Kolumne von Diana Gutjahr: «Materialkreisläufe versus Lieferengpässe»
In der Kolumne berichten Exponenten der Branche über das, was sie bewegt. Diana Gutjahr, Nationalrätin SVP und Präsidentin metal.suisse, beschäftigt sich mit Materialkreisläufen und Lieferengpässen.
Quelle: zvg
Diana Gutjahr ist Nationalrätin SVP, Präsidentin metal.suisse und Mitinhaberin der Ernst Fischer AG in Romanshorn.
Bereits Mitte 2021 zeichneten sich Lieferengpässe ab. Die Preise und Lieferfristen stiegen quasi bei allen Produkten rasant an. Gegen Jahresanfang planten wir die Rückkehr aus der Pandemie in die Normalität in den nächsten Monaten. Ab dem 24. Februar zerstörten russische Bomben nicht nur die friedliche Ukraine; sie machten auch unsere Pläne obsolet.
Die Energiepreise kletterten über Nacht in ungeahnte Höhen, Transportkapazitäten auf Strasse, Wasser oder Schiene sind noch immer kaum verfügbar. Die Lieferengpässe und Preiserhöhungen wurden dramatisch: Stahlwerke schlossen die Tore, ein Stillstand auf Baustellen und in Baubetriebe wurde befürchtet.
Die Lage auf der Versorgungsseite hat sich mittlerweile entspannt, und die Preise für viele Produkte sind spürbar zurückgekommen. Die Unsicherheit bleibt aber weiterhin hoch.
Die Versorgungsprobleme, denen wir uns bei den metallischen Werkstoffen gegenübersehen, sind hausgemacht. In der Vergangenheit haben wir uns um den metallischen Werkstoffkreislauf zu wenig bemüht. Er funktionierte quasi «von allein». Unsere heutige Abhängigkeit vom Ausland ist das Resultat. 1888 wurde am Rheinfall die erste Aluminiumhütte Europas gebaut. Die hochinnovative Alubranche hat leider zahlreiche Betriebe verloren, die heute im Materialrecycling eine grosse Rolle spielen könnten. Im Stahlbereich sieht es kaum anders aus. Uns sind zwei hochmoderne Recyclingbetriebe geblieben, die die Versorgung in der Schweiz mit 100 Prozent sekundären Materialien sicherstellen.
In der Schweiz wurden hohe Klimaziele gesteckt, und wir wollen auch als Branche unseren Beitrag dazu leisten. Ich bin überzeugt, dass unsere langlebigen Recyclingwerkstoffe eine grosse Rolle bei der Dekarbonisierung der Schweizer Wirtschaft spielen. Meine zweite Überzeugung ist, dass wir diese Herkulesaufgabe dann bewältigen werden, wenn jeder Werkstoff seine Stärke optimal ausspielen kann. Leider haben wir uns in der Vergangenheit politisch sehr auf die Förderung des Schweizer Holzes fokussiert.
Das einheimische Stahl- und Aluminiumrecycling haben wir sträflich vernachlässigt. Wir fahren Auto oder Velo und kochen in Töpfen aus Metall. Damit trägt jeder Haushalt zu einem Schrottaufkommen von jährlich 1,5 Millionen Tonnen hochwertigem Stahlschrott bei. Unser Bauprodukt Stahl ist heute schon zu 100 Prozent aus Schrott hergestellt und noch dazu beliebig oft ohne Qualitätsverlust recyclebar. Das Recycling findet dabei vor Ort statt. Ein Werk wie Stahl Gerlafingen produziert somit Recyclingprodukte aus der Region für die Region.
Längst hat in Europa ein Kampf um den knappen Rohstoff Schrott begonnen. Zudem hat man die Bedeutung der Stahlindustrie für die Dekarbonisierung erkannt. Zahlreiche Massnahmen des Green Deals der EU zielen in diese Richtung. Personal- und Energiekosten sind deutlich niedriger als in der Schweiz. Wollen wir die Lieferlücken nachhaltig bekämpfen, muss auch die Schweiz die geschlossenen Metallkreisläufe fördern.
Dazu gehören vor allem gleichlange Spiesse zur EU und eine Schrottstrategie, die dem Recycling in die Zukunft eine Zukunft gibt.