Prävention im Bau: Lang lebe die Infrastruktur
Infrastrukturbauten leiden häufig schon nach wenigen Jahren an Alterserscheinungen. Ihre Lebenserwartung ist unter anhaltendem Kosten- und Zeitdruck drastisch gesunken. Deutsche Forscher plädieren nun dafür, Risiken und Zustandsentwicklungen von Materialien schon vor dem Bau genau zu analysieren. Das verlangt ein Umdenken.
Quelle: Eric Sauterel – Kanton Freiburg
Viele Risiken können bereits beim Neubau einkalkuliert werden, um später teure Instandsetzungen zu verhindern (im Bild: Poyabrücke in Freiburg).
«Seit Beginn des Bauens haben die Menschen versucht, mit bauchemischen Zusätzen die Lebensdauer der Bauwerke zu verlängern», sagte Andreas Gerdes, Professor und Abteilungsleiter Mineralische Grenzflächen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), an der 20. Lippuner Wasserfachtagung in Vaduz. Am weitesten gingen die Römer mit bauchemischen Additiven: «Von Proteinen über Roggenteig bis hin zu Bierwürze wurde alles verwendet.»
Grösster Markt der Welt
Von dieser Innovationskraft könnte sich heute der eine oder andere durchaus eine Scheibe abschneiden – besonders im Bereich des Infrastrukturbaus. «Die technische Infrastruktur ist der grösste Markt der Welt. Die Branche ist etwa zwei- bis dreimal so gross wie die Automobilbranche», so Gerdes.
Aktuell zeichnen sich Infrastrukturbauten allerdings nicht gerade durch ihren guten Zustand aus. In den nächsten Jahren und Jahrzehnten wird erwartet, dass der Unterhalt, die Instandsetzung und der gezielte Ausbau der Infrastruktur sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz Investitionskosten im dreistelligen Milliardenbereich erfordern werden, so Gerdes im Gespräch.
Lebensdauer drastisch reduziert
«Die Situation stellt sich aber nicht nur in europäischen Ländern so dar, sondern gilt etwa auch für China, das trotz einer verhältnismässig jungen Infrastruktur viele seiner ‹Bausünden› bereits instand setzen muss.» Die Problematik ist überall etwa die gleiche: Es soll möglichst günstig und schnell gebaut und der künftige Unterhalt auf ein Minimum begrenzt werden, sodass der Haushalt heute entlastet wird.
Dafür wird häufig eine Verkürzung der Nutzungsdauer der Infrastruktur in Kauf genommen. «Oder anders ausgedrückt: Die geplante Lebensdauer von 80 bis 100 Jahren reduziert sich auf 20 bis 25 Jahre», bedauert Gerdes. Faktisch baue man so eine «Hypothek» für die nachfolgenden Generationen auf. Nachhaltigkeit sieht anders aus.
Kostendruck steigt
«Die kommunale Infrastruktur ist komplex und vielfältig. Sie ist aber auch standortfördernd und wichtig für die gesellschaftliche Struktur», betont Gerdes. In der Schweiz hätten die Gemeinden in den letzten Jahrzehnten bei Infrastrukturprojekten zwar noch auf die Kriterien «Qualität» und «Erhalt» geachtet, was sich bis heute auszahle.
Doch auch hier hat der Kostendruck stark zugenommen. «Und gerade durch Veränderungen, die wir nicht direkt in der Hand haben, wie Budgetzwänge, Klimawandel, Ressourcenverknappung oder die intensivere Nutzung oder gar Umnutzung der Infrastruktur, stehen Gemeinden vor neuen Herausforderungen.» Hinzu kommen Faktoren wie die Urbanisierung, die Globalisierung und die Digitalisierung des Bauwesens. «Das sind Entwicklungen, die das Bauen im Infrastruktursektor deutlich verändern werden.»
Fokus auf Prävention
Deshalb plädiert Gerdes für einen Sinneswandel, insbesondere bei den Bauherren, aber auch bei Planern, Bauunternehmen und in der Politik: «Heute denken alle in Erstellungskosten.» Doch der Fokus solle sich weg von den Anfangskosten hin zur Prävention und zu einem längeren Lebenszyklus bewegen.