Schotterflächen: Werden die Gärten des Grauens bald verboten?
Schottergärten sind hässlich, verhindern Biodiversität und versiegeln den Boden. Im Internet heissen sie nur noch «Gärten des Grauens» - und haben trotzdem in den letzten Jahren stark zugenommen. Doch nun beginnen erste Kantone, ein Verbot für die sinnlosen Steinwüsten zu erlassen.
Quelle: Ben Kron
Zürich verbietet Schottergärten, aber Grün Stadt Zürich setzt trotzdem auf Steinflächen. Doch dies ist zum Glück nur eine, wenn auch äusserst unschöne, Übergangslösung.
Vor wenigen Wochen haben wir im «Baublatt»
den Unterschied zwischen Kies, Split, Schotter und Schroppen behandelt. Wobei
es damals um die Herstellung und Verwendung von Bahnschotter ging. Doch das
Material Schotter lässt sich auch sehr viel weniger spektakulär anwenden: als
gleichnamiger Garten. Wobei hier die Bezeichnung Garten irreführend ist, denn
es handelt sich gemäss Wikipedia um eine «grossflächig mit Steinen bedeckte
Gartenfläche, in welcher die Steine das hauptsächliche Gestaltungsmittel sind.»
Pflanzen gibt es hier kaum, oder nur in geringer Zahl, und auch dann «oft durch
strengen Formschnitt künstlich gestaltet».
So wenig attraktiv dies tönt, sind Schottergärten in Siedlungsgebieten zunehmend anzutreffen. Was aber vor allem negative Auswirkungen hat: Nicht nur sind diese «Gärten» biologisch eher Wüsten, sie treiben auch im Sommer die Temperaturen in die Höhe und haben negative Auswirkungen auf die Biodiversität. Denn die Steine heizen das Klima weiter auf, und die schottergedeckten Flächen verlieren ihre Bedeutung als Lebensraum für Tiere wie für Pflanzen. Damit Letztere nicht zwischen den Steinen spriessen, muss bei einem Schottergarten übrigens der Untergrund mit einer Plane abgedeckt werden.
Quelle: Facebook / Gärten des Grauens
Zweifarbiger Schottergarten mit zurechtgestutzten Büschen: Biodiversität ist hier ein Fremdwort.
Gemeinde Elgg zurückgepfiffen
Umstritten sind die grauen Steinwüsten
schon lange: Letztes Jahr versuchte die Gemeinde Elgg ZH, ein Verbot dieser
Gärten zu erlassen, wurde aber vom Kanton zurückgepfiffen, da die gesetzliche
Grundlage in der Bauordnung fehlte. Diese wurde nun im Solothurn erlassen, der
als erster Schweizer Kanton ein Verbot aussprach, wogegen indes noch ein
Referendum ergriffen werden könnte: FDP und SVP haben bereits gegen diesen
«massiven Eingriff in die Eigentumsrechte der Hausbesitzer und die Autonomie
der Gemeinden» protestiert.
Doch ob diesem Autonomie-Reflex haben die
Bürgerlichen die Zeichen der Zeit nicht gesehen: Wenige Monate nach Solothurn
hat auch der Kanton Zürich mit einem Verbot von Schottergärten nachgezogen,
und auch in Basel-Stadt existiert ein solches faktisch (siehe Kasten «Verbote
auch in Zürich und Basel»). Dazu ist im Kanton Jura ein solches Verbot
angedacht, aber noch nicht vom Parlament entschieden. Auch in Deutschland haben
zwei Bundesländer und einzelne Kommunen entsprechende Verbote erlassen.
Quelle: Facebook / Gärten des Grauens
Schottergarten mit Skulptur: Auf Facebook gibt es eine reichhaltige Sammlung solcher zurecht «Gärten des Grauens» geheissenen Installationen.
Zunehmende Verschotterung
Die Zunahme der grauen Steinwüsten hat
sogar den Bundesrat auf den Plan gerufen, der vor zwei Jahren den Bericht
«Stopp der Verschotterung von Grünflächen» guthiess. Der Bericht weist darauf
hin, dass sich in der Schweiz die Siedlungsfläche in den letzten vierzig Jahren
um ein Drittel ausgeweitet hat und rund 60 Prozent dieser Flächen versiegelt
sind. Zum Beispiel mit Schotter und Steinen. Zwischen den Jahren 2018 und 2021
hat die Verschotterung in Schweizer Gärten um 21 Prozent auf elf
Quadratkilometer zugenommen, was 1500 Fussballfeldern entspricht. Mittels eines
Luftbildklassifizierungs-Algorithmus und künstlicher Intelligenz konnte dies
erhoben werden.
Um diesem Trend entgegenzuwirken, schlägt
der Bundesrat drei Massnahmen vor: Als Erstes können Gemeinden Vorschriften zur
naturnahen Gestaltung des Aussenraumes erlassen. Wobei hier Schotterflächen
nicht mehr zur Grünflächenziffer angerechnet werden sollen. Zweitens will der
Bundesrat mit finanziellen Anreizen die gewünschte naturnahe Gestaltung
fördern; dies ist auch ein Eckpunkt des indirekten Gegenvorschlags zur
Biodiversitätsinitiative, über die im September abgestimmt wird. Und
schliesslich will der Magistrat die Bevölkerung und die Behörden für die
Vorteile von naturnahen Grünflächen und Gartengestaltungen sensibilisieren.
Quelle: Facebook / Gärten des Grauens
Schottergarten in Deutschland: Auch hier haben zwei Bundesländer bereits Verbote für die Steinwüsten erlassen.
Aufwand unterschätzt
Warum aber legen Hausbesitzer überhaupt
einen Schottergarten an, der auch für Menschen alles andere als schön oder gar
attraktiv wirkt? Laut bundesrätlichem Bericht wird die Wahl eines
Schottergartens häufig damit begründet, dass der Aufwand für dessen Unterhalt
einfacher und kostengünstiger sei als für eine mit Pflanzen gestaltete
Grünfläche. Was tatsächlich gar nicht stimmt: «Damit Schottergärten nicht
verkrauten, ist ein regelmässiger Unterhalt erforderlich, der sowohl zeitlich
als auch finanziell nicht zu unterschätzen ist.»
Die Gartenbau Genossenschaft Zürich nennt
auf ihrer Homepage die vielen nötigen Massnahmen: So müssen von Zeit zu Zeit
neue Steine nachgefüllt werden. Über dem Zwischenvlies, das man unter der
Schotterschicht aufbringen muss, um Pflanzenwachstum zu verhindern, bildet sich
aus Staub, Laub und anderen organischen Ablagerungen ein keimtauglicher
Untergrund, auf dem das Unkraut trotzdem wächst. «Um diesen Prozess zu
verzögern, ist eine regelmässige Reinigung der Flächen mit dem Laubbläser
nötig.» Erscheint das unerwünschte Unkraut trotzdem, muss es mittels Abflammen
zwischen den Steinbrocken entfernt werden. «Im schlimmsten Fall kommen gar
giftige (verbotene) Herbizide zum Einsatz.»
All dies lässt sich vermeiden, wie es im Bericht des Bundesrates steht: «Wenn man einen minimal begrünten Schottergarten anlegt, sprich das Wasser versickern kann, die Pflanzen daraus wachsen können und so der Garten minimal bepflanzt ist, dann zählt dieser zur Grünfläche und ist weiterhin erlaubt.» Mit wenigen Massnahmen lässt sich also aus einer grauen, ökologischen Ödfläche wieder ein wertvoller Lebensraum schaffen. Und der Schotter kann wieder dort zum Einsatz kommen, wo er richtig Sinn macht: unter Bahngleisen.
Quelle: Facebook / Gärten des Grauens
Schottergarten, der ein Wasserbecken imitiert: Verschlimmbesserung par excellence.
Verbote auch in Zürich und Basel
Wenige Monate nach dem Kanton Solothurn hat
auch Zürich ein Verbot für Schottergärten erlassen: Mit der Revision des
Planungs- und Baugesetzes «Klimaangepasste Siedlungsentwicklung» dieses
Frühjahr ist fortan vorgesehen, dass bei Neubauten und grösseren Umbauten
Vorgärten und andere geeignete Teile des Gebäudeumschwungs als ökologisch
wertvolle Grünflächen zu erhalten oder herzurichten sind. «Schottergärten
erfüllen diese Kriterien in der Regel nicht, entsprechend werden sie in Zukunft
nicht mehr bewilligungsfähig sein», sagt Markus Pfanner von der Baudirektion.
Mit obenstehender Gesetzesrevision wurde
zudem eingeführt, dass die Versiegelung von Grundstücksflächen bei Neu- oder
Umbauten möglichst gering zu halten ist. Dies gilt ebenfalls nur bei Neubauten
oder grösseren Umbauten. «Neben den privaten Grundeigentümern wird auch die
öffentliche Hand einen Beitrag zur Versickerung von Regenwasser leisten, indem
öffentliche Flächen wie Strassen sofern möglich versickerungsfähig ausgestaltet
werden.»
Schwammstädte
Dieses Konzept einer «Schwammstadt»
verfolgt auch Basel-Stadt. Vor allem in den Transformationarealen wie Volta
Nord und Klybeckquai / Westquai wurden Konzepte zum Umgang mit Regenwasser
erarbeitet.
Bei den Schottergärten schreibt das
kantonale Bau- und Planungsgesetz vor, dass die zwischen der Bau- und der
Strassenlinie liegende Grundstücksfläche als Garten oder Grünfläche anzulegen
ist. «Schottergärten sind in diesem Sinne im Kanton Basel-Stadt bereits heute
unzulässig», sagt Daniel Hofer, der Co-Leiter Kommunikation beim Bau- und
Verkehrsdepartement. Der Kanton sorge im Rahmen der Bewilligungsverfahren für
grüne und strukturreich Vorgärten, damit sowohl die Lebensqualität in den
Quartieren wie auch die städtische Biodiversität zunimmt.
Im Kanton St. Gallen besteht aktuell kein
Verbot von Schottergärten; auch eine spezifische Motion oder Initiative ist
nicht hängig. «Den Gemeinden steht es allerdings frei, in ihren Bauordnungen
entsprechende Verbote oder Einschränkungen zu verankern», sagt Adrienne
Fehr-Dragojevic, Generalsekretär-Stellvertreterin beim kantonalen
Volkswirtschaftsdepartement. Zudem sei sich der Kanton St. Gallen der
Problematik von Schottergärten bewusst: «Es gibt Bestrebungen, den naturnahen
Gartenbau zu fördern, und der Kanton geht hier mit gutem Beispiel voran.»
So werden kantonale Bauten wie Kantonsschulen, Berufsschulen, Polizeistationen und Verwaltungsgebäude wo sinnvoll biodivers gestaltet. «Wir öffnen versiegelte Böden und ersetzen sie durch eine Chaussierung oder durch andere sickerfähige Materialien.» Die Stadt St. Gallen wiederum ist eine Vorreiterin in Sachen Schwammstadt und hat schon vor geraumer Zeit einen Fonds für entsprechende Massnahmen geäufnet. (bk)