft ein bis zwei Stunden Reisezeit, die nicht zur Arbeitszeit zählt, eine Stunde Pause pro Tag… Man rechne: Das macht dann zwölf bis dreizehn Stunden am Tag. Die Bauarbeiter verstehen, dass man manchmal etwas fertig machen muss und es mal länger geht. Aber wenn die Arbeitssituation über Wochen oder gar Monate so aussieht, dann geht das nicht. Und es ist auch nachvollziehbar, warum die Bauarbeiter sich so emotional gegen die regelmässigen Forderungen von Teilen des Baumeisterverbandes wehren, im Sommer noch länger zu arbeiten.
Ein weiteres Problem, das der Baumeisterverband der Branche gerade beschert hat, ist seine Unterstützung für die Initiative der Jungfreisinnigen zur Erhöhung des Rentenalters. Wenn das gesetzliche Rentenalter auf 66 oder 67 Jahre erhöht würde, dann wird automatisch auf dem Bau das Eintrittsalter in die Frührente auf 61 oder 62 erhöht. Der aktuelle Gesamtarbeitsvertrag finanziert präzise fünf Jahre Übergangsrente vor dem ordentlichen Rentenalter.
Wenn die Bauarbeiter und die Poliere mit 60 in Rente gehen, dann verzichten sie heute auf rund einen Drittel ihres Lohnes. Das ist nicht wenig. Die Realität ist aber, dass fast alle Bauarbeiter und auch Poliere, die mit 60 in Rente gehen können, das trotzdem machen. Warum? Weil viele schon ab Alter 55 die Tage bis zur Frühpensionierung zählen. Weil die harte körperliche Arbeit Spuren hinterlässt und die Kälte im Winter oder die Hitze im Sommer immer mehr zusetzt. Die Rente mit 60 ist darum etwas vom wichtigsten für die Bauarbeiter. Sie ist auch deswegen ein Erfolgsmodell, weil dank ihr viele ältere Fachkräfte heute in der Branche bleiben. Vor ihrer Einführung sind Bauleute ab 50 scharenweise aus der Branche geflüchtet. Ohne Rente mit 60 hätten wir heute einen noch viel grösseren Mangel an Bauarbeitern. Darum: Es braucht dringend Massnahmen, um den Bauberuf attraktiver zu machen. Die Erhöhung des Rentenalters und die Flexibilisierung der Arbeitszeit gehören sicher nicht dazu.