14:00 MEINUNG

Kolumne von Adrian Dinkelmann: «Sind wir fit genug?»

Geschrieben von: Adrian Dinkelmann
Teaserbild-Quelle: zvg

In der Kolumne berichten Exponenten der Branche über das, was sie bewegt. Adrian Dinkelmann, Geschäftsführer von Infra Suisse, zieht Parallelen zwischen Sport und Wirtschaft. Zum Beispiel was angemessene Wettkampfbedingungen und was im übertragenen Sinn Schiedsrichter anbelangt.

Adrian Dinkelmann Geschäftsführer Infra Suisse

Quelle: zvg

Adrian Dinkelmann ist Geschäftsführer von Infra Suisse.

Statistiken zufolge verkaufen Fitnessstudios in den Monaten Januar und Februar am meisten Abonnemente. Der Hauptgrund dafür liegt auf der Hand: Nach den Festtagen folgen die guten Vorsätze. Während wir privat auf die Waage oder in den Spiegel schauen, blicken auch Unternehmen und Branchenverbände zurück, um sich in den Geschäftsberichten mit guten Vorsätzen motiviert ins neue Jahr zu stürzen. Doch wie schneidet der Infrastrukturbau im Fitnesscheck ab?

Auf den ersten Blick nicht schlecht. Die Auswirkungen der Pandemie und des Ukraine-Kriegs erforderten zusätzliche Kraftakte. Während der Bauindex des Schweizerischen Baumeisterverbands und der Credit Suisse auch im öffentlichen Tiefbau eine stabile Entwicklung der Umsätze belegt, wurden die ohnehin schon unterdurchschnittlichen Margen im Bauhauptgewerbe zur zusätzlichen Belastung. Die Preise der Baumaterialien und die Lohnkosten stiegen, die Umsätze blieben ungefähr stabil. Also stemmte die Branche gleich viel Gewicht mit spürbar weniger Muskelmasse. Das ist auf die lange Frist ungesund.

Man hört immer wieder, dass der Schweizer Infrastrukturbau Weltklasse sei. Ja, auch ich bin davon überzeugt. Die Infrastrukturen sind zuverlässig, qualitativ hochstehend und meistens (!) decken sie den aktuellen Bedarf noch. Dies schlägt sich beispielsweise im Ländervergleich des Weltwirtschaftsforums (WEF) nieder, wo die Schweiz für ihre Infrastruktur regelmässig Bestnoten erhält. In der aktuellsten Rangliste liegt die Schweiz auf Platz 4.

Es wäre jedoch fahrlässig, sich auf die Äusserlichkeiten zu beschränken. Die Kollegen des Wirtschafts-Dachverbands Economiesuisse stellten den Schweizer Infrastrukturbau auf den Prüfstand. Mit einer niederschmetternden Diagnose: Die Schweiz leide an einer «Infrastruktur-Sklerose». Die Symptome seien komplex und heimtückisch: Überlastung der Verkehrswege, Verstopfung der Bewilligungsprozesse, Alterserscheinungen bei zentralen Infrastrukturen sowie steigende Anforderungen bezüglich Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Versorgungsnetze. Wir sind also erkältet, während uns eine regelrechte Bergetappe bevorsteht.

Ich möchte beim illustrativen Vergleich mit dem Gesundheitszustand bleiben: Der Blick in die Zukunft zeigt, dass es höchste Zeit ist, vom einfachen Fitness-check und dem Wohlfühlprogramm in ein echtes Konditionstraining einzusteigen. Homöopathie reicht nicht aus, um gröbere Folgen zu verhindern. Denn die Momentaufnahmen internationaler Rankings steigern weder die Produktivität noch die Profitabilität von Unternehmen. Der Preisdruck trotz neuem Beschaffungsrecht, die Abwälzung von Risiken auf die Privatwirtschaft und die Flaschenhälse in den Bewilligungsprozessen können durch gute Rankings in theoretischen Studien nicht wettgemacht werden.

Sport und Wirtschaft haben offenbar einiges gemeinsam. In erster Linie liegt es in den Händen und vor allem im Ehrgeiz der Athletin oder des Athleten. So verhält es sich auch bei uns. Der Verband und die Unternehmen sind gefordert. Wir haben einen Plan, wie wir fit werden für die Zukunft: Es braucht eine konsequente Ausrichtung auf die Digitalisierung. Die allgegenwärtige Nachhaltigkeits- und Klimadebatte sind als Chance zu betrachten. Das Denken in Wertschöpfungsketten mit einer ernst gemeinten Zusammenarbeitskultur stärkt die Wirtschaftlichkeit, und das Ausprobieren neuer Ansätze führt zu echter Innovation.

Doch wenn wir schon beim Sport sind, fordern wir auch angemessene Wettkampfbedingungen und Schiedsrichter, die den Spielfluss nicht behindern. Mit anderen Worten: Nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Bauherren und das politische Umfeld sind gefordert. Die Bewilligungsverfahren sind endlich zu straffen, die administrativen Hürden aus dem Weg zu räumen. Davon sprechen wir schon lange, jetzt ist es höchste Zeit! 

Die steigenden Anforderungen, die Bevölkerungsentwicklung und die Mobilitätsbedürfnisse zeigen alle in eine Richtung. Das unterstreicht, dass ein reiner Erhalt der Infrastrukturen nicht ausreicht. Die chronische Überlastung der Verkehrswege nimmt durch ein Ausspielen der verschiedenen Verkehrsträger und ideologische Ansichten nicht ab. Im Gegenteil: Die Lebensader der Verkehrswege wird wortwörtlich verstopft. Darunter leiden auch andere Branchen, denn das System ist äusserst vielseitig vernetzt.

Die Infrastrukturbauer stehen mit guten Vorsätzen in den Startblöcken. Doch dafür muss das Rennen lanciert werden, bevor der Stillstand zu Krampferscheinungen führt.

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Geschäftsführer von Infra Suisse.

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