Partizipative Stadtplanung mit 3D-Visualisierungen
Stadtplanung in Zeiten von Smart Cities ist dann erfolgversprechend, wenn sie alle Beteiligten digital und unkompliziert einbezieht. Das Fraunhofer Institut für Graphische Datenverarbeitung hat zwei Systeme zur digitalen Planung entwickelt, die nach Pilotphasen nun für den Einsatz in Gemeinden zur Verfügung stehen.
Quelle: Fraunhofer IGD
Mit realitätsgetreuen Visualisierungen können bereits in der Planungsphase alle Beteiligten leichter einbezogen werden.
Gerade in ländlicheren Gebieten sind alte Ortskerne durch sinkende Einwohnerzahlen, den demografischen Wandel und die Erschliessung neuer Wohn- und Industrieflächen am Stadtrand vom Zerfall bedroht. Für eine wirksame Reaktivierung müssen Bewohner, Immobilieneigentümer und Politik nachhaltige und ressourcenschonende Ideen entwickeln, wie Altstädte erhalten und strukturell aufgewertet werden können.
Neues Leben für historische Innenstädte
Im Rahmen des Projekts «AktVis» hat das deutsche Fraunhofer Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD eine interaktive 3D-Webanwendung entwickelt, anhand derer Ideen zur Zukunftsgestaltung ausgetauscht und diskutiert werden können. Die Anwendung bereite die vielfältigen Geodaten einer Kommune einheitlich auf und integriere sie in eine interaktive Visualisierungsumgebung, wie das Fraunhofer IGD mitteilt. Das erhöht die Transparenz im gesamten Planungsprozess und kann die Kommunikation zwischen Stadtplaner, Architekten und Infrastrukturunternehmen sowie den Bürgern erleichtern.
Die realitätsgetreue Ansicht von Gebäuden und Strassenzügen über einen Multi-Touch-Tisch war auch Basis für Bürgerbeteiligungsgespräche in drei hessischen Kommunen, mit denen das interaktive Tool gemeinsam aufgebaut wurde. Nach Abschluss des Projektes, das durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wurde, steht nun eine funktionstüchtige Endversion einer «WebGIS»-Anwendung für Planungsworkshops und Beteiligungsverfahren zur Verfügung. Mit ihr sollen Baulücken, Leerstand und Modernisierungsstau in Ortskernen bald der Vergangenheit angehören. Sogar eine Wirtschaftlichkeits- und Baurechtsprüfung ist enthalten. So können Ideen live auf ihre Machbarkeit geprüft werden. Zudem kann das Tool im Standortmarketing und in der Wirtschaftsförderung zum Einsatz kommen.
Bürgerbeteiligung sichert Akzeptanz neuer Projekte
Die zweite Entwicklung fand im Rahmen des EU-Projekts Smarticipate statt. Dabei hat das Fraunhofer IGD eine Plattform erstellt, mit der Bürger online Ideen für die Gestaltung der eigenen Nachbarschaft einreichen können. Durch die Anbindung an die Datenquellen der Stadtplanung bekommt der User direktes Feedback zur Umsetzbarkeit.
Der Vorteil: Die Stadtverwaltung beschäftigt sich nur mit den Fällen, die grundsätzlich durchführbar sind und später von den Anwohnern auch akzeptiert werden. Das Risiko von Fehlinvestitionen wird durch Einbeziehung der Anwohner bereits in der Entscheidungsfindungsphase verringert.
Testlauf in Hamburg
Das Ergebnis ist ein intelligentes System, dessen anschauliche 3D-Visualisierungen und Feedback-Funktionen leicht zu bedienen sind. In Rom, London und Hamburg wurde die Anwendung an konkreten Fallbeispielen getestet. «Smarticipate kann man überall da einsetzen, wo man Bürgern die Chance geben möchte, dass ihre Vorschläge sofort mit einem Feedback beantwortet werden, und da, wo die Verwaltung selber Prozesse automatisieren möchte», fasst Nicole Schubbe vom Hamburger Landesbetrieb Geoinformation und Vermessung den Einsatz des Softwaretools zusammen. Die Hansestadt prüft derzeit, wie die Feedback-Funktion in das stadteigene Beteiligungsprogramm integriert werden kann.
Nach Abschluss der Projektlaufzeit steht Smarticipate nun als Plattform zur Verfügung. Kunden können die fertig programmierten Fallbeispiele lizensieren oder an der Entwicklung eigener Szenarien mitwirken. Weitere Städte, unter anderem Wien, haben bereits Interesse an der Nutzung von Smarticipate signalisiert.(mgt/nsi)