12:51 MANAGEMENT

Schauspieler Andrea Zogg: Vom Bau auf die Bühne

Geschrieben von: Simone Matthieu
Teaserbild-Quelle: René Ruis

Wäre alles nach Plan gelaufen, würde Andrea Zogg heute wahrscheinlich nicht als Schauspieler, sondern als Bauunternehmer seine Brötchen verdienen. Sicherlich hätte er auch im Beruf seiner Vorväter mit seinem Charisma gepunktet. Doch der Schweiz wäre einer der begabtesten und bekanntesten Charakterdarsteller verloren gegangen.

Andrea Zogg

Quelle: René Ruis

Andrea Zogg ist auf den Baustellen seines Vaters gross geworden - und wurde dennoch Schauspieler.

Andrea Zogg hat für das Treffen mit dem Baublatt die Lokremise beim Bahnhof St. Gallen vorgeschlagen. Der Gebäudekomplex wurde zu einem einladenden Kultur-Areal umgestaltet. Der Schauspieler und Regisseur ist bester Laune. Mit ein Grund ist eine ganz neue Erfahrung: «Ich kriege jetzt Geld, einfach so», flachst er. Vergangenen November wurde er pensioniert. Zudem steckt er mitten in einer Art Zwischenjahr. «Die Umstände haben es ergeben, dass ich erst kommenden Herbst wieder Projekte habe.» Das stört ihn aber nicht, im Gegenteil: «Die Pause tut unglaublich gut.»

Der 66-Jährige geniesst die freie Zeit mit dem Pflegen von Freund- und Bekanntschaften, Kulturgenuss und Reisen. Nach unserem Gespräch sieht er einen Kollegen – das Treffen macht er spontan per Telefon, ab, als er realisiert, dass nach dem Interview noch Zeit bleibt bis zum geplanten Abendessen mit seinem Sohn und dessen Frau. Nach dem Essen gönnt er sich dann allein das Mozart-Requiem, das gerade in der Gallusstadt aufgeführt wird. Zogg ist ein begeisterter Opernliebhaber, hat auch schon diverse der klassischen Musikdramen selbst inszeniert.

Die Leidenschaft für Opern weckte Vater Zogg in seinem Sohn: «Wenn er Schuhe kaufen gehen sollte, kam er etwa mit der ‹Zauberflöte› heim. Wir hörten die Platten rauf und runter.» Der damals achtjährige Andrea hätte nicht sagen können, ob ein damals aktueller Hit von Uriah Heep oder Status Quo ist. «Aber viele klassische Werke erkannte ich nach ein paar Takten.»

Sommerferien auf dem Bau

Der Vater war in vielerlei Hinsicht ein Vorbild. Er führte das von Grossvater Zogg gegründete Bauunternehmen in Tamins und Chur in Graubünden. «Als 14-Jähriger wusste ich in den Sommerferien nicht viel mit mir anzufangen», erinnert sich Andrea Zogg. «Mein Vater gab mir Jobs in der Firma. Er stellte mich etwa als Verkehrsregler an eine Strasse, die saniert wurde. Es hatte zwar Ampeln, doch es gab immer wieder Autofahrer, die versuchten, noch bei Rot durchzukommen.» Heute tun ihm die Leute leid, die den ganzen Tag in Baumontur den Verkehr an Baustellen regeln müssen. «Das ist wirklich ein sterbenslangweiliger Job.» Um etwas mehr Aktion in die Szenerie zu bringen, heckte Zogg junior Streiche aus. «Einmal setzte ich die Ampeln an beiden Seiten auf Grün – nur, um zu sehen, was passiert», meint er mit diebischem Grinsen.

Als Ampelmann wurde er später nicht mehr eingesetzt. Stattdessen hiess es Ziegel schleppen und Sand holen. Selbst das Wochenende verbrachte er mit seinem Vater auf den Baustellen. «Das war ein Highlight – ich durfte mir aus der Kantine jeweils ein Orangina und einen Servelat holen.»

Alles war schon eingefädelt, dass Andrea einst in die Fussstapfen seines Vaters treten könnte. «Ich absolvierte den Matura Typus C – also Mathematik - und sollte danach Zeichner lernen.» Doch dann traf die Familie ein harter Schicksalsschlag: Zogg senior musste seine Nieren ersetzen lassen. «Er war einer der ersten mit einer Nierentransplantation», erzählt sein Sohn. «Es war allerdings von Anfang an klar, dass er damit maximal zehn Jahre zusätzliche Lebenszeit gewonnen hat.»

Hinzu kam, dass es zwischen Vater Zogg und seinem damaligen Kompagnon nicht mehr «geigte». «Als er seinen Anteil an Zogg und Schneller 1973 verkaufte, war ich gerade mal 15 Jahre alt», sagt Andrea Zogg. Das Thema Nachfolge war damit vom Tisch. Doch selbst wenn er den geplanten Weg weitergegangen und nach der Ausbildung zwischen 20 und 24 Jahren ins Geschäft eingestiegen wäre, hätte das kaum für gute Stimmung gesorgt: «Als Frischling mit dem erfahrenen Geschäftspartner meines Vaters zu arbeiten, wäre nicht gut gekommen», ist er überzeugt.

Auf den Spuren des Grossvaters?

Dank der neu gewonnenen Freiheit konnte der Teenager seine Zukunft nach eigenem Gusto gestalten. Schon als Kind und Jugendlicher habe er andere so treffend nachgeäfft, dass den Umstehenden die Lachtränen kamen. Er vermutet, dass das in den Genen liegt: «Mein Grossvater war begeistertes Mitglied des Dorftheaters in Tamins. Noch heute erzählt man, mein Opa sei ein Improvisationstalent erster Güte gewesen und die Zuschauer seien regelmässig am Boden gelegen vor Lachen, wenn er die Bühne betrat.» Ebenfalls heisst es über Grossvater Zogg, er habe den Tunnel oberhalb von Tamins gebaut. Sein Enkel vermutet allerdings, dass er eher in der Beiz gesessen, denn gearbeitet habe.

Nachdem der Bau keine berufliche Perspektive mehr bot, begleitete das Handwerk Andrea Zogg als Hobby durchs Leben. Mit seiner Frau, Autorin und Regisseurin Eva Roselt (64), wohnten er überall in Europa. Die beiden kauften sich stets halbbaufällige Häuser, die sie dann renovierten. «Wir haben immer umgebaut  alle unsere Häuser – angefangen mit der ersten Bleibe im Elsass, als wir noch ganz jung waren.»

Wenn «Nomaden» bauen

Danach kam das Elternhaus im Tamins GR unter ihre Fittiche, gefolgt vom einem 300-Quadratmeter-Bau für vier Parteien im deutschen Bremen, auch in Spanien verbrachten sie ein paar Jahre. «Das Bauen war immer eine Nebenbeschäftigung für uns. Wir wechseln alle sieben bis zwölf Jahre unseren Wohnsitz, sind eher Nomaden, als Sesshafte.» Roselt hatte kurz Architektur studiert, sie macht jeweils die Planung für den Umbau. «Natürlich holen wir bei Bedarf Fachleute hinzu, doch ich helfe immer mit – was es halt grad braucht; meist als Handlanger, da meine Feinmotorik nicht so ausgeprägt ist», scherzt Zogg. «Da passt etwas Grobes besser zu mir – etwa das Austoben mit der Kettensäge im Wald.»

Im Klettgau, gleich hinter der Schweizer Grenze besitzt Zogg ein Waldstück. Ursprünglich hatte ein Haus dazu gehört, das allerdings längst wieder verkauft wurde. Die 4000 Quadratmeter Forst hat Zogg behalten. Er liebt es, mit seiner Stihl-Motorsäge im Anschlag, das Unterholz aufzuräumen. «Für mich ist das Erholung und Ausgleich, etwas mit den Händen zu tun», erklärt er. Der bislang letzte Umzug geschah vor vier Jahren. Zogg-Roselts zog es nach Valzeina GR, eine halbe Stunde von Tamins entfernt. Natürlich bedurfte auch die neue Unterkunft einer Renovation: «Fenster, Böden, Decken – musste neu gemacht werden.» Als sich Andrea an seinem neuen Wohnort etwas umsah, entdeckte er in der gegenüberliegenden Garage eine Schalltafel, die seine Aufmerksamkeit auf sich zog: «Sie ist noch beschriftet mit dem Logo des ehemaligen Geschäfts meines Vaters, ‹Zogg und Schneller und dient der Gemeinde heute noch als Warnsymbol bei Lawinengefahr.»

Wenn im Bündnerland noch Schnee liegt, fahren Eva und Andrea Zogg-Roselt oft in die Südschweiz und geniessen das warme Klima am Lago Maggiore. Gerade jetzt allerdings, in Zoggs Pausenjahr, plant das Paar einen Auslandaufenthalt. Destination noch unbekannt. «Wir schauen, wo schönes Wetter ist und reisen spontan dahin.»

Im Herbst geht es dann wieder los. Einiges steht an, darunter ein Vierpersonenstück mit seiner Frau. Hinzu kommt ein Projekt, das Zogg seit längerem umtreibt: «Ich möchte ein Schauspiel mit grossem Orchester auf die Beine stellen.» Es habe sich anfangs schwierig gestaltet, entsprechende Partner zu finden. Das ist nun gelöst. Und selbst Zoggs Liebe zur Oper soll nicht zu kurz kommen.

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Freie Mitarbeiterin für das Baublatt.

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