Kolumne von Nico Lutz: «Kurve gekriegt – und Pedale verloren»
In der Kolumne berichten Exponenten der Branche über das, was sie bewegt. Nico Lutz, GL-Mitglied der Unia, Präsident ISAB und des Informationssystems Allianz Bau, beschäftigt sich mit dem neuen Landesmantelvertrag und dem Schweizerischen Baumeisterverband.
Quelle: Unia
Nico Lutz ist GL-Mitglied der Unia, Präsident ISAB und des Informationssystems Allianz Bau,
Am 29. November 2022 um 03.20 Uhr in der Nacht haben die
Gewerkschaften und der Baumeisterverband den neuen Landesmantelvertrag für das
Bauhauptgewerbe unterschrieben. Nach neun zähen Verhandlungsrunden haben sich
die Vertragsparteien geeinigt. Man kann sich zu Recht fragen, warum es im Bau
immer so viel Krach gibt und so lange dauert. Oder man kann sich darüber
freuen, dass in einem der wichtigsten GAVs ein vertragsloser Zustand verhindert
werden konnte. Beides ist berechtigt. Was zählt: Der Landesmantelvertrag wurde
erneuert. Dies ohne die heute schon langen Arbeitstage der Bauarbeiter zu
verlängern und die Löhne der älteren Bauarbeiter zu reduzieren. Die Kurve
gerade noch gekriegt…
Und gleichzeitig scheint der Schweizerische
Baumeisterverband (SBV) etwas die Pedale verloren zu haben. Er organisiert
Vorstoss um Vorstoss im Parlament, um die Gewerkschaften zu diskreditieren. Der
Vorwurf: Sie würden sich zu Unrecht am Gesamtarbeitsverträgen bereichern.
Machen wir mal die Rechnung: Die Arbeitnehmer und die Firmen
im Bauhauptgewerbe zahlen in den Parifonds ein: 0,7 Lohnprozente die
Arbeitnehmer, 0,5 Lohnprozente die Arbeitgeber. So kommen pro Jahr rund 50
Millionen Franken zusammen. Mit dem Parifonds wird ein guter Teil der
beruflichen Weiterbildung in der Branche bezahlt. Das ist entscheidend –
gerade, wenn Fachkräfte fehlen. Das Ausbildungszentrum des Baumeisterverbandes
in Sursee ist weitgehend vom Parifonds finanziert.
Die Durchsetzung des Landesmantelvertrages wird ebenso vom
Parifonds bezahlt. Die Kontrollen, die paritätischen Kommissionen, die
Informationstätigkeit der Sozialpartner oder die Beratungen der Arbeitnehmer
und Firmen. All das sind wichtige und reglementarisch abgesicherte Leistungen.
Insgesamt gehen rund 30 Millionen Franken an die Arbeitgeberseite – an Firmen
sowie direkt an den SBV und seine Institutionen. Und weniger als 10 Millionen
Franken an die Arbeitnehmerseite – die Bauarbeiter und die Gewerkschaften. Die
restlichen Mittel gehen an Dritte, zum Beispiel für Lohnbuchkontrollen.
Und was macht Bernhard Salzmann, der Direktor des Baumeisterverbandes? Zum Beispiel in seiner Kolumne im Baublatt vom 20. Januar 2023? Er greift die Gewerkschaften frontal an, wenn sie für ihre Leistungen für die Gesamtarbeitsverträge entschädigt werden. Das seien «Kickbacks», behauptet Salzmann. Na ja. Der Baumeisterverband würde nach dieser Logik ein Mehrfaches an Kick-backs einstecken. Einmal mehr macht die Spitze des Baumeisterverbandes den gleichen Fehler: Sie greift mit Argumenten, die etwa so scharf sind wie ein feuchter Tannzapfen, die Gewerkschaften an – und versteht nicht, dass sie das gesamte System der GAVs sowie der Vertragspartnerschaft damit diskreditiert.
Nein, die Abgeltung von Leistungen welche die Vertragsparteien – die
Gewerkschaften und der Baumeisterverband – für den GAV erbringen, sind keine
Kickbacks. Diese Leistungen sind die unabdingbare Voraussetzung für die
Gesamtarbeitsverträge. Darum: Etwas die Pedale verloren. Achtung
Schleudergefahr!