Quartiere partizipativ entwickeln ist eine Zukunftsaufgabe
Nach der Wohnung oder dem Haus bildet das Quartier die kleinste Zelle der Gemeinschaft. Hier offenbaren sich zentrale Herausforderungen des modernen Lebens: Wachsende Bedürfnisse an den Aussenraum, hohe Mobilität, städtebauliche Veränderungen und das Zusammenleben mit Menschen, die unterschiedliche soziale und kulturelle Hintergründe haben. Zwar sind für die Quartiere in erster Linie die Gemeinden, Städte und Kantone verantwortlich. Doch der Bund unterstützt mit verschiedenen Programmen innovative Ansätze, um die strukturelle Erneuerung und das Zusammenleben zu fördern. Das neue Heft «Forum Raumentwicklung» des Bundesamts für Raumentwicklung (ARE) nimmt den Abschluss der zweiten Staffel des Programms Projets urbains zum Anlass, die Quartierentwicklung ins Zentrum zu rücken.
Partizipation als Erfolgsfaktor
Dass es nicht genügt, bloss die bauliche und verkehrliche Entwicklung zu steuern, sondern dass auch die soziale Dimension einbezogen werden muss, macht der Leitartikel deutlich. Die Autorinnen, die auch eine Publikation zu räumlichen Entwicklungsprozessen in Quartier, Gemeinde, Stadt und Region vorgelegt haben, legen dar, wie vielfältig und anspruchsvoll die Aufgabe der öffentlichen Hand in der Quartierentwicklung ist. Die Behörden müssen initiieren, koordinieren, motivieren, kommunizieren, kooperieren und am Schluss oft auch entscheiden. Pilotprojekte können zwar einen Anstoss geben, um ein Quartier lebenswerter zu machen. Doch ein langfristiger Erfolg ist nur möglich, wenn die Projektstellen in die Regelstruktur überführt und mit entsprechenden Budgets ausgestattet werden. Ein zweiter Erfolgsfaktor ist die konsequente Partizipation der Bevölkerung, um den Rückhalt für Veränderungen zu sichern.
Gemeinden sind vielfältig strukturiert
Ein anderer Beitrag bilanziert den Abschluss der zweiten Staffel der Projets urbains, einem Programm, mit dem das ARE zusammen mit vier anderen Fachstellen des Bundes in 16 Schweizer Gemeinden aktiv wurde. Der Bund half mit, lokale Behörden und Bewohnerschaft für die gesellschaftliche Integration in den Wohnquartieren zu sensibilisieren und mit vielfältigen Massnahmen die Lebensqualität zu verbessern. Für die Umsetzung war jeweils die Gemeinde oder der Kanton verantwortlich. Neben allgemeinen Erkenntnissen stellte sich heraus, dass die Schweizer Gemeinden enorm vielfältig strukturiert sind, sodass individuelle Lösungen gesucht werden müssen.
Nicht nur der Bund und die Gemeinden müssen sich engagieren, sondern auch die Kantone können viel bewirken, so Ueli Strauss-Gallmann im Interview. Der Leiter des St. Galler Amts für Raumentwicklung und Geoinformation war am Projet urbain in Rorschach SG beteiligt und unterstützt ähnliche Quartierentwicklungen in anderen St. Galler Gemeinden. Dabei kooperiert er eng mit der kantonalen Integrationsfachstelle und dem Amt für Wirtschaft, um die Prozesse möglichst breit abzustützen. Den Gemeinden empfiehlt er, sich jetzt schon darauf einzurichten, dass in Zukunft in der Quartierentwicklung mehr Finanzen und Personal benötigt werden.
Bewohner als Experten
Ein Blick nach Deutschland verdeutlicht, wie unser Nachbarland die Quartierentwicklung zu steuern versucht. Das Programm «Die Soziale Stadt» wendet sich neben Fragen des Wohnraums vor allem der Bildungs-, Arbeitsmarkt- und gesellschaftlichen Integration zu. Angesichts der seit 2007 gestiegenen Zuwanderung aus den EU-Krisenstaaten und – in den letzten zwei Jahren – aus entfernteren Kriegs- und Krisengebieten nehmen die Aufgaben der «Sozialen Stadt» zu. Die Autoren des Beitrags zeigen, dass die Quartierentwicklung auch in Deutschland partizipativ ablaufen soll: Die Bewohner werden als Experten ihres Sozialraums verstanden, die deshalb eng in die Projekte einbezogen werden. Gleichzeitig wird eine Zusammenarbeit mit privaten Bauträgern und Unternehmen angestrebt. (mgt)
Das Heft Forum Raumentwicklung Nr. 3/16 «Quartierentwicklung: Eine Herausforderung für die moderne städtische Raumplanung» kann schriftlich beim BBL, 3003 Bern, zum Preis von 10.25 Franken (inkl. MwSt) bestellt oder kostenlos im PDF-Format (106 Seiten) heruntergeladen werden.