Veloweggesetz: Herausforderungen und Lösungen
Ab 2043 soll die Schweiz über ein sicheres, durchgehendes Velowegnetz verfügen. Der Weg dorthin birgt einige Herausforderungen. Welche das sind und was für Lösungen funktionieren können, weiss Carsten Hagedorn, Verkehrsplaner und unter anderem Kursleiter des CAS Fuss- und Veloverkehr an der Ostschweizer Fachhochschule.
Quelle: Claudio Schwarz, Unsplash
Das Velowegnetz ist aktuell noch eine Baustelle. Ab 2043 soll es stehen - der Weg dorthin ist anspruchsvoll.
Vor rund sechs Jahren sagte das Stimmvolk mit einem Mehr von über 73 Prozent Ja zum „Bundesbeschluss über die Velowege sowie die Fuss- und Verkehrswege“. Seit 2023 ist das Veloweggesetz nun in Kraft: Es verpflichtet Kantone und Gemeinden dazu, ein zusammenhängendes, sicheres Velowegnetz zu schaffen. Zunächst soll es innerhalb von fünf Jahren geplant und in einem zweiten Schritt bis 2042 realisiert werden. - Trotz der deutlichen Zustimmung zum Veloweggesetz, polarisieren neue Fahrradrouten vielerorts. Und dies wiederum sorgt für Herausforderungen bei der Planung und Realisierung.
Nicht immer einfache Umverteilung von Flächen
„Zwar ist fast niemand gegen Velowege, aber es möchte auch niemand Platz dafür hergeben“, konstatiert Verkehrsplaner Carsten Hagedorn, in einem Interview auf der Website Ostschweizer Fachhochschule (OST). Er ist Professor am Studiengang Stadt-, Verkehrs- und Raumplanung und Kursleiter des CAS Fuss- und Veloverkehr an der OST. Als Beispiel führt er die Stadt Bern an: Sie habe es geschafft, einige strassenbegleitende Parkfelder abzubauen und dafür dem Velo mehr Platz zu geben. „Doch jedes weitere Parkfeld ist stark umkämpft. Eine Reduzierung der Fahrbahnbreiten und die Einführung von Tempo 30 wären weitere Massnahmen, die man zugunsten von Velofahrenden umsetzen könnte, doch auch das kommt bei Autofahrenden oft nicht gut an“, meint Hagedorn. Hürden gebe es aber nicht nur dort, wo die Platzverhältnisse eng seien, sondern auch ausserorts. Dies betrifft laut dem Experten ebenso bestehenden Strassen. Dies weil etwa Landwirte kein Kulturland für einen ergänzenden Radweg opfern wollen. „Die Umverteilung von Flächen ist immer mit Herausforderungen verbunden.“
Zudem meint Hagedorn, dass sich bereits der Abbau von kleinen Hindernissen – etwa Randsteinabsenkungen , die Erneuerung von Markierungen oder die Einfärbung von Velostreifen – positiv auswirken kann: „Diese Massnahmen sind viel schneller umgesetzt als grössere bauliche Veränderungen. Wichtig ist, dass im Gemeindehaushalt dafür jährlich ein bestimmter Betrag bereitgestellt wird.“
Ein Freigleis für das Velo in Luzern
Die Nase vorn haben oft die Städte: „Grundsätzlich lässt sich sagen, dass innerorts bereits mehr realisiert wurde als ausserorts“, sagt Hagedorn. Als gelungenes Beispiel führt er die das Freigleis in Luzern, ein neuer Velo- und Fussweg auf einer stillgelegten Bahnstrecke. „Dieses Leuchtturmprojekt ermöglicht Velofahrerinnen und Velofahrern eine rasche und direkte Verbindung.“ Aber auch in anderen Schweizer Städten sei einiges im Gange, zum Beispiel in Basel, Zürich oder Winterthur. Des Weiteren verweist er auf Genf und Lausanne, die während der Corona-Pandemie viel für das Velo gemacht hätten. Lausanne gewann heuer gar den Hauptpreis des Prix Velo Infrastruktur 2024.
Auf die Frage, wo die Schweiz im internationalen Vergleich steht, meint der Verkehrsplaner: „Die Schweiz holt auf. Sie ist aber noch weit vom Standard anderer Länder und Städte entfernt.“ An der Spitze mit dabei ist laut Hagedorn die Niederlande, ein fortschrittliches Velonetz attestiert er auch Kopenhagen. Und Paris dürfte auf dem Weg dorthin sein, wo das Velowegnetz laut Hagedorn derzeit „rasant“ ausgebaut wird.
Sind durchgängige Velowege wichtiger als Velobahnen?
Ein Thema sind bei der Förderung des Fahrradverkehrs auch Velobahnen oder sogenannte Cycle Superhighways, die auf direktem Weg von der Agglomeration ins Zentrum führen. Derartige Projekte erachtet Hagedorn nicht als besonders wichtige Massnahme: „Entscheidender finde ich, dass Velowege durchgängig sind, also keine Unterbrüche bestehen. Dazu müssen diese Wege nicht immer die vier Meter Breite einer Velobahn aufweisen, wo zwei Velos nebeneinander fahren können und gleichzeitig auch noch zwei Velos entgegenkommen können.“ Dennoch können laut dem Experten solche Strecken mit helfen, mehr Menschen fürs Velofahren zu erwärmen. „In Kopenhagen zum Beispiel wird 50 Prozent des Berufsverkehrs mit dem Velo abgewickelt und die Cycle Superhighways spielen dabei eine wichtige Rolle.“
Allerdings gibt es in Sachen Velofahren auch kulturelle Unterschiede: „In der Schweiz ist die Kultur, mit dem Velo zur Arbeit zu fahren, zum Beispiel nicht im gleichen Mass verankert wie in anderen Ländern“, meint Hagedorn. „Hier ist es ein wichtiges Kriterium, möglichst schnell am Arbeitsort zu sein.Viele legen den Weg deshalb lieber mit dem Auto zurück und gehen am Abend noch im Fitnessstudio aufs Fahrrad – statt sich im Alltag mit dem Velo zu bewegen.“ Ein Hindernis stellten auch topografische Gegebenheiten wie die bergige Landschaft dar. (mai)
Das Veloweggesetz auf www.fedlex.admin.ch
Weitere Informationen zum CAS Fuss- und Veloverkehr www.ost.ch/de/weiterbildung
Das Interview lesen sie auf www.ost.ch