Solargenossenschaften: Die Zukunft der Stromversorgung gestalten
Trotz der Sorge um den Klimawandel steigt der Energieverbrauch der Menschheit. Die Nutzung erneuerbarer Energien gewinnt deshalb weltweit an Bedeutung. In der Schweiz spielen dezentrale Lösungen für die Stromerzeugung eine wichtige Rolle bei der Energiewende. Die sogenannten Solargenossenschaften bieten eine attraktive Möglichkeit, den Ausbau von Photovoltaikanlagen voranzutreiben.
Quelle: OptimaSolar Züri Unterland
Die Photovoltaikanlagen der Solargenossenschaften werden auf öffentlichen, privaten oder landwirtschaftlichen Gebäuden errichtet.
Solargenossenschaften sind Zusammenschlüsse von
Privatpersonen, Unternehmen oder Organisationen, die gemeinsam eine oder
mehrere Solaranlagen realisieren. Dieses Modell ermöglicht es denjenigen, von
der Sonnenenergie zu profitieren, die über keine geeigneten Dachflächen
verfügen oder sich die Investition in eine eigene Photovoltaikanlage nicht
leisten können. Die Genossenschaftsmitglieder teilen sich die Kosten, Erträge
und den Nutzen der Anlage. Neben dem Zugang zur erneuerbaren Energie stärken
die Genossenschaften den sozialen Zusammenhalt.
Bei intelligenter Integration tragen Solargenossenschaften
darüber hinaus zur Entlastung des Stromnetzes bei. Innovative
Speichertechnologien und intelligente Steuerungs- und Abriegelungssysteme sind wichtige Elemente,
um eine Überlastung zu verhindern und die Resilienz des Netzes zu erhöhen.
Welche technischen Lösungen gibt es bereits, und welche Rolle spielen
Energiespeicherung und Zusammenschluss im Dorf zum Eigenverbrauch (LEG) in diesem Modell?
Vorteile für Mitglieder und Umwelt
Ein aktuelles und erfolgreiches Modell mit Crowdfunding-Ansatz bietet ewz.solarzüri. Das Elektrizitätswerk Zürich (ewz) betreibt mehrere Solaranlagen auf öffentlichen und privaten Gebäuden in der Region Zürich. Im Gegensatz zu einer klassischen Genossenschaft «verkauft» das ewz Solarpanels an Endkunden, die im Versorgungsgebiet wohnen. Im Gegenzug erhalten die Käufer eine Gutschrift auf ihre Stromrechnung. Die Solaranlagen selbst bleiben jedoch im Besitz des ewz.
Das Konzept echter Genossenschaften wie OptimaSolar Züri Unterland geht in eine andere Richtung. Hier kaufen die Mitglieder Anteilscheine und sind Miteigentümer der Photovoltaikanlagen, die auf öffentlichen, privaten oder landwirtschaftlichen Gebäuden errichtet werden. Der von den Anlagen erzeugte Strom fliesst zwar ins Netz oder als Eigenverbrauch zum Gebäudeeigentümer, aber die Genossenschaftsmitglieder profitieren finanziell über Dividenden. Dieses Modell verbindet also die finanzielle Beteiligung an der Solaranlage mit der Möglichkeit, von den Erträgen zu profitieren.
Quelle: OptimaSolar Züri Unterland
Die Genossenschaftsmitglieder von OptimaSolar Züri Unterland profitieren finanziell über Dividenden.
Technische Möglichkeiten von Solaranlagen
Solargenossenschaften bieten eine Vielzahl technischer Möglichkeiten zur Nutzung und Speicherung von Solarstrom, die weit über das reine Einspeisen ins öffentliche Netz hinausgehen. Diese Vielfalt schafft nicht nur Flexibilität, sondern ermöglicht auch eine effizientere und lokale Nutzung der erzeugten Energie.
Lokale Elektrizitätsgemeinschaften als Zukunftsmodell
Ab 2026 können sich in den Dörfern sogenannte Lokale Elektrizitätsgemeinschaften (LEG) bilden, die es ermöglichen, Strom lokal zu produzieren und zu vermarkten. Dieses neue Modell, das durch das Stromgesetz möglich wird, ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer nachhaltigen Energiezukunft. Solargenossenschaften bieten hierbei ein ideales Gefäss, um solche Projekte zu koordinieren, sodass die Gemeinden, die häufig ohnehin stark ausgelastet sind und oft nicht über die nötige Fachkenntnis verfügen, entlastet werden.
Das Prinzip der LEG ist einfach: Eine LEG nutzt die bestehenden Netze des Energieversorgers und entrichtet dafür eine reduzierte Gebühr. Produzenten und Verbraucher innerhalb der LEG profitieren dabei von vergünstigten Netzkosten – die Verbraucher zahlen weniger, während die Produzenten mehr Vergütung erhalten, als es bei einer unabhängigen Einspeisung oder einem Bezug vom Energieversorger der Fall wäre. Dies schont nicht nur die Netze, sondern stellt auch sicher, dass lokal erzeugter Strom direkt vor Ort genutzt wird, ohne dass er über lange Distanzen in andere Dörfer transportiert werden muss.
Quelle: OptimaSolar Züri Unterland
Hier wird aus Gleichstrom der PV-Anlage Wechselstrom für den Eigenverbrauch im Gebäude und die Einspeisung ins Netz gemacht.
Von Batterien bis Wasserstoff
Ein kritischer Aspekt bei der Nutzung von Solarstrom ist die
Speicherung, da die Energieproduktion oft nicht mit dem Energieverbrauch
übereinstimmt. Verschiedene Speichertechnologien ermöglichen es, den Solarstrom
für Zeiten ohne Sonnenschein bereitzustellen. «Lithium-Ionen-Batterien» sind
derzeit die am weitesten verbreitete Lösung, aber leider nicht ökologisch. Ökologischer, aber noch etwas teurer, sind zum Beispiel Salz-, Salzwasser- oder Redox-Flow Batterien. Für grössere Anlagen bieten sich
auch «Pumpspeicherkraftwerke» oder «Wasserstoffspeicher» an.
Finanzielle Struktur
Die finanzielle Struktur von Solargenossenschaften basiert
auf der Idee, dass viele kleine Beiträge eine grosse Anlage ermöglichen.
Mitglieder kaufen Wertpapiere (Anteilscheine) und beteiligen sich damit an der
Finanzierung der Solaranlagen. Bei wirtschaftlichem Erfolg erhalten sie eine
Dividende, mit der sie zum Beispiel ihre Stromrechnung bezahlen können. Die
Produktionskosten von grossen Photovoltaikanlagen (wie sie Genossenschaften
anstreben) sind etwa dreimal niedriger pro kWh als bei kleineren privaten
Anlagen, was den Genossenschaftern mehr Ertrag für ihr Geld bringt.
Quelle: OptimaSolar Züri Unterland
Relativ häufig scheitert ein Vorhaben an nötigen Leitungsverstärkungen oder zusätzlichen Trafostationen, die teuer und oft schwer zu bewilligen sind.
Staatliche Förderungen und Anreize
Solargenossenschaften profitieren von staatlichen
Förderungen wie der Einmalvergütung (EIV) für Photovoltaikanlagen, die einen
Teil der Investitionskosten abdeckt. Solche Förderungen sind jedoch für alle
offen, nicht speziell für Genossenschaften. Genossenschaften geniessen keine
Steuervergünstigungen – im Gegenteil, sie zahlen die vollen Steuern auf ihre
Gewinne wie jedes andere Unternehmen auch. Einspeisevergütungen erhalten sie
ebenfalls nur zu gleichen Rückspeisetarifen wie jedes EFH.
Von der Vision zur Realität
Solargenossenschaften bieten eine vielversprechende Möglichkeit, die Nutzung von Solarenergie zu demokratisieren und Bürger aktiv in die Energiewende einzubinden. Sie kombinieren ökologische und wirtschaftliche Vorteile und fördern den sozialen Zusammenhalt durch gemeinschaftliche Projekte. In den kommenden Jahren könnten Solargenossenschaften eine zentrale Rolle in der dezentralen Energieversorgung spielen, indem sie lokal erzeugten Solarstrom effizient speichern und nutzen.
Nachgefragt bei... Oliver Franz
Quelle: OptimaSolar Züri Unterland
OptimaSolar Züri Unterland setzt auf die Kraft der
Gemeinschaft, um die Energiewende voranzutreiben. Die Genossenschaft finanziert
und baut regionale Solarprojekte und ermöglicht Mitgliedern, ohne eigenen
Aufwand in die Zukunft der Energieversorgung zu investieren. Im Interview
spricht der Gründer Oliver Franz über Herausforderungen, Erfolge und die
wichtige Rolle von Solargenossenschaften.
Was war der Beweggrund für die Gründung von OptimaSolar Züri
Unterland?
«Die Welt retten!» Wir möchten einen Beitrag zur
beschleunigten Energiewende leisten und als gutes Vorbild im Kampf gegen den
Klimawandel vorangehen. Es ist uns wichtig, später nicht unseren Kindern sagen
zu müssen, dass wir etwas hätten tun können, es aber nicht getan haben.
Wie profitieren die Mitglieder konkret von den Projekten der
Genossenschaft?
Die Mitglieder erhalten eine Dividende und tragen aktiv zur
Energiewende bei. Sie unterstützen eine nachhaltige Energieversorgung und
können stolz darauf sein, Teil dieser Bewegung zu sein.
Wie kann man sich die technische Umsetzung vorstellen, um
den Genossenschaftsstrom als Mitglied zu beziehen?
Technisch gesehen ist es nicht möglich, den Strom physisch direkt zu beziehen, da nach heutigem Stand nur ein Energieversorger direkt Strom verkaufen darf. Daher der Umweg über Dividenden, mit welchen die GenossenschafterInnen Ihre Stromrechnung bezahlen können. Grundsätzlich wird der physische Strom sowieso dort verbraucht, wo in der Nähe gerade Bedarf besteht. Da wir lokal und auf bestehenden Dächern bauen, wird der Strom auch lokal genutzt. Dadurch schonen wir die Netze und gewährleisten, dass ein hoher Anteil an Sonnenstrom in der Region, wie im Wehntal, bleibt.
Welche Vorteile bietet die Mitgliedschaft gegenüber dem Betrieb einer eigenen Photovoltaikanlage?
Für einen Franken erhält man circa drei Mal mehr Solarstrom, da
wir durch Grossanlagen, gebündeltes Know-how und professionelle
Einkaufsstrategien profitieren. Einzelpersonen müssen sich nicht um Evaluation,
Entscheidungen oder Wartung kümmern. Sie können flexibel so viel finanzieren,
wie sie möchten, und profitieren von der Effizienz grosser Anlagen.
Welche Herausforderungen sind bei der Umsetzung der Solaranlagen aufgetreten?
Photovoltaik ist sehr einfach installiert ohne Langzeitrisiken und günstig. Aber natürlich gibt es auf Baustellen immer kleinere Hürden. Die Dächer dürfen nicht zu alt sein und müssen mindestens noch 20-30 Jahre halten. Grössere Herausforderungen kommen von Bewilligungsbehörden mit langen Wartezeiten oder vom Heimatschutz, der oft an schwer nachvollziehbaren Blockaden festhält. Eine der grössten Hürden sind die Zuleitungen der Elektrizitätswerke, die bei Bauernhöfen oft zu klein sind und teuer ausgebaut werden müssen. Hier wird hoffentlich das neue Stromgesetz etwas Abhilfe schaffen.
Wie sehen Sie die Rolle von Solargenossenschaften in der zukünftigen Energieversorgung?
Im Idealfall wären wir gar nicht notwendig, wenn die grossen
Energieversorger und die Politik die Energiewende ernst nehmen würden.
Solargenossenschaften wie unsere sind eine Graswurzelbewegung, die Druck von
unten macht, um die Energiewende umzusetzen. Die Technologie, das Wissen und
das Kapital sind vorhanden, wir müssen es nur tun. Unser Ziel ist es zu zeigen,
dass es funktioniert und vor allem auch schnell gehen kann. Innerhalb von zwei Jahren haben wir acht Grossanlagen mit
einer Leistung von einem Megawatt gebaut und über eine Million Franken von 120
Genossenschaftern gesammelt.
Welche innovativen Technologien setzen Sie ein, um die
Effizienz Ihrer Anlagen zu steigern?
Wir setzen auf Energiesteuerungssoftware, um den Verbrauch zu optimieren und die Produktion im Detail zu messen. In Zukunft werden Speicher eine wichtige Rolle spielen, um möglichst netzdienlich zu produzieren. Hier kommt intelligente Software zum Einsatz.
Zudem
riegeln wir freiwillig unsere Grossanlagen auf 70 Prozent ab, manchmal sogar noch
mehr, um die Netze zu schonen und Kosten des Infrastrukturausbaus zu
minimieren. Studien zeigen, dass bei einer Abriegelung auf 70% der
Jahresenergieverlust nicht mehr als ein Prozent beträgt! Dies aus dem Grund, da die
Photovoltaikanlage nur selten wirklich das theoretische Maximum produziert,
nämlich bei supersonnigen, aber kühlen Tagen, wo die Sonne genau im 90 Grad
Winkel einstrahlt. Es ist wichtig, die Anlagen maximal gross zu bauen, um in
all den anderen Zeiten möglichst viel Solarstrom zu gewinnen; dafür reichen die
70 Prozent Leitungen dann allemal.
Was sind Ihre Pläne für zukünftige Projekte oder Erweiterungen der Genossenschaft?
Wir möchten Nachahmer finden, die Idee skalieren und uns regional weiter ausbreiten. Es gibt in der Schweiz bereits acht OptimaSolar Genossenschaften, die 80 Grossanlagen mit fast 10 Megawatt Leistung betreiben. Ein grosser Schritt in die
Zukunft wird das Modell der Lokalen Elektrizitätsgemeinschaften (LEG) ab 2026
sein, das den Zusammenschluss auf Dorfebene erlaubt und somit lokale Stromverkäufe ermöglicht.
Wie können Interessierte Mitglied werden oder sich an Ihren
Projekten beteiligen?
Das ist ganz einfach: Man kann Anteilscheine ab 1.000
Franken zeichnen. Die Zeichnung erfolgt online und nach der Bezahlung ist man
Mitglied.
Wer darf Mitglied werden?
Alle! Privatpersonen, Unternehmen, Gemeinden und Schulen sind willkommen. (Interview: Marianne Kürsteiner)