Wakkerpreis für Lichtensteig im Toggenburg
Davon, dass sich Lichtensteig SG einst zu entleeren drohte, ist heute wenig spürbar. Längst ist in die einst verwaisten Industriebauten und das historische Zentrum des Städtchens an der Thur wieder Leben eingezogen. Dafür ist es nun mit dem Wakkerpreis geehrt worden.
Quelle: Böhringer Friedrich, eigenes Werk, CC BY-SA 2.5,
Lichtenstein wehrte sich mit Erfolg gegen die Abwanderung seiner Bewohner und ist nun mit dem Wakkerpreis ausgezeichnet worden.
Lichtensteigs Altstadt aber auch die Industriebauten des Ortes
zeugen von der einstigen, Jahrhunderte
andauernden Blüte als wohlhabendes, städtisches Zentrum des Toggenburg. Unter
anderem soll hier der Mathematiker,
Astronom und Uhrenmacher Jost Bürgi (1552-1632) die Sekunde erfunden haben.
Zudem ist die örtliche UBS-Filiale in Lichtensteig aus der 1863 gegründeten Toggenburger Bank hervorgegangen, die als zweite Rechtsvorgängerin der späteren Schweizer
Bankgesellschaft gilt.
Doch im Zuge der Wirtschaftskrise der 1970er-Jahre geriet auch die örtliche, von der Textilbranche geprägte Industrie zunehmend ins Straucheln. Hunderte von Arbeitsplätzen verschwanden, die Bevölkerung schrumpfte. Die Folge: die Erdgeschossflächen im Zentrum und Industriegelände verwaisten zusehends. Und als schliesslich ein Table-Dance-Schuppen in einem Wohnquartier einziehen wollte, regte sich in der Bevölkerung Widerstand. Und damit wiederum begann sich die Situation nach und nach zu ändern.
Der Gemeinderat initiierte verschiedene Massnahmen, um wieder für mehr Leben im Städtchen zu sorgen. Unter anderem sollten laut einem Artikel im St. Galler Tagblatt Wohnungsmieten, künftig den Gewerberaum im Parterre finanzieren. Zudem wurden die Regeln für den Betrieb Strassencafés gelockert und zum Beispiel Galerien oder Nähateliers in leeren Ladenräumlichkeiten eingerichtet – um das entleerte Zentrum zu füllen. Ausserdem versuchte man das Gewerbe räumlich zu konzentrieren.
Des Weiteren unterstützen die Behörden entsprechende Initiativen: So
ist die Stadtverwaltung in ein leerstehendes Bankgebäude gezogen und schuf
damit Raum für ein neues „Rathaus für Kultur“. Derweil wandelte sich das alte Feuerwehrdepot
zum Kleiderladen. Und als Areal Stadtufer erhielt das neben der Stadtbrücke
gelegene, ehemalige Gelände der Fein Elast an der Thur eine neue Identität als „zukunftsweisenden
Wohn-, Arbeits- und Kulturraum“.
„Mini.Stadt“ für Neuzuzüger und Eingesessene
Selbstbewusst positioniert sich Lichtensteig seither mit dem Slogan „Mini.Stadt“ als Kleinstadt auf dem Land. Diese Bemühungen haben den Schweizerischen Heimatschutz bewogen, den Ort dieses Jahr mit dem Wakkerpreis zu ehren. Die Stadt nutze mit ihrer aktiven Politik die Möglichkeiten, auf die bauliche Entwicklung Einfluss zu nehmen und die Nutzungen in eine zukunftsfähige Richtung zu lenken. Weiter lobt der Heimatschutz, dass es in Lichtensteig gelingt neue Menschen anzuziehen und Eingesessene zu halten, Kultur zu ermöglichen und damit den Charakter eines urbanen Zentrums in einer ländlichen Region wieder zu stärken.
„Die Strategie ‚Mini.Stadt‘ ist kein Projekt für Lichtensteig mit einem Enddatum, sondern ein angestossener Prozess mit Zukunftspotenzial“, schreibt der Heimatschutz. Dennoch – die Herausforderungen bleiben: Kürzlich hat die Klubschule Migros ihren Standort geschlossen und der grösste Laden der Innenstadt, ein Möbelgeschäft, zieht aus. Doch unlängst hat die die Stadt Strategie für die räumliche Entwicklung bis 2050 erstellt. Deren Ziele bieten laut Heimatschutz insbesondere für die Aufwertung entlang der Hauptverkehrsstrassen und der Landschaft wesentliche Chancen zur Aufwertung des Siedlungsbilds ausserhalb der Altstadt. (mai)