09:55 KOMMUNAL

In Bern soll die grünste Gasse der Schweiz entstehen

Geschrieben von: Ben Kron (bk)
Teaserbild-Quelle: Ben Kron

Wie können Kernstädte rasch und günstig begrünt und so das Mikroklima in den oft überhitzten Zonen verbessert werden? Die Uni Bern versucht mit einer partizipativen Lösung, der Postgasse in Bern zu mehr Pflanzen und damit zu mehr kühlen Zonen zu verhelfen.

Projekt Grünste Gasse der Schweiz, Uni Bern, Ausgabe Grünpflanzen

Quelle: Ben Kron

Einheimische Pflanzen, Kübel, Erde und das Bewässerungssystem Boum (vorne links) werden den Anwohnerinnen und Anwohnern der Postgasse zur Verfügung gestellt.

Die Weltbevölkerung wächst unaufhörlich, und das vor allem in den Städten. Betrug der Anteil der ländlichen Bevölkerung im Jahr 1950 noch 70 Prozent, lebten 2007 erstmals in der Geschichte mehr Menschen in Städten als auf dem Land. Bis 2050 wird dieser Anteil auf 70 Prozent steigen. Bis dann werden geschätzt rund sechs Milliarden Menschen in Städten leben; heute sind es bereits 4,2 von total rund acht Milliarden.

Diese Verstädterung hat gewisse Vorteile, stellt die Menschheit aber auch vor riesige Probleme: Städte heizen mit ihren Stein- und Betonoberflächen den Klimawandel stark an, bieten daneben zudem wenig Lebensraum für Flora und Fauna. Und auch für die Menschen selbst sind die Lebensbedingungen in Grossstädten oft prekär.

Begrünung nicht immer möglich

Um das Klima in Städten zu verbessern, stellt eine passende Begrünung oft eine einfache und wirksame Massnahme dar. Aber vielerorts, zum Beispiel in denkmalgeschützten Altstädten, ist eine solche Begrünung nur sehr eingeschränkt möglich. Wie also kann unter solchen Bedingungen mehr Raum für Natur entstehen, der bezahlbar ist und wofür keine bestehenden Strukturen verändert werden müssen? Ganz einfach: Die Pflanzen müssen möglichst nah zu den Menschen gebracht werden und die Balkone und Terrassen, Fensterbänke und Hauseingänge noch mehr erobern.

Ein interdisziplinäres Projekt der Universität Bern will diesen Ansatz nun in die Tat umsetzen, angeregt von Professor Matthias Erb vom Institut für Pflanzenwissenschaften: Zusammen mit Partnerorganisationen stellt die Universität den Anwohnerinnen und Anwohnern der Postgasse in der Berner Altstadt alles Nötige zur Verfügung, damit diese ihre Gasse begrünen können. «Wir unterstützen die Leute dabei, ihre eigenen Fenstersimse und Aussenflächen mit passenden Pflanzen nachhaltig zu begrünen», so der Uni-Professor. Auch die Arkaden werden soweit als möglich mit einbezogen. 

Postgasse Bern, Projekt Grünste Gasse der Schweiz, Uni Bern

Quelle: Ben Kron

Nur wenige Touristen verirren sich in die Berner Postgasse: Abseits vom Rummel soll hier die Altstadt begrünt und damit im Sommer gekühlt werden.

Projekt Grünste Gasse der Schweiz, Uni Bern, Ausgabe Grünpflanzen

Quelle: Ben Kron

Die Pflanzen werden von den Anwohnerinnen und Anwohnern ausgewählt und danach auch gepflegt; Fachleute der Uni und der Gartenbauunternehmen stehen beratend zur Seite.

Startschuss mit Pflanztag

Startschuss für das Projekt war ein Samstag Anfang Mai: Die beteiligten Unternehmen aus der Grünen Branche lieferten an diesem Pflanztag einheimische sowie standortgerechte Sträucher und Bäume, Gemüse- und Kräutersetzlinge aus biologischer Produktion, und dazu nachhaltige Erde aus Nebenprodukten der Schweizer Forst- und Landwirtschaft.

Auch ein spezielles, von der Uni entwickeltes Bewässerungssystem namens «Boum» wurde den Anwohnerinnen und Anwohnern zur Verfügung gestellt. (siehe Kasten «Bewässerungssystem») Diese begrünten ihre Gasse nach eigenem Ermessen, begleitet und beraten von Fachleuten, und werden die Pflanzen in Zukunft auch pflegen. 

Der Pflanztag bot auch Gelegenheit zu vertieften Diskussionen mit allen am Projekt Beteiligten. «Wir sind gespannt auf unser Pilot-Projekt, mit dem wir Forschung für aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen wie den Klimawandel betreiben und gleichzeitig die davon betroffene Stadtbevölkerung in den Prozess mit einbeziehen», so Matthias Erb.

Projekt Grünste Gasse der Schweiz, Uni Bern, Grünpflanzen

Quelle: Ben Kron

Mehrere Gartenbauunternehmen stellen die einheimischen Pflanzen gratis zur Verfügung, alles in Bio-Qualität.

«Schauen, was möglich ist»

Vor Ort war auch Armin Komposch vom Institut für Pflanzenwissenschaften, der das Projekt als wissenschaftlicher Mitarbeiter betreut. «Wir haben für unser Projekt die Postgasse gewählt, weil wir hier vor einem Jahr schon einen Versuch mit dem ‹Boum›-System gemacht hatten.» Nun habe man wieder die Postgasse ausgesucht, da diese nur wenige Läden aufweist und neben den anderen, prominenteren Berner Altstadtgassen oft etwas verloren geht. «Zugleich können hier keine grossen Bäume gepflanzt werden. Deshalb schauen wir, was in einer solchen Gasse möglich ist, wo wir durch Denkmalschutz und Bauvorgaben sehr limitiert sind.»

Die Uni Bern hat das Projekt nicht nur angestossen, sondern begleitet es auch wissenschaftlich. «Wir beobachten, welchen Effekt die Bepflanzung auf die Biodiversität hat, in diesem begrenzten Rahmen. Angedacht ist auch die Installation von Temperatursensoren, um die Entwicklung aufzuzeichnen, oder Drohnenaufnahmen mit Wärmebildkameras.» Man hofft auf einen Einfluss aufs Mikroklima, und auf bessere Bedingungen für Kleintiere. Deshalb sind auch einige etwas grössere Bäume im Angebot.

«Alles in allem sollen die gesammelten Daten und Erfahrungen dieses Pilotprojekts Bern und anderen Städten künftig dabei helfen, ihre Nachhaltigkeit und Attraktivität noch rascher und unkomplizierter zu steigern», so Komposch abschliessend. Aus der Postgasse soll langfristig die grünste Gasse der Schweiz werden, inklusive einer Dokumentation dieser Transformation. «Am Ende möchten wir aufzeigen, dass es vielleicht gar nicht so viel braucht, um durch eine Begrünung einen positiven Effekt zu erzielen.» 

Bewässerungssystem

Das Bewässerungssystem «Boum» das beim Projekt in der Postgasse zum Einsatz kommt, wurde an der Universität Bern entwickelt. Inzwischen wird es von einem Spin-Off produziert und vertrieben. Armin Komposch erklärt: «Bei diesem System haben wir unter dem Pflanzkübel ein Wasserreservoir. Wenn die Erde im Kübel trocken wird, zieht sie via Kapillarröhren die Flüssigkeit nach oben, wo die Pflanze sie aufnimmt und am Ende verdunstet.» Auf diese Weise hat die Pflanze immer genau so viel Wasser, wie sie benötigt, ohne dass es zu einer Staunässe kommen kann.

Weitere Informationen: Boum.garden

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Freier Mitarbeiter für das Baublatt.

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