Vorsorgliche Rayonverbote für Asylsuchende
Eben erst sind die ersten Asylbewerber im neuen Bundeszentrum im aargauischen Bremgarten eingezogen und bereits sind sie ohne eigenes Verschulden in den Schlagzeilen: Um das Zusammenleben der neuen Bewohner und der Bevölkerung zu regeln, hat das federführende Bundesamt für Migration (BFM) zusammen mit dem Verteidigungsdepartement eine Vereinbarung mit der Stadt Bremgarten abgeschlossen. Im sechsseitigen Papier bestätigt das BFM, «dass auf Wunsch der Stadt Bremgarten (...) das Betreten der Schul- und Sportanlagen (...) ohne Zustimmung der zuständigen Behörden nicht erfolgt». Unterzeichnet haben die Vereinbarung ein Stellvertreter von BFM-Direktor Mario Gattiker und Bremgartens Stadtammann Raymond Tellenbach (FDP). Dazu wurde ein Plan publik, der fast die Hälfte der schmucken Kleinstadt an der Reuss zur «Sperrzone» für Asylsuchende erklärt.
Für Menschenrechtsorganisationen kommt die Abmachung einem kollektiven Rayonverbot gleich, das rechtlich nicht durchgesetzt werden könne. Thomas Ruoss von Augenauf verweist gegenüber dem «Tages-Anzeiger» auf die Bundesverfassung, in der das Recht auf Bewegungsfreiheit verankert sei. Und übt scharfe Kritik: «Das BFM auferlegt Flüchtlingen unrechtmässige Verbote, gegen die sich die Asylsuchenden aufgrund ihrer rechtlich unsicheren Situation nicht zu wehren getrauen.»
Sanktionen nur bei störendem Verhalten rechtens
BFM-Chef Gattiker relativiert die rechtliche Verbindlichkeit der Vereinbarung: Wenn sich Asylsuchende nicht an die Auflage halten, seien keine Strafen vorgesehen. «Sanktionen sind grundsätzlich nur bei Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit rechtens. Das Benutzen von Sportanlagen reicht dafür nicht, sofern sich jemand dabei korrekt benimmt.» Die Bewohner des Bundeszentrums würden aber über die Einschränkung informiert.
Stadtammann Tellenbach hielt fest, dass es aus finanziellen und personellen Gründen ohnehin unmöglich sei, diese Orte überwachen zu lassen. «Wenn einzelne Asylsuchende sich in solchen Zonen aufhalten, geschieht gar nichts. Der Zutritt in alle Zonen ist Asylsuchenden in Begleitung einer Betreuungsperson jederzeit möglich», so Tellenbach. Realistischerweise seien Probleme höchstens beim Stadtschulhaus zu erwarten. Wegen seiner zentralen Lage, befürchtet Tellenbach, könne es zum Drogenumschlagplatz werden.
Missverständnis, Unwissenheit oder politisches Kalkül?
Gemäss dem Stadtammann ging die Stadt bei der Vereinbarung mit dem BFM davon aus, dass die Schul- und Sportanlagen als sensible Zonen gelten. Diese umfassten alle Schulgebäude, Turnhallen und Kindergärten. Es seien viele. Die seien dann, statt aufzuzählen, auf einem Plan bezeichnet worden. Weshalb auch die Bibliothek und die Kirchen auf den Plan gekommen seien, wisse er nicht mehr. Bibliotheken, Plätze oder Kirchen seien frei zugänglich, betonte auch Mario Gattiker. Verschiedene Medien hätten wegen eines falschen Plans im Anhang der Vereinbarung falsch über die Zonen berichtet.
«Es liegt also ein Missverständnis vor», machte Tellenbach klar: «Wir werden das in den nächsten Tagen mit dem BFM besprechen. Ehrlich gesagt bin ich der Meinung, das Missverständnis liegt auf Seiten der Medien, die irgendwo Newspotenzial suchen.» Nebst dieser vorhersehbaren Medienschelte, gibt sich der Stadtammann aber auch selbstkritisch: Die Liste mit den 32 sensiblen Zonen würde er kein zweites Mal anfertigen lassen. «Dies führt offenbar nur zu Unruhe.» (aes/sda)