Thun stellt Videoüberwachung ein
An fünf neuralgischen Punkten zeichnen in Thun seit Spätherbst 2012 vor allem in den Nächten von Donnerstag auf Freitag, Freitag auf Samstag und Samstag auf Sonntag Videokameras das Geschehen im öffentlichen Raum auf. Die insgesamt acht Kameras sollten, kombiniert mit weiteren Massnahmen, die Sicherheit erhöhen – sowohl subjektiv, durch ihre psychologische Wirkung, wie auch objektiv, indem ihre Aufzeichnungen als Beweismittel dienen können.
Nach einer 2014 vorgenommenen Zwischenbilanz und nach weiteren Auswertungen, Abklärungen und Vergleichen in diesem Jahr hat der Gemeinderat entschieden, den eigentlich bis 2017 laufenden Pilotversuch nun abzubrechen.
«Die Voraussetzungen für einen nutzbringenden Weiterbetrieb fehlen, unsere Bilanz würde 2017 genau gleich ausfallen», begründet Gemeinderat Peter Siegenthaler (SP), Vorsteher der Direktion Sicherheit und Soziales, die Haltung der Exekutive. «Sollten sich die Voraussetzungen bezüglich Betriebszeiten und Technologie jedoch ändern, ist der Gemeinderat bereit, die Videoüberwachung nötigenfalls wieder einzuführen», erläutert Peter Siegenthaler weiter. Zugleich würden die heutigen Standorte im Falle einer Wiedereinführung überprüft.
Die Thuner Exekutive begründet die Einstellung der Videoüberwachung folgendermassen:
- Die Gesetzgebung zum Datenschutz setzt dem Betrieb von Videokameras durch Behörden sehr enge Grenzen, sowohl bezüglich den Aufzeichnungs-Zeiträumen wie auch den Perimetern, den die Aufnahmen abdecken dürfen. Die Kameras dürfen nicht schwenken, die Aufnahmen müssen jeweils nach 100 Tagen automatisch gelöscht werden.
- Die Qualität der über eine Internetverbindung an einen Server übermittelten Bilder ist so schlecht, dass der Datenschutzbeauftragte der Stadt Thun in seinem Tätigkeitsbericht 2014 zum Schluss kam, dass die Videoüberwachung aus rechtlichen Gründen eingestellt werden müsste. Die Bilder könnten in der heutigen Qualität nicht als Beweismittel verwendet werden.
- Die Kantonspolizei Bern konnte seit Inbetriebnahme der Kameras keinen einzigen Fahndungserfolg melden, der dank Unterstützung durch die Videoaufnahmen zustande gekommen wäre.
- Die präventive Wirkung der Videoüberwachung kann nicht gemessen oder nachgewiesen werden. Potenzielle Täter oder Störenfriede wissen dank der Veröffentlichung der Standorte und Betriebszeiten genau, wo und wie aufgezeichnet wird.
- Eine Umfrage bei sechs Gemeinden und Städten, die Videokameras im öffentlichen Raum einsetzen, bestätigt, dass die Kameras allenfalls der Prävention dienen; nur vereinzelt sind Straftaten aufgedeckt worden.
Wirksamkeit der Videoüberwachung gering
Zwar sind Klagen über Nachtruhestörungen, Vandalismus und Verunreinigungen in allen Gebieten, wo Videokameras installiert sind, zurück gegangen. Nach Einschätzung des Gemeinderates ist diese Verbesserung jedoch nicht auf die Videoüberwachung alleine, sondern vor allem auf die diversen weiteren Vorkehrungen der Abteilung Sicherheit zur Verbesserung der Nachtruhe zurückzuführen.
Zu diesem Massnahmenpaket gehören neben den Videokameras auch der 2011 ganzjährig eingeführte Ordnungsdienst Innenstadt, ausgeführt durch eine private Überwachungsfirma, Gespräche und konsequente Verzeigungen von fehlbaren Nachtschwärmern sowie die Ablehnung von Gesuchen für generelle Überzeitbewilligungen und für Aussenwirtschaften am Abend und in der Nacht.
«Die Wirksamkeit der Videoüberwachung ist sehr gering, so lange die Datenschutzbestimmungen so streng sind und die Bild- und Übermittlungsqualität nicht markant verbessert werden können», sagt Sicherheitsvorsteher Peter Siegenthaler.
Neue Kameras und eine bessere Übertragungstechnologie würden etwas mehr als 15 000 Franken kosten. «Vorläufig setzen wir diesen Betrag besser für gezielte Kontrollen durch die Kantonspolizei oder allfällige Anpassungen des Auftrages an die privaten Sicherheitsfirmen ein.» (mgt/aes)