Weiterbildungsoffensive der Berner Stadtverwaltung
Das Verbot von Diskriminierungen aufgrund körperlicher, geistiger oder psychischer Behinderungen ist in der Bundesverfassung festgeschrieben. Die öffentliche Hand muss ihre Dienstleistungen auf allen Ebenen diskriminierungsfrei anbieten. Was klar tönt, ist in der Realität alles andere als gegeben.
Quelle: Flavia Trachsel
In Bern sollen die städtischen Mitarbeiter lernen, wie sie den Kundenkontakt für Menschen mit Behinderungen optimieren können.
«Das Behindertengleichstellungsgesetz ist in Sachen hindernisfreier Bau stark, im Zusammenhang mit der Kommunikation und öffentlichen Dienstleistungen bietet es weniger Leitlinien», sagt Urs Germann, Leiter der Fachstelle Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen der Stadt Bern. Der Zugang für alle sei ein grosses Anliegen der Stadt Bern (siehe auch «Stadt Bern schafft klare Verhältnisse»), weshalb der Gemeinderat 2015 ein Massnahmenpaket zur Förderung der Zugänglichkeit öffentlicher Dienstleistungen verabschiedete.
Ein Teil davon ist die Sensibilisierung der städtischen Mitarbeiter. «Wir möchten eine Stadtverwaltung sein, die für alle offen ist und von der sich die ganze Bevölkerung angesprochen fühlt», fasst Germann zusammen.
Ob am Schalter oder im Schwimmbad
In Zusammenarbeit mit dem Verein Sensability hat die Stadt Bern eine Weiterbildungsoffensive eingeleitet. Dabei sollen über drei Jahre etwa 300 Mitarbeiter – rund ein Zehntel aller Angestellten – im Umgang mit Menschen mit Behinderungen geschult werden. Für die externen Dienstleistungen wird mit Kosten von rund 90 000 Franken gerechnet.
Die Abteilungen entscheiden selbst, welche ihrer Angestellten die Schulungen besuchen. Der Fokus liegt jedoch auf denjenigen, die im direkten Kundenkontakt stehen, sei es am Schalter, in Schwimmbädern oder sonstigen öffentlichen Anlagen. Die Schulungen werden von Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen von Sensability durchgeführt.
Die eigene Dienstleistung hinterfragen
Im Rahmen des Massnahmenpakets des Gemeinderats wurde auch eine Bestandesaufnahme der wichtigsten Verwaltungsgebäude gemacht. So konnten auch bauliche Massnahmen festgelegt werden. «Dabei hat man aber gesehen, dass man nicht alles durch bauliche Anpassungen beheben kann. Gerade mit Blick auf psychische und geistige Behinderungen können solche Massnahmen wenig bewirken», so Germann.
Mit der Sensibilisierung der Mitarbeiter für das Thema sei es aber möglich, alltägliche Hindernisse zu umgehen. «Es geht darum, die Bedürfnisse der einzelnen Behindertengruppen kennenzulernen und darauf einzugehen. Im Zentrum steht, bei den Mitarbeitern Reflexionsprozesse auszulösen und sie zu ermutigen, sich mit den Hindernissen im Alltag und dem möglichen Abbau derselben zu befassen. Sie sollen ihre Angebote und Dienstleistungen kritisch hinterfragen», erklärt Germann.
Falsche Hemmungen ablegen
Personen, die am Schalter arbeiten, sollten etwa wissen, wie Menschen mit einem Rollstuhl oder einer Sehbehinderung überhaupt in das Gebäude kommen, wie sie den Schalter benutzen können oder wo es eine rollstuhlgängige Toilette hat. In Schalterhallen, in denen die Schalter für Personen im Rollstuhl zu hoch sind, sei etwa ein separater Besprechungsraum eine gute Alternative. Ebenso für Menschen mit einer Hörbehinderung, wenn der Umgebungslärm zu hoch ist. «Dafür müssen sich die Mitarbeiter der Hindernisse bewusst sein und sie dürfen keine falschen Hemmungen im Umgang mit den Betroffenen haben. Das ist das Hauptziel der Schulungen.»