Kolumne zum Donnerstag: Kopfschütteln
In der Kolumne zum Donnerstag schreiben Exponenten der Branche über das, was sie bewegt. Heute ist es Jörg Berli, Geschäftsführer der Betonsuisse Marketing AG und Key Account Manager der Holcim (Schweiz) AG.
Den Auftrag für den Bau des neuen Bözberg-Eisenbahntunnels haben die SBB einem Generalunternehmer erteilt. Dieser wiederum hat den Auftrag für die Herstellung der vorgefertigten Betonbauteile (sogenannte Tübbinge) an einen Subunternehmer in Deutschland vergeben. Das Herstellerwerk liegt rund 450 Kilometer von der Baustelle entfernt.
Rund drei Kilometer vom Tunneleingang entfernt befindet sich ein bestens qualifiziertes Vorfabrikationswerk mit einer modernen Produktionsanlage für Tübbinge. Die Tatsache, dass die ökologischen Auswirkungen der Transporte wie auch die wegfallende Wertschöpfung in der Schweiz bei der Vergabe des Subunternehmerauftrages ins Ausland nicht berücksichtigt wurden, lösten sowohl in der Branche als auch in der Bevölkerung Kopfschütteln aus. Die Frage stellt sich, wie eine solch höchst bedauerliche und fragwürdige Situation in Zukunft vermieden werden kann. Einen grossen Teil zur Lösung wird hoffentlich ein anstehendes politisches Geschäft beitragen. Im Frühjahr hat der Bundesrat die Botschaft zur Revision des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) zuhanden des Parlaments verabschiedet. Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates hat sich in der Zwischenzeit bereits mit der komplexen Materie auseinandergesetzt. Der Nationalrat wird sich voraussichtlich in der Dezembersession mit der Vorlage beschäftigen. Die Zeit drängt, denn seit über zwei Dekaden werden die öffentlichen Aufträge konsequent nur nach den Kriterien des günstigsten Angebotes vergeben.
Neu sollen der explizite Verzicht auf Abgebotsrunden, die Betrachtung von Lebenszykluskosten sowie die Ergänzung der Zuschlagskriterien mit Qualitäts-, Nachhaltigkeits- oder Lieferbedingungen die wichtigen und richtigen Veränderungen bringen. Gleichzeitig soll mit einem Konkordat, welches inhaltlich so weit als möglich identisch mit dem BöB ist, die Harmonisierung der kantonalen Ausschreibungsprozesse angestrebt werden.
Im heute vorliegenden Entwurf zum neuen BöB wird allerdings die Frage der Weitergabe von Aufträgen an Subunternehmer nicht ausreichend geklärt. Ein Hauptproblem liegt darin, dass ein schweizerischer Subunternehmer eine Vielzahl von rechtlichen Vorgaben erfüllen muss, angefangen beim Arbeitsschutz, den Arbeitsbedingungen bis hin zur Gewährleistung der Lohngleichheit für Mann und Frau, der Schaffung von Ausbildungsplätzen und natürlich all den sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen.
Wenn ein Subunternehmerauftrag ins Ausland vergeben wird, fallen all diese Auflagen, welche in letzter Konsequenz auch preistreibend wirken, weg. Auf der einen Seite schreibt der Staat den Unternehmen also vor, was sie alles einhalten müssen, und auf der anderen Seite schreibt der gleiche Staat vor, dass de facto nur der Preis das massgebende Kriterium bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen bilden müsse.
Solche Situationen wie eingangs geschildert dürfen in Zukunft nicht mehr passieren und stellen der öffentlichen Hand kein gutes Zeugnis aus. Während des parlamentarischen Prozesses sind in Bezug auf die Vergabe von Subunternehmerverträgen verpflichtendere Bestimmungen ins Gesetz aufzunehmen. Verschiedene Organisationen bleiben am Ball!