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Bernhard Salzmann: «Raus aus Katz-und-Maus-Spiel bei öffentlichen Vergaben»

Geschrieben von: Bernhard Salzmann
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Bernhard Salzmann ist Direktor des Schweizerischer Baumeisterverbandes (SBV). In seiner Kolumne kritisiert er das öffentliche Beschaffungswesen, dessen Bauaufträge an die billigsten Anbieter gehen – ohne Rücksicht, ob dabei die Qualität stimmt. Er fordert, den Qualitätswettbewerb ernst zu nehmen und das neue Vergaberecht konsequent mit der Verlässlichkeit des Preises als Schlüsselprinzip anzuwenden.


Bernhard Salzmann

Quelle: zvg

Bernhard Salzmann ist Direktor des Schweizerischer Baumeisterverbandes (SBV).

Vor der Revision des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) gingen neun von zehn Ausschreibungen an den billigsten Anbieter – ohne Rücksicht darauf, ob dabei die Qualität stimmt. Seitdem hat sich nur wenig gebessert, wie der aktuelle Vergabemonitor der Schweizer Bauwirtschaft belegt. Auch am dritten Jahrestag der Inkraftsetzung des revidierten BöB und der daraus abgeleiteten IVÖB-Vereinbarung der Kantone sind wir weit entfernt vom erhofften Paradigmenwechsel vom reinen Preisdiktat hin zum nachhaltigen Qualitätswettbewerb. 

Dies ist insbesondere zum Nachteil der Bauherren, die im Auftrag der Öffentlichkeit und der Gesellschaft mit Steuergeldern Bau- und Infrastrukturprojekte finanzieren. Anstatt sich in einem Qualitätswettbewerb auf ein möglichst gutes Resultat mit dem besten Preis- Leistungsverhältnis zu konzentrieren, befeuern die öffentlichen Bauherren mit den Vergaben zum billigsten Preis das altbekannte Katz-und-Maus-Spiel der Nachforderungen, basierend auf fehler- oder lückenhaften Ausschreibungen. 

Indem sie, rückwärtsgewandt und in der alten Gesetzgebung verharrend, einzig auf die Offerte mit dem tiefsten Frankenbetrag aus sind und auch so ausschreiben, zwingen sie die Bauunternehmen geradezu zu Tiefstangeboten. Um trotz der in die Tiefe gedrückten Preise noch irgendwie in den schwarzen Bereich zu kommen, werden die Anbietenden durch solche Tiefpreisvergaben regelrecht dazu gedrängt, in Ausschreibungen Schwachstellen aufzuspüren, um Nachträge stellen zu können. Die Folgen: Die Zusammenarbeit auf den Baustellen leidet, weil bei allen Beteiligten der juristische Aufwand steigt und die Freude am Bauen umso mehr sinkt. 

Dabei wäre es der Wille der Gesetzgeber, den antrainierten Reflex der Vergabe an das jeweils billigste Angebot zu beseitigen. Denn Öffentlichkeit und Gesellschaft haben zu Recht den Anspruch, dass bei staatlichen Investitionen aus Steuergeldern qualitativ hochstehende Bauwerke mit einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis entstehen – und als weiterer Vorteil des Qualitätswettbewerbs die Projektabwicklung auf ein gutes Resultat fokussiert ist.

Der Qualitätswettbewerb weist einen Weg aus diesem Szenario. Damit dieser auf allen Baustellen der öffentlichen Hand Realität werden kann, ist es zwingend, dass die Überdominanz des billigsten Preises relativiert wird. Neben einer tieferen Gewichtung des offerierten Frankenbetrags insgesamt ist die «Verlässlichkeit des Preises» hierzu das zentrale Zuschlagskriterium, das der Gesetzgeber vorgesehen hat. 

Die Baubranche setzt auf dieses Kriterium. Der Dachverband Bauenschweiz hat die Grundlagen in der Publikation «Umgang mit dem Zuschlagskriterium: Verlässlichkeit des Preises» veröffentlicht, um aufzuzeigen, wie dies wirkungsvoll eingesetzt werden kann. Die Baubranche lädt die öffentlichen Bauherren ein, sich daran zu orientieren und so aus dem alten Katz-und-Maus-Spiel der Nachforderungen wegen Bauherrenfehlern bei Ausschreibungen auszubrechen. Dies gelingt, wenn der Qualitätswettbewerb ernst genommen und das neue Vergaberecht konsequent mit der Verlässlichkeit des Preises als Schlüsselprinzip angewendet wird. Wer stattdessen in der alten preisreduzierten Welt verharrt, verhindert den überfälligen Qualitätswettbewerb. Die Grundlagen sind publiziert. Sie müssen nun konsequent angewendet werden. Die Bauwirtschaft ist bereit dazu. 

Informationen zur Publikation

Unter diesem Link kann das Dokument «Umgang mit dem Zuschlagskriterium: Verlässlichkeit des Preises» von Bauenschweiz abgerufen werden: www.bauenschweiz.ch

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Direktor des Schweizerischen Baumeisterverbandes.

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