Kolumne von Adrian Dinkelmann: «Die planerischen Mühlen mahlen langsam»
In der Kolumne berichten Exponenten der Branche über das, was sie bewegt. Heute beschäftigt sich Adrian Dinkelmann, Geschäftsführer von Infra Suisse, mit langen Bewilligungsverfahren für Projekte im Infrastrukturbau.
Quelle: zvg
Adrian Dinkelmann ist Geschäftsführer von Infra Suisse.
An den Bahnhöfen fröstelt man morgens, den Autos werden die Winterreifen aufgezogen, und auf den Baustellen kleidet sich das Personal wieder wärmer. Das Jahr neigt sich bald dem Ende zu, und wir erkennen, wie schnell die Zeit vergeht.
Im Infrastrukturbau spielt der Faktor Zeit eine besondere Rolle. Pünktlichkeit wird nicht erst im Betrieb, sondern bereits beim Bau vorausgesetzt. In der Schweiz ganz besonders: Die Verkehrswege werden grösstenteils unterhalten oder gebaut, während der Betrieb weiterläuft. Wirtschaft und Gesellschaft sind mobil und erwarten keine Einschränkungen auf der Lebensader der Verkehrswege.
Dennoch führen externe Einflüsse dazu, dass Projekte verzögert oder sogar verhindert werden. Lange Bewilligungsverfahren bringen die wichtigen Infrastrukturprojekte ins Stocken.
Während operativ auf den Baustellen hoher Zeitdruck herrscht, mahlen die planerischen und strategischen Mühlen langsam. Man könnte nun die Politik kritisieren, die Verwaltungen beschuldigen oder die Planer an den Pranger stellen. Das geschieht ja auch: Gegenseitige Schuldzuweisungen gehören zum Alltag. Rolf H. Meier, ehemaliger Kantonsingenieur im Aargau, schrieb kürzlich: «Eine weit verbreitete Misstrauens-Kultur zwischen Bauherren, Planern und Unternehmern hat sich so entwickelt. Ein grosser Teil der personellen Ressourcen wird durch damit verbundene Konflikte absorbiert».
Ich bezweifle, dass wir uns dies gerade im aktuellen Umfeld leisten können. Ich verstehe den Infrastrukturbau als Staffel-Lauf: Jeder läuft seinen Streckenabschnitt. Erfolgreich ist die Staffel jedoch nur, wenn auch die Stabsübergabe fliessend läuft. Effizienz geht dort verloren, wo die Schnittstellen nicht funktionieren. Die Chancen der Digitalisierung oder der Kreislaufwirtschaft können jedoch nur mit ganzheitlichen Ansätzen und effizienten Übergaben genutzt werden.
Die Zusammenarbeitskultur innerhalb der Wertschöpfungsketten muss deshalb gestärkt werden. Damit befasst sich Infra Suisse unter anderem auch an der Infra-Tagung vom 26. Januar 2023 in Luzern. Wir blicken über den Tellerrand hinaus, fragen uns aber auch, welchen Beitrag die Branche selbst leisten kann. Ich bin überzeugt, dass traditionelle Zusammenarbeitsmodelle hinterfragt und innovative Ansätze erarbeitet werden müssen. Mit der Revision des Beschaffungsrechts sind Grundlagen geschaffen worden, um beispielsweise kooperative Verfahren stärker gewichten zu können.
Das Dialogverfahren erlaubt den Einfluss konkreter Lösungsvorschläge zu einem frühen Zeitpunkt. Das ist sinnvoll. Denn wo, wenn nicht bei den Unternehmen, liegen die Kompetenzen und das Innovationspotenzial? Während es dazu klare Eignungs- und Zuschlagskriterien braucht, appellieren wir aber auch an den gesunden Menschenverstand. Der Versuch, gemeinsam die Differenzen zu bereinigen und die strittigen Punkte in einem Schlichtungsverfahren zu regeln, sollte näher liegen als der Gang vors Gericht. Dies führt zu niederschwelligen Lösungen, die viel Zeit, Geld und Nerven sparen. Die Zeit läuft, also rennen wir diese Staffel gemeinsam.