Was ist eine Stadt?
Seit Jahrzehnten gilt: «Städte sind Gemeinden mit mindestens 10 000 Einwohnern». Weil die Bevölkerung wächst und immer mehr Gemeinden fusionieren, sind in letzter Zeit auch dort Städte entstanden, wo man urbanes Leben nur von Ausflügen her kennt: Glarus Süd etwa, zu dem unter anderem Elm und das strassenlose Braunwald gehören. In Val-de-Travers (NE), das bekannt ist für seinen Absinth, den Felskessel Creux du Van und den überdurchschnittlichen Bezug landwirtschaftlicher Direktzahlungen. Oder unweit davon in Val-de-Ruz, wo sich gut 16 000 Einwohner fast ebenso viele Hektaren Land teilen.
Dichte und Mindestgrösse im Kern
Dass die geltende Definition solchen «Städten» nicht immer gerecht wird, hat auch das Bundesamt für Statistik (BFS) erkannt. Es verzichtet bereits seit einiger Zeit darauf, solche Landgemeinden offiziell als Städte auszuweisen. Nun geht es gar einen Schritt weiter: «Die statistische Stadtdefinition wird geändert», sagte Viktor Goebel, Leiter des Projekts Agglosuisse im BFS, gegenüber der «NZZ am Sonntag». Konkret will das Amt neben der reinen Einwohnerzahl noch andere Kriterien beiziehen. «Neu können nur noch Gemeinden Stadt werden, wenn sie auch eine gewisse Dichte und Mindestgrösse in ihrem Kern aufweisen», so Goebel. So wolle man erreichen, dass eine statistische Stadt auch tatsächlich einen gewissen urbanen Charakter aufweise.
Mit grosser Aufmerksamkeit verfolgt der Städteverband das Projekt. Er fürchtet, dass man aus Gründen der Vergleichbarkeit mit Europa die Schwelle deutlich erhöhen will. Schweizer Städte mit 10 000 oder 20 000 Einwohnern hätten aber oft gleiche Funktionen wie Städte in Deutschland oder Frankreich, die vier- oder fünfmal so gross seien, erläutert Vizedirektor Martin Tschirren. Er fordert darum in der «NZZ am Sonntag»: «Eine neue Städte-Definition darf nicht dazu führen, dass Gemeinden, die sich heute als Städte verstehen, dies statistisch nicht mehr sind.»
Bestandesgarantie und neuer Status
Wie gross, dicht und überbaut eine statistische Stadt künftig sein muss, will das BFS erst im November bekanntgeben. Die neue Typologie werde aber nicht dazu führen, dass viele jetzige Städte ihren Rang verlören, gibt das Amt Entwarnung. Zudem werde für benachbarte Gemeinden, welche die geforderten Werte allein knapp verfehlten, ein neuer Status eingeführt: die «städtische Einheit». (aes)