13:34 KOMMUNAL

Prävention im Bau: Lang lebe die Infrastruktur

Teaserbild-Quelle: Eric Sauterel – Kanton Freiburg

Infrastrukturbauten leiden häufig schon nach wenigen Jahren an Alterserscheinungen. Ihre Lebenserwartung ist unter anhaltendem Kosten- und Zeitdruck drastisch gesunken. Deutsche Forscher plädieren nun dafür, Risiken und Zustandsentwicklungen von Materialien schon vor dem Bau genau zu analysieren. Das verlangt ein Umdenken.

Bau der Poyabrücke in Freiburg

Quelle: Eric Sauterel – Kanton Freiburg

Viele Risiken können bereits beim Neubau einkalkuliert werden, um später teure Instandsetzungen zu verhindern (im Bild: Poyabrücke in Freiburg).

«Seit Beginn des Bauens haben die Menschen versucht, mit bauche­mischen Zusätzen die Lebensdau­er der Bauwerke zu verlängern», sagte Andreas Gerdes, Professor und Abtei­lungsleiter Mineralische Grenzflächen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), an der 20. Lippuner Wasserfach­tagung in Vaduz. Am weitesten gingen die Römer mit bauchemischen Additi­ven: «Von Proteinen über Roggenteig bis hin zu Bierwürze wurde alles verwen­det.»

Grösster Markt der Welt

Von dieser Innovationskraft könn­te sich heute der eine oder andere durchaus eine Scheibe abschneiden – besonders im Bereich des Infrastruktur­baus. «Die technische Infrastruktur ist der grösste Markt der Welt. Die Branche ist etwa zwei- bis dreimal so gross wie die Automobilbranche», so Gerdes.

Ak­tuell zeichnen sich Infrastrukturbauten allerdings nicht gerade durch ihren gu­ten Zustand aus. In den nächsten Jah­ren und Jahrzehnten wird erwartet, dass der Unterhalt, die Instandsetzung und der gezielte Ausbau der Infrastruktur sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz Investitionskosten im dreistelli­gen Milliardenbereich erfordern werden, so Gerdes im Gespräch.

Lebensdauer drastisch reduziert

«Die Situation stellt sich aber nicht nur in europäischen Ländern so dar, sondern gilt etwa auch für China, das trotz einer verhältnismässig jungen Infrastruktur viele seiner ‹Bausünden› bereits instand setzen muss.» Die Prob­lematik ist überall etwa die gleiche: Es soll möglichst günstig und schnell ge­baut und der künftige Unterhalt auf ein Minimum begrenzt werden, sodass der Haushalt heute entlastet wird.

Da­für wird häufig eine Verkürzung der Nutzungsdauer der Infrastruktur in Kauf genommen. «Oder anders ausgedrückt: Die geplante Lebensdauer von 80 bis 100 Jahren reduziert sich auf 20 bis 25 Jahre», bedauert Gerdes. Faktisch baue man so eine «Hypothek» für die nachfolgenden Generationen auf. Nach­haltigkeit sieht anders aus.

Kostendruck steigt

«Die kommunale Infrastruktur ist kom­plex und vielfältig. Sie ist aber auch standortfördernd und wichtig für die ge­sellschaftliche Struktur», betont Gerdes. In der Schweiz hätten die Gemeinden in den letzten Jahrzehnten bei Infrastruk­turprojekten zwar noch auf die Kriterien «Qualität» und «Erhalt» geachtet, was sich bis heute auszahle.

Doch auch hier hat der Kostendruck stark zugenommen. «Und gerade durch Veränderungen, die wir nicht direkt in der Hand haben, wie Budgetzwänge, Klimawandel, Res­sourcenverknappung oder die intensivere Nutzung oder gar Umnutzung der Infrastruktur, stehen Gemeinden vor neuen Herausforderungen.» Hinzu kom­men Faktoren wie die Urbanisierung, die Globalisierung und die Digitalisierung des Bauwesens. «Das sind Entwicklun­gen, die das Bauen im Infrastruktursektor deutlich verändern werden.»

Fokus auf Prävention

Deshalb plädiert Gerdes für einen Sinneswandel, insbesondere bei den Bauherren, aber auch bei Planern, Bau­unternehmen und in der Politik: «Heute denken alle in Erstellungskosten.» Doch der Fokus solle sich weg von den An­fangskosten hin zur Prävention und zu einem längeren Lebenszyklus bewegen.

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