Arbeitsbarometer der Travail Suisse: Weniger Angst vor Stellenverlust und mehr Stress
Die rekordtiefe Arbeitslosigkeit und der Fachkräftemangel wirken sich auch auf die Arbeitnehmer aus. Die Sorge vor einem Jobverlust sinkt, über eine halbe Million plant wegen Stress einen Stellenwechsel. Das zeigt der seit 2015 jährlich von Travail Suisse und der Berner Fachhochschule (BFH) mittels einer Umfrage erhobene „Barometer gute Arbeit“.
So wenige wie noch nie seit Beginn der Barometer-Erhebungen sorgen sich um den Verlust ihres Arbeitsplatzes, nämlich gerade Mal 11.2 Prozent. Weiter zeigt die Umfrage, dass 54 Prozent der Arbeitnehmer bei der Weiterbildung durch ihre Arbeitgeber gefördert werden, das sind 5.6 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. „Arbeitgeber scheinen den Wert von Weiterbildung für ihre Mitarbeitenden immer mehr zu erkennen, das ist positiv“, sagt Gabriel Fischer, Leiter Bildungspolitik bei Travail Suisse und Projektleiter des Barometers. „ Dennoch werden viele tiefer Qualifizierte und Teilzeitarbeitende allein gelassen, hier besteht weiterhin grosses Verbesserungspotenzial.“
Mehr Stress?
Wie Travail Suisse in der Mitteilung zum Barometer schreibt, hat sich Stress in den letzten Jahren als grösstes Problem der Arbeitswelt manifestiert. Seit 2016 habe der Anteil gestresster Arbeitnehmender von 37.8 auf 43 Prozent zugenommen. Um die Arbeitsanforderungen erfüllen zu können ist für zwei Drittel der Angestellten mindestens gelegentliches Arbeiten in der Freizeit Alltag, wie aus der Umfrage hervor geht. Und jeder dritte oder 650‘000 zieht gemäss dem Barometer einen Stellenwechsel aufgrund von Stress in Betracht. Laut Travail zeigt diese Zahl einen „akuten Handlungsbedarf“. „Stressbekämpfung muss deshalb zu einer politischen Priorität werden“, fordert Travail-Suisse -Präsident Adrian Wüthrich und führt den Schutz der Gesundheit und die Volkswirtschaft an.
Unternehmen, die mehr als 100 Mitarbeiter beschäftigen, sind per Gleichstellungsgesetz zu einer Lohnanalyse und einer entsprechenden Information gegenüber ihren Angestellten verpflichtet. Wenige Monate vor Ablauf dieser Frist am 30. Juni 2023 bestätigten hingegen lediglich 25.2 Prozent der Angestellten der vom Gesetz betroffenen Unternehmen eine solche Kommunikation, heisst es in der Medienmitteilung. „Nach der Erhöhung des Frauenrentenalters wird die Beseitigung der Lohndiskriminierung dringender denn je“, wird Travail-Suisse -Vizepräsidentin Léonore Porchet Das Barometer in der Medienmitteilung zitiert.
Starre Hierarchien als Problem
Das Barometer erfasst auch übergeordnete Merkmale für problematische Arbeitsbedingungen. So wirken sich körperliche Tätigkeiten oder zu starre Hierarchien durchs Band negativ auf die Beurteilung der Qualität der Arbeitsbedingungen aus. Auffallend seien die Effekte im Gesundheits- und Sozialwesen, schreibt Travail Suisse. Laut dem Baromater beurteilen diejenigen, die in dieser Branchen arbeiten, die Arbeitsbedingungen schlechter als in den übrigen Branchen.
Des Weiteren wird die aktuelle Teuerung von den Befragten als
starke Belastung erachtet. Ein Verlust der Kaufkraft sei schmerzhaft und stelle
ein volkswirtschaftliches Risiko dar, schreibt Travail Suisse. Wüthrich dazu: „In
diesem Lohnherbst sind generelle Lohnerhöhungen zum Erhalt der Kaufkraft der
Arbeitnehmenden das Gebot der Stunde.“ (mai/mgt)