Kolumne zum Donnerstag: Die richtige Einstellung zum Alter
In der Kolumne zum Donnerstag schreiben Exponenten der Branche über das, was sie bewegt. Heute ist es Benedikt Koch, Direktor des Schweizerischen Baumeisterverbands.
Nicht das Alter ist das Problem, sondern unsere Einstellung dazu.» Eine Aussage wie geschaffen für die Abstimmungsarena zur Reform der Altersvorsorge 2020. Der hohe Regierungsvertreter, der sich so geäussert hat, sprach vor über 2000 Jahren darüber, wie wir für unseren Lebensabend vorsorgen sollten – weit über das Finanzielle hinaus. Es war Cicero, der berühmteste Redner der Antike.
Für ihn war klar: Einerseits soll jeder persönlich für sein Alter vorsorgen, nicht nur finanziell, sondern auch körperlich und geistig. Andererseits ist auch die Allgemeinheit in der Pflicht, damit kein Zwei-Klassen-Generationensystem mit verarmten und entrechteten Alten entsteht. Dies ganz im Gegensatz zum antiken Athen, wo ältere Bürger an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurden – ohne finanzielle Absicherung und ohne Mitspracherecht bei politischen Entscheiden.
In Rom blieb der Familienälteste bis ans Lebensende das Familienoberhaupt. Arbeiten musste er nicht mehr. War er zum Beispiel Beamter, endete seine Berufslaufbahn offiziell mit 60 oder 70 Jahren. Eine Rente im heutigen Sinne erhielt er nicht, war aber von diversen Bürgerpflichten befreit. Zudem profitierte er von einem Gesetz, das seine Nachkommen verpflichtete, für ihn im Alter zu sorgen. Dass die Altersvorsorge Privatsache blieb, lag an der Alterspyramide. Die Lebenserwartung betrug im Durchschnitt 30 Jahre. Da auf jeden Rentner über ein Dutzend Arbeitstätige kamen, war das Familienmodell problemlos finanzierbar.
Die durchschnittliche Lebenserwartung ist in den letzten 2000 Jahren bei uns auf über 80 Jahre angestiegen. Kein Wunder, dass das auf nicht mehr aktuellen Daten basierende staatliche Vorsorgesystem inzwischen überschuldet ist. Am 24. September stimmen wir ab, wie wir dies ändern wollen. Frei nach Cicero bin ich überzeugt: «Nicht der Reformwillen ist das Problem, sondern unsere Einstellung dazu.» Angesichts der Pensionierungswelle der geburtenstarken Jahrgänge braucht es Anpassungen in der Altersvorsorge.
Ja, es braucht eine Reform. Aber nicht das zur Abstimmung kommende, nur kurzfristig ausgerichtete Zwei-Klassen-System, bei dem die 45- bis 65-Jährigen gegenüber den Älteren wie auch den Jüngeren bevorteilt werden. Wir dürfen die chronisch defizitäre AHV nicht mit einem Leistungsausbau noch mehr in finanzielle Schieflage bringen.
Denjenigen, die dennoch damit liebäugeln, die Altersvorsorge 2020 mangels konkreter Alternativen anzunehmen, sage ich mit einem anderen Cicero-Zitat: «Je grösser die Schwierigkeit, die man überwand, desto grösser der Sieg.»