Markus Weber: «Digitalisierung als Treiber einer nachhaltigeren Bau- und Immobilienwirtschaft»
In der Kolumne berichten Exponenten der Branche über das, was sie bewegt. Markus Weber, Präsident von «Bauen digital Schweiz /buildingSMART Switzerland», sieht in digitalen Technologien das Potenzial für mehr Produktivität, Qualität und Nachhaltigkeit in der Schweizer Bau- und Immobilienwirtschaft.
Quelle: Bauen digital Schweiz/buildingSMART Switzerland
Markus Weber ist Präsident von «Bauen digital Schweiz/buildingSMART Switzerland».
Digitale Technologien begleiten unseren
Alltag, doch in der Bau- und Immobilienwirtschaft sind diese noch zaghaft
etabliert und noch lange nicht durchgängig vernetzt. Das Wissen und die
digitalen Technologien sind verfügbar, nun gilt es diese neuen Werkzeuge zu
nutzen und die etablierten Prozesse sukzessive umzubauen. Digitale Technologien
sind der Schlüssel zu einer höheren Produktivität und besseren Qualität und
damit für die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Bau- und Immobilienwirtschaft.
Sie sind aber auch die Grundlage nachhaltigere Abläufe wie zum Beispiel die
Kreislauffähigkeit von Baumaterialien und Bauprodukten. Und nicht zuletzt sind
sie Garant für attraktivere Arbeitsplätze und damit ein wirksames Mittel gegen
den Fachkräftemangel. Eines ist also klar: Die Potenziale sind riesig.
Digitalisierung heisst Vernetzung: mit
Hilfe der digitalen Technologien werden durchgängige und datenbasierte Prozesse
erst möglich. Die Digitalisierung vernetzt damit die Wertschöpfungskette, von
der Machbarkeitsstudie, über die Bestellung, Planung, Ausführung, zum Betrieb
und zur Bewirtschaftung bis zur geordneten Rückführung der Baumaterialien und
Bauprodukte in den Kreislauf. Strukturierte und von Maschinen interpretierbare
Informationen bilden das Fundament für die Vernetzung der Wertschöpfungskette
und für das Lifecycle Data Management von morgen. In der aktuellen Praxis ist
eine echte digitale Durchgängigkeit allerdings nur schwer umzusetzen, weil
Daten viel zu heterogen vorliegen und Unternehmen dazu tendieren, ihre eigenen
Datenstrukturen aufgrund von projektspezifischen Anforderungen anzulegen. Die
Digitalisierung der Bau- und Immobilienwirtschaft muss vor diesem Hintergrund
als eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung verstanden werden.
Ein Beispiel: Die Bauwirtschaft ist für
über achtzig Prozent des gesamten Abfallaufkommens in der Schweiz
verantwortlich. Theoretisch lässt sich der Bauabfall fast zu hundert Prozent
wiederverwenden oder rezyklieren. Die gute Nachricht ist, dass davon bereits
über zwei Drittel in den Kreislauf zurückgeführt werden. Die schlechte
Nachricht: Der übrige nicht verwertete Anteil Bauabfall ist immer noch viel
grösser als der gesamte übrige Abfall. Und weil die Deponiegebühren im
benachbarten Ausland günstiger sind als in der Schweiz, wurden im Jahr 2022
rund 15 000 Lastwagen Bauschutt nach Deutschland gekarrt. Diese
Ressourcenverschwendung lässt sich mit Hilfe der Digitalisierung drastisch
senken: Der «digitale Kreislaufzwilling» macht den Kreislaufprozess für Baumaterialien
und Bauprodukte planbar. Dies ist eine grundlegende Voraussetzung dafür, dass
Baumaterialien und Bauprodukte, die demnächst rückgebaut werden, frühzeitig in
der Planung von neuen Bauprojekten durch Teilen, Wiederverwenden, Reparieren
oder Wiederaufbereiten berücksichtigt werden können.
«Bauen digital Schweiz / buildingSMART
Switzerland» setzt sich für eine konsequente Nutzung der genannten Potenziale
ein. Der vom Verband initiierte Use-Case-Management-Service von «buildingSMART»
schafft die wichtige Grundlage, um BIM-Projekte in einzelne überschaubare
Anwendungsfälle, sogenannte Use-Cases, aufzuteilen und später wieder zu
durchgängigen Prozessen und Informationen zusammen zu fügen. An der Swissbau
2024 hat «Bauen digital Schweiz /buildingSMART Switzerland» drei konkrete
Use-Cases zum «digitalen Kreislaufzwilling» präsentiert und diskutiert:
Bestandsinventarisierung, Materialpass und Lean-Deconstruction. Diese drei
realen Anwendungsfälle machen klar: Die Digitalisierung der Bau- und
Immobilienwirtschaft muss miteinander gestaltet werden.
Konkrete Beispiele und erste Erfahrungen sind wichtige Enabler in einer Veränderung hin zu besseren Prozessen. Nur vom «Practice» über «Practice» kommen wir irgendwann zu einem «Best-Practice». Die drei erwähnten konkreten Use-Cases zum «digitalen Kreislaufzwilling» sind im Status «Practice», es braucht nun Nachahmer, die auf diesen Grundlagen und Erfahrungen aufbauen und ihre Erfahrungen teilen. Der Use-Case-Management Service von «buildingSMART» bildet die Kollaborationsplattform dazu: gemeinsam vom Practice zum Best-Practice und damit zum Grundstein für nachhaltige Baustandards.