Kolumne zum Donnerstag: Ufe, aber gäng ned gschprängt
In der Kolumne zum Donnerstag schreiben Exponenten der Branche über das, was sie bewegt. Heute ist es Christoph Starck, Direktor von Lignum, Holzwirtschaft Schweiz.
Quelle: libertyslens, Flickr, CC
Schreibmaschine, Schmuckbild.
Die internationalen Höhenrekorde im Bauen mit Holz jagen sich. Im August2016 feierte man in Vancouver die Aufrichte des 18-geschossigen Studentenheims «Brock Commons» der University of British Columbia. Es galt ab dann mit 53 Meter Bauhöhe als derzeit höchster Holzwohnbau der Welt. Doch um das Podest herrscht bereits wieder Gerangel. Das im Bau stehende «HoHo» (Holz-Hochhaus) Wien ist auf 24 Geschosse und 84 Meter Höhe angelegt. 2019 soll es fertig sein. Bevor es soweit ist, geht der Lorbeerkranz für die nächste Bestmarke indessen an die Norweger, die mit ihrem «Mjøstårnet» in Brumundall nördlich von Oslo 80 Meter Bauhöhe über 18 Geschosse anpeilen und bereits bei Etage 17 angelangt sind.
Doch damit ist das Ende der Fahnenstange noch längst nicht in Sicht. So tüfteln zum Beispiel Forscher der Universität Cambridge zusammen mit dem Büro PLP Architecture und Ingenieuren von Smith and Wallwork an der Konstruktion eines Holz-Wolkenkratzers für London unter dem Namen «Oakwood Timber Tower», der 300 Meter Höhe erreichen könnte. Den Vogel schossen indessen jüngst die Japaner ab: Vor Kurzem ist das Forstunternehmen Sumitomo Forestry Co. mit dem Projekt eines 350Meter hohen Holz-Hochhauses in Tokio auf den Plan getreten, das bis 2041 entstehen soll.
Zugegeben, hohe Ziele befeuern die Vorstellungs- und damit auch die Tatkraft. Aber Höhen-Ehrgeiz beim Bauen mit Holz ist definitiv nicht «the Swiss way». Das erste Holz-Hochhaus hierzulande, der derzeit in Risch Rotkreuz fertiggestellte Zehngeschosser «S22», ist mit seinen 36 Metern zwar baurechtlich ein echtes Hochhaus, aber keines, das mit internationalen Ikonen dieser Gattung um Rekorde wetteifern will. Es zeigt, wie behutsam und solide die Holzbaubranche in der Nutzung der neuen Möglichkeiten vorgeht, welche die Brandschutzvorschriften der neusten Generation eröffnen: Man sucht nicht auf Biegen und Brechen das Maximum um des Showeffekts willen, sondern entwickelt das Bauen mit Holz auf sicherem Grund Schritt um Schritt stetig weiter. Das zweite Holz-Hochhaus der Schweiz – es entsteht unweit des ersten ebenfalls in Risch Rotkreuz – sucht ebenfalls keinen Dimensionssprung. Es wird nach der Fertigstellung 2019 mit seinen 15 Geschossen 60 Meter messen.
Rund zwanzig Jahre Forschung und Entwicklung stecken im heutigen Stand der Technik des hohen Bauens mit Holz, wie es heute in der Schweiz von den Marktführern umgesetzt wird. Die ersten Hochhäuser mit Holz stützen sich auf zehn Jahre Erfahrung im mehrstöckigen Bauen bis sechs Geschosse. Anders gesagt: Die Schweizer Holzbaubranche macht keine Experimente. Was sie baut, ruht auf tragfähigem Fundament. Spannend genug bleibt der stete Weg nach oben allemal, den das Baumaterial Holz derzeit beschreitet. Aber eben: Ufe, aber gäng ned gschprängt.