Chefsache mit Esther Keller: «Den Blick nach vorne richten»
Esther Keller ist Vorsteherin des Bau- und Verkehrsdepartements des Kantons Basel Stadt. In der Interview-Serie «Chefsache» nimmt sie Stellung zu Fragen rund um das Thema Führung.
Quelle: Nico Schmied
Esther Keller ist Vorsteherin des Bau- und Verkehrsdepartements des Kantons Basel Stadt.
Was macht Sie zu einer guten Chefin?
Esther Keller: Ich führe so wie ich selbst gerne geführt
worden bin: Mit einer Balance aus klaren strategischen Vorgaben und
Gestaltungsspielraum in der Umsetzung. Ich begegne meinen Mitarbeitenden mit
Respekt, bringe ihnen Vertrauen entgegen und erwarte vice versa, dass sie
mitdenken und sich einbringen. Das stärkt die Identifikation mit der Tätigkeit
und die Freude daran. Ob das eine gute Chefin ausmacht? Das müssen andere
beurteilen.
Was glauben Sie, was sagen Ihre Mitarbeitenden über Sie?
Dass ich ihnen zuhöre und sie ernst nehme, egal auf welcher
Funktionsstufe. Im Alltag sind für mich Hierarchien weniger entscheidend als
die richtige Team-Zusammensetzung für eine spezifische Diskussion oder
anstehende Entscheidung.
Wie gehen Sie mit Kritik um?
Ich überlege mir, welche Inhalte der Kritik mich
weiterbringen. Kritik abzuwehren oder zu überhören, bringt einen nicht weiter.
Bei welchen wichtigen Entscheiden haben Sie sich schon
einsam gefühlt?
Ich fälle meine Entscheide nicht im luftleeren Raum, sondern
auf Basis von Gesprächen mit meinem Umfeld in und ausserhalb des Departements.
Deshalb fühle ich mich nicht einsam mit Entscheiden.
Wie schätzen Sie die aktuelle Lage der Bauwirtschaft ein?
Durch unsere zahlreichen Bauprojekte sind wir in engem
Kontakt mit den Bauunternehmen und merken, wie sehr alle Beteiligten mit
Lieferengpässen und Rohstoffknappheit zu kämpfen haben. Das ist kurz- und
mittelfristig ein Problem, für das wir eine gemeinsame Lösung finden müssen.
Sehen Sie in der Digitalisierung eine Chance oder eine Gefahr?
Natürlich eine Chance. Ich denke da beispielsweise an
digitale Gebäudezwillinge, die während des gesamten Lebenszyklus für eine
bessere Klimabilanz sorgen – von der Energieeffizienz in der Bewirtschaftung
bis hin zur Wiederverwertung von Baustoffen beim Rückbau.
Welche Möglichkeiten sehen Sie, das Image der Baubranche zu
verbessern?
Ich spüre zurzeit einen grossen Innovationswillen, der
sicher auch dem erhöhten Klimabewusstsein geschuldet ist. Die Bauunternehmen
haben erkannt, dass sie ein Teil der Lösung sein können. Die bisherige
Ökobilanz im Bereich Bau und Betrieb ist nicht befriedigend.
Welche Probleme sollte die Politik sofort angehen?
Für mich ist die grosse Herausforderung der nächsten Jahre
die konkrete Umsetzung der Klimaziele, die wir uns auf nationaler und
kantonaler Ebene gesetzt haben und weiter setzen werden. Es ist immer
einfacher, auf abstrakter Ebene mit einem Ziel einverstanden zu sein, als dann
tatsächlich Veränderungen im Alltag zu akzeptieren.
Was wünschen Sie der Schweiz?
Dass wir den Blick nach vorne richten, auf kommende
Generationen, und unsere Entscheide unter dieser Perspektive fällen. Da gilt es
auch mal, eigene Interessen etwas zurück zu stecken.
Welche Fähigkeiten möchten Sie besitzen?
Es gibt Menschen, die können sich ins Bett legen und innert
Minuten einschlafen. Das wäre nach vollen Tagen mit tausend Eindrücken zuweilen
hilfreich.
Als welches Tier würden Sie gerne ein zweites Mal leben?
Als Tiefsee-Wesen. Das ist eine Welt, die man als Mensch
kaum je entdecken kann und die sicher unvorstellbar spannend und vielfältig
ist.
Wie bringen Sie Beruf und Privatleben unter einen Hut?
In all meinen bisherigen Tätigkeiten gab es nie eine
trennscharfe Linie zwischen Beruf und Privatleben. Mein Beruf ist für mich
Inspiration und Lebensenergie, so wie mir private Begegnungen Inspiration und
Energie für den Beruf liefern. Und erstaunlicherweise bleibt trotz langer
Arbeitstage noch Zeit für den Teamsport. Sobald Bälle fliegen, bleibt wenig
Zeit, um über anderes nachzudenken. (cet)
Chefsache
In der neuen Interview-Serie «Chefsache» nehmen bekannte Exponenten der Bauwirtschaft in loser Folge Stellung zu Fragen rund um das Thema Führung. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhalten die gleichen 20 Fragen, von denen sie zwölf aus-wählen und schriftlich beantworten können.