10:39 KOMMUNAL

Wie künftig die Bürger informieren?

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Was können die Gemeinden tun, damit die Bürger trotz kriselnder Lokalpresse über die notwendigen Informationen zur lokalpolitischen Meinungsbildung verfügen? Das Kommunalmagazin hat bei involvierten Akteuren nachgefragt.

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Wie erreichen die Gemeinden ihre Bürger, wenn die Lokalpresse als Intermediär in der Krise ist?

Eine neue Studie weist nach: Je weniger die Medien über lokale Politik berichten, desto tiefer ist die Wahlbeteiligung in den Gemeinden. Gleichzeitig nimmt die Zahl der eigenständigen Regional- und Lokalzeitungen laufend ab. Diese Entwicklungen sind gefährlich für die Demokratie auf lokaler Ebene (Artikel dazu hier; Interview mit dem Studienautor hier). Was heisst das für die Gemeinden? Wir haben bei Verbänden, Politik, Medien, Wissenschaft und Wirtschaft nachgefragt.

«Chancen der Digitalisierung nutzen»

Die abnehmende lokale Berichterstattung hat bei diversen Gemeinden eine Gegenreaktion ausgelöst. So nehmen gewisse selber die Rolle als Kleinverleger ein oder unterstützen eine Gemeindezeitung direkt finanziell.

Ein gutes Beispiel für eine etablierte Dorfzeitung ist die «Tüüfner Poscht». Sie entstand einst auf Initiative der Kulturkommission der Gemeinde Teufen AR, mit der Absicht, die Informationsbedürfnisse der Bevölkerung abzudecken und den Zusammenhalt in der Gemeinde zu stärken. Heute ist die Trägerschaft ein Verein, mit der Gemeinde besteht eine Leistungsvereinbarung. Ein weiteres Beispiel ist das Magazin «Wir Langnauer», das die Gemeinde Langnau am Albis herausgibt und dessen Ziel es ist, der Bevölkerung unabhängig Informationen zu bieten.

Daneben eröffnet die Digitalisierung neue Möglichkeiten. Der Schweizerische Gemeindeverband unterstützt den digitalen Dorfplatz «2324.ch». Diese Online-Plattform fördert den Dialog zwischen Bevölkerung, Vereinen und Gemeindeverwaltung. Er kombiniert die Funktionen einer Lokalzeitung mit denen eines sozialen Netzwerkes. Einwohner lesen Mitteilungen und können selbst Beiträge erstellen, kommentieren oder abonnieren – auch im Namen ihrer Vereine oder anderer lokaler Organisationen. Solches liegt im Interesse jeder Gemeinde.

«Direkt kommunizieren und lokale Medien stärken»

Je stärker die Zentralisierungstendenzen der Medienlandschaft, desto wichtiger wird für die Städte die direkte Kommunikation mit ihrer Bevölkerung: Klassische Instrumente wie Flyer und Broschüren, Plakatkampagnen, das persönliche Gespräch auf der Strasse oder Informationsanlässe im Quartier gehören ebenso zur städtischen Behördenkommunikation wie Partizipationsverfahren in Workshops oder via Civic-Tech-Netzwerke – also internetgestützte Verfahren, die eine Beteiligung der Bürger am politischen Entscheidungsprozess ermöglichen.

Die städtischen Webseiten vermitteln nicht mehr nur Informationen, sondern sind auch Dienstleistungsportale und Online-Schalter. Vielerorts sind heute auch Social-Media-Kanäle wie Facebook, Twitter oder Youtube fixer Bestandteil der Behördenkommunikation, wobei dem Datenschutz, Filterblasen und Algorithmen ein besonderes Augenmerk gelten muss.

Zugleich werden traditionelle Medien mittelfristig wohl weiterhin das Rückgrat der lokalen Behördenkommunikation bilden. Aus kommunaler Sicht ist es deshalb wichtig, dass sich die Politik der Bedeutung einer vielseitigen, dezentral verankerten Medienlandschaft bewusst ist und dass sie auch angemessene Modelle zur Förderung des Lokaljournalismus findet. Eine funktionierende Demokratie braucht unabhängige Medien.

«Städte und Gemeinden werden die ‹Verleger› der Zukunft sein»

Die Lokalpresse, welche wesentlich zur Meinungsbildung beiträgt, schwindet. Die Art, wie Menschen kommunizieren, hat sich grundlegend verändert. Da sich diese unabhängig von Zeit und Ort beteiligen und ihre Interessen einbringen wollen, eignen sich zeitgemässe digitale Plattformen in Form von Smartphone-Apps optimal. Aufgrund dieser Tatsachen
müssen sich Gemeinden und Städte mit verlegerischen Tätigkeiten auseinandersetzen und für die Einwohner alternative Möglichkeiten anbieten.

Im Zentrum stehen «digitale Dorfplätze», bei Städten «Quartier-Apps», welche zur Partizipation beitragen. Über Foren, Pinnwände oder Marktplätze kann für Einwohner, Vereine und Schulen, aber auch Medien oder andere Institutionen, der Zugang zur Lokalpolitik oder Debatte ermöglicht werden. Für den Betrieb solcher Plattformen braucht es jedoch nebst der Technik ein klares «Redaktionskonzept», welches etwa die Kommunikationsflüsse und Richtlinien zwischen Kommunikationsbeauftragten und der Bevölkerung regelt.

Zudem sind interessierte «Kümmerer» oder «Influencer», welche aktiv mitwirken, unumgänglich. So können wieder «Communities» entstehen, welche einen starken Bezug zum Wohnort haben und die lokalpolitische Meinungsbildung stärken.

«Lokal- und Regionalzeitungen stützen die Demokratie»

In Bezug auf die Gemeindepolitik haben Lokalzeitungen eine wichtige Funktion. Sie berichten neutral, ordnen ein, stellen kritische Fragen. Die Stimmenden können so eine objektive Meinung entwickeln.

Es reicht nicht, wenn die Gemeindebehörden Informationen nur auf ihre Website stellen oder in einem Gemeindeblatt publizieren. Der eine oder andere Gemeinderat mag das nicht so schlimm finden, wenn er ohne kritisches Nachfragen einzig die Meinung der Behörde kommunizieren kann. Die Stimmenden durchschauen das aber als reines Sprachrohr. Volk und Behörden entfremden sich. Lokal- und Regionalzeitungen stützen mit ihrer Funktion die Demokratie. Sie sind aber auf die Zusammenarbeit mit den Behörden angewiesen.

Politiker müssen kommunizieren und bereit sein, sich kritischen Fragen zu stellen. Die Behörden sollten amtliche Publikationen auch weiterhin in der Lokalpresse veröffentlichen. Denn diese sind für die Attraktivität der Zeitung wichtig. Der Lohn für die Politiker ist eine immer noch grosse Wahrnehmung. Die Zürichsee-Zeitung etwa erreicht in den Bezirken Horgen und Meilen 58 000 Leser. Das ist ein Drittel der Bevölkerung. Weil die Leser für die Zeitung bezahlen, haben die Politiker die Gewissheit, dass die Informationen auch gelesen werden – anders als bei einem gemeindeeigenen Gratisblatt.

«Gemeinden sollten sich medienpolitisch mehr einbringen»

Die so genannte «Entöffentlichung» ist ein Problem. Nicht nur bei der Auslandsberichterstattung und bei der Berichterstattung über die Schweiz, sondern auch im Lokaljournalismus sparen viele Medien.

Zum einen schrumpfen die Ressourcen für den Journalismus, weil die Werbegelder zu den globalen Tech-Giganten wie Google und Facebook abwandern und weil im Internet eine «Gratiskultur» herrscht. Zum anderen gibt es Medienverlage, die zwar mit anderen Geschäftsfeldern gut verdienen, aber mit diesen Gewinnen den Journalismus nicht mehr quersubventionieren wollen. Bei beiden Ursachen sollte man medienpolitisch ansetzen. Zu denken ist an eine international koordinierte Werbesteuer und in der Schweiz an einen Ausbau der direkten und indirekten Medienförderung, die einen nicht renditeorientierten Journalismus unterstützt.

Gemeinden und Kantone sollten sich deshalb, am besten koordiniert, medienpolitisch stärker einbringen und direkte und indirekte Förderungsmodelle für einen starken Journalismus unterstützen. Warum nicht eine breit abgestützte «Schweizer Stiftung zur Förderung des lokalen Informationsjournalismus» gründen? Gemeinden sollten jedenfalls nicht versuchen, selber die Lücke zu füllen, die der Journalismus hinterlässt. Einordnung, Recherche und Kritik – das sind Aufgaben, die nur ein unabhängiger, professioneller Journalismus leisten kann, alles andere ist PR.

«Lokalnachrichten als Service Public?»

Eine gesunde Demokratie braucht eine informierte Öffentlichkeit. Die Krise im Lokaljournalismus gibt daher Anlass, über alternative Ansätze zum bekannten, kommerziellen News-Modell nachzudenken.

Im Vordergrund stehen vor allem zwei Modelle: erstens das Non-Profit-Modell, bei dem die Lokalberichterstattung durch einen Verein oder eine Genossenschaft erfolgt und von einer Stiftung finanziert wird. Da der Stiftungssektor in der Schweiz diesbezüglich konservativ ist und eher Stipendien an Journalisten vergibt, wird dies schwierig. Zweitens das öffentliche Modell, bei dem die Gemeinde lokale Berichterstattung als Infrastruktur betrachtet und ihren Einwohnern zur Verfügung stellt. Daran müssen die Gemeinden ein vitales Interesse haben. Denn sorgen sie sich nicht, sind am Ende alle unzufrieden: die Wähler, weil sie von «denen da oben» nichts erfahren und nicht gehört werden und die Politiker, weil sie ihre Wähler gar nicht mehr erreichen. Die gute Nachricht ist: die Werkzeuge dafür müssen nicht neu erfunden werden – sie sind vorhanden.

«Medien müssen unabhängig bleiben»

Informationen zu verbreiten genügt nicht. Für eine erfolgreiche Meinungsbildung sind weiterhin Medien nötig, in welchen politische Debatten stattfinden können. Das höchste Gut von Medien ist ihre Unabhängigkeit. Gemeinden tun ihnen daher einen Gefallen, wenn sie weiterhin grösstmögliche Distanz halten. Jede Verflechtung beschädigt die Unabhängigkeit des Mediums und damit seine Rolle als Plattform. Was kann also eine Gemeinde tun? Ein etabliertes Mittel sind Inserate, da es sich um eine klassische Dienstleistung handelt. Problematischer sind direkte finanzielle Beiträge, eine redaktionelle Mitarbeit oder gar die Beteiligung an der Trägerschaft.

Ich unterscheide klar zwischen unabhängigen Medien und der Informationspolitik der politischen Gemeinde, die über eigene Gefässe die Bevölkerung informiert und den Dialog führt. Die anspruchsvolle Situation im Verlagswesen darf nicht dazu führen, dass diese Unterscheidung vermischt wird.

Es gibt erfolgsversprechende Konzepte, etwa Lokalzeitungen mit reduziertem Erscheinungsrhythmus (etwa monatlich), kombiniert mit einem aktiven Internet-Auftritt, oder reine Online-Publikationen à la Watson. Ein weitgehend «papierloses» Medium kann zu erheblich geringeren Kosten produzieren, was neue Möglichkeiten eröffnet. Allerdings ist ein gezieltes Marketing nötig.

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